Normenkette
UrhG §§ 3, 23, 24 Abs. 1, § 69a Abs. 3, § 69c Nr. 2 S. 2
Verfahrensgang
LG Hamburg (Beschluss vom 10.11.2016; Aktenzeichen 310 O 89/15) |
LG Hamburg (Urteil vom 08.07.2016; Aktenzeichen 310 O 89/15l) |
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 08.07.2016 in der Fassung des Beschlusses vom 10.11.2016, Az. 310 O 89/15, wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III. Das vorliegende Urteil und das angefochtene erstinstanzliche Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Zwangsvollstreckung der Beklagten aus den Kostenentscheidungen erster und zweiter Instanz jeweils durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % der auf Grund der Urteile vollstreckbaren Beträge abwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung ihrerseits Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger verfolgt einen urheberrechtlichen Unterlassungsanspruch. Daneben begehrt er die Zahlung von vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten. Aus der Sicht des Klägers geht es im Kern um die Frage, was als Bearbeitung eines Computerprogramms anzusehen ist, wenn Softwarekomponenten zu einem Softwareprodukte verschmolzen werden.
Der Kläger ist selbstständiger Softwareentwickler. Er arbeitet seit Jahren an einer Vielzahl von Open Source-Softwareprojekten mit, so auch seit dem Jahre 2000 an der Fortentwicklung des Linux-Betriebssystems. Welche Anteile er genau an Linux bearbeitet hat, ist streitig. Der Kläger macht geltend, am sog. Kernel des Linux-Betriebssystems mitgearbeitet und auf diese Weise Bearbeiterurheberrechte erworben zu haben. Er wirft der Beklagten vor, für ein von ihr angebotenes Softwareprodukt unrechtmäßig Teile seines Linux-Codes verwendet zu haben.
Das Linux-Betriebssystem ist unstreitig lange vor dem Jahr 2000 in seiner Ursprungsversion von dem Programmierer Linus Torvalds initiiert und seither von einer Vielzahl von Programmierern unabhängig voneinander weiterentwickelt worden. Seit April 2005 wird das Versionskontrollsystem "git" für das Linux-System eingesetzt, über welches nachvollziehbar ist, welche Beiträge von welchem Programmierer beigesteuert worden sind (vgl. Auszug Website Anlage K 1). Dabei ist die Linux-Software fortwährend als sog. Freie Software lizenziert worden und zwar unter den Bedingungen der GNU General Public License, Version 2, auch GPL-2.0 (Text Anlage K 6). Grundgedanke dieser Lizenzierung ist, dass jeder Softwareentwickler, der einen Beitrag zu Linux leistet, es generell jedermann gestattet, Linux einschließlich der jeweils beigesteuerten Beiträge nicht nur zu nutzen, sondern auch weiterzuentwickeln, jedoch unter der auflösenden Bedingung, dass auch die Weiterentwicklung wiederum unter der GPL lizenziert wird, d.h. jedermann zur freien Nutzung und Weiterentwicklung zur Verfügung gestellt wird. Die Nutzer sollen danach umfassende Nutzungsrechte dafür erhalten, dass sie im Gegenzug selbst auch allen anderen Nutzern wieder umfassende Nutzungsrechte einräumen, wenn sie die Software weitergeben. Dazu gehört u.a. die Offenlegung des Quellcodes der veränderten Version. Soweit der Kläger Bearbeitungen der Linux-Software vorgenommen hat, hat er diese nach dem vorstehenden Grundsatz unter der GPL-2.0 lizenziert.
Der Kläger macht Rechte am sog. Kernel des Linux-Betriebssystems auch und gerade im Zusammenhang mit dem System zur Ansprache insbesondere externer Geräte über sog. Gerätetreiber geltend. Zu den generellen Begrifflichkeiten "Betriebssystem", "Gerätetreiber" und "Schnittstelle" - unabhängig von den vorliegend streitgegenständlichen Programmen - ist dabei unstreitig:
- Unter dem sog. Kernel eines Betriebssystems versteht man nach Darstellung der Parteien im vorliegenden Rechtsstreit den Kern eines Betriebssystems. Dieser Kern ist für die Verwaltung und das Ansprechen von Geräten zur Datenspeicherung (Festplatte, optische Laufwerke, Flash-Speicher) sowie für die Verwaltung von Gerätetreibern zuständig. Der Kernel hat unter anderem die Aufgabe, die Input/Output-Anfragen anderer Softwarekomponenten und Anwendungen zu verwalten, zu überprüfen, zu organisieren und zu priorisieren.
- Zur Kommunikation eines Betriebssystem-Kernels mit einem integrierten oder an den Computer angeschlossenen externen Gerät ist ein sog. Gerätetreiber erforderlich. Ein Gerätetreiber ist eine Software, die einen besonderen Typ von Geräten, welcher mit dem Computer verbunden ist, bedient oder kontrolliert, indem sie die Anfragen von Anwendungen und vom Betriebssystem für die besonderen Anforderungen des jeweiligen Typs, der Marke und des Modells des Gerätes übersetzt. Möchte eine Software mit einem Gerät kommunizieren, muss der Treiber einen Befehl oder eine Serie von Befehlen an das Gerät erteilen.
- Das Zusammenwirken zwischen Kernel und Gerätetreibern kann durch einen unterschiedlichen Aufbau des Betriebssystems erreicht werden...