Leitsatz (amtlich)
1. Die Erklärung im Sinne von § 596 ZPO, vom Urkundenprozess abzustehen, ist unwiderruflich; eine Fortführung und Entscheidung des Rechtsstreits im Urkundenprozess ist danach unzulässig.
2. Die Beweiswirkung des § 416 ZPO gilt nur für echte Urkunden, also wenn die über der Unterschrift stehende Schrift vom Aussteller selbst stammt oder mit dessen Willen dort steht. Hat der Unterzeichner eine Blanko-Unterschrift unter Drohung oder Gewalt geleistet, so ist die Urkunde nicht echt in diesem Sinne. Zwar stammt die Unterschrift vom Aussteller, jedoch stammt die darüber stehende, später eingesetzte Schrift weder von ihm noch steht sie mit seinem Willen dort.
3. Ist streitig, ob die Unterschrift willentlich unter den bereits vorhandenen Vertragstext gesetzt oder als Blanko-Unterschrift erzwungen worden ist, bedarf die Echtheit der Urkunde gemäß § 440 Abs. 1 ZPO des Beweises. Denn die Vermutung gemäß § 440 Abs. 2 ZPO greift nicht ein, wenn die vom Unterzeichner stammende Unterschrift nicht echt im Sinne der Vorschrift ist. Echtheit setzt voraus, dass die Unterschrift freiwillig erfolgte, was bei einer erzwungenen Blanko-Unterschrift nicht der Fall ist (Abgrenzung zu BGH NJW 1988, 2741). Die Grundsätze der Rechtsprechung zum Blankettmissbrauch greifen hier nicht (Abgrenzung zu BGH NJW-RR 2015, 819).
4. Die Beweislast für die Echtheit der Unterschrift gemäß § 440 Abs. 1 ZPO und damit für die freiwillige Leistung der Unterschrift trägt derjenige, der sich auf die Vermutungswirkung beruft (hier: der Anspruchsteller).
5. Eine (erzwungene) Blanko-Unterschrift ohne Blankettvereinbarung ist nicht gemäß § 123 Abs. 1 BGB anfechtbar, da es sich nicht um eine Willenserklärung handelt.
6. Ein Schreibfehler in seinem vom Unterzeichner selbst handgeschriebenen Vornamen kann einen sonstigen äußeren Mangel im Sinne von § 419 ZPO darstellen, der die Beweiskraft einer Urkunde mindern oder aufheben kann (hier angenommen bei "Mohmmad" statt "Mohammad").
Verfahrensgang
LG Hamburg (Aktenzeichen 328 O 175/19) |
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 31.03.2020, Az. 328 O 175/19, wird zurückgewiesen.
Klarstellend wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 31.03.2020, Az. 328 O 175/19, in seinem Tenor zu 1. wie folgt neu gefasst:
Die Klage wird im ordentlichen Verfahren abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die angefochtene Entscheidung ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 2.143.750,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Parteien streiten um einen Rückzahlungs- und einen Zinsanspruch.
Wegen der tatsächlichen Feststellungen in erster Instanz sowie der dort gestellten Anträge wird zunächst gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO auf das angegriffene Urteil Bezug genommen. In prozessualer Hinsicht ist ergänzend festzustellen, dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 10.03.2020 auf Anregung des Gerichts zunächst zu Protokoll (dort S. 2) erklärt hat, "dass Abstand vom Urkundenverfahren genommen werden soll". Nach dem Hinweis des Gerichts, dass es bei Abstandnahme vom Urkundenverfahren erwäge, den Prozess nach § 149 ZPO auszusetzen, hat der Kläger erklärt, dass in Kenntnis dieser Tatsache von dem Urkundenverfahren nicht Abstand genommen werden soll und das Verfahren weiterhin im Urkundenverfahren zu führen ist.
Das Landgericht hat die Klage sodann mit dem angegriffenen Urteil als im Urkundenprozess unstatthaft abgewiesen, weil der Kläger den Beweis der Echtheit der Urkunde gemäß Anlage K1 nicht mit den im Urkundenprozess zulässigen Beweismitteln angetreten habe und ihn mit den im Urkundenprozess zulässigen Beweismitteln auch nicht vollständig führen könne. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf das angegriffene Urteil verwiesen.
Dieses Urteil greift der Kläger mit seiner Berufung vollen Umfangs an. Mit der Berufungsbegründung hat er die Verletzung formellen und materiellen Rechts geltend gemacht wie folgt:
Das Landgericht gehe rechtsirrig und unter Verkennung der Beweislast davon aus, dass der Kläger den Beweis für die Echtheit der Urkunde nicht erbracht habe. Die Urkunde habe die gesetzliche Vermutung gemäß § 440 Abs. 2 ZPO für sich. Von einer interessengerechten Beweislastverteilung, von der das Landgericht spreche, sei weder im Gesetz noch in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Rede. Vielmehr sei nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung davon auszugehen, dass aufgrund der unstreitigen Echtheit der Namensunterschrift gemäß § 440 Abs. 2 ZPO eine Vermutung für die Echtheit der darüber stehenden Schrift bestehe. Der Beklagte müsse diese Vermu...