Leitsatz (amtlich)

Gegen den Anspruch des Gläubigers auf erneute Zahlung kann der Schuldner, dessen abredewidrige Überweisung auf ein nicht vereinbartes Konto nicht zur Erfüllung des Zahlungsanspruchs des Gläubigers geführt hat, grundsätzlich mit einem Bereicherungsanspruch aufrechnen, ohne dass dem ein Aufrechnungsverbot entgegen stünde.

 

Verfahrensgang

LG Hamburg (Urteil vom 07.11.2008; Aktenzeichen 402 O 1/08)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Vorbehaltsurteil des LG Hamburg, Kammer 2 für Handelssachen, vom 7.11.2008 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Anschlussberufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen, allerdings nur soweit die Klage hinsichtlich des Zinsanspruchs der Klägerin vom 16.2.2008 bis zum 16.1.2009 abgewiesen worden ist.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten über die Frage, ob die Beklagte verpflichtet ist, einen der Klägerin geschuldeten Zahlungsbetrag, den die Beklagte auf ein nicht vereinbartes Konto überwiesen hatte, nochmals zu überweisen, nämlich auf das vereinbarte Konto.

Die Klägerin verlangt von der Beklagten im Urkundsverfahren Zahlung aufgrund eines sich aus § 3 Abs. 1 der von den Parteien geschlossenen Aufhebungsvereinbarung vom 28.12.2007 (Anl. K 4) ergebenden Anspruchs. Unstreitig belief sich der Zahlungsanspruch der Klägerin nach einer Verrechnung mit Gegenansprüchen der Beklagten auf einen Betrag von Euro 108.548,99. Die Beklagte war nach der Vereinbarung verpflichtet, den Betrag auf das Anderkonto der Prozessbevollmächtigten der Klägerin zu überweisen. Tatsächlich überwies die Beklagte den Betrag aber auf das sich im Soll befindliche Konto der Klägerin bei der Dresdner Bank AG. Die Klägerin verlangt nun die erneute Zahlung eines Teilbetrages von Euro 50.982,98, und zwar entsprechend der Vereinbarung auf das Anderkonto ihrer Prozessbevollmächtigten. Außerdem verlangt die Klägerin den Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten i.H.v. Euro 1.680,10. Die Beklagte rechnet auf mit einem Rückzahlungsanspruch hinsichtlich des auf das Konto der Klägerin überwiesenen Betrages nach § 812 BGB.

Mit dem angefochtenen Vorbehalts-Urteil, auf das wegen des Tatbestandes, der Anträge der Parteien und der Entscheidungsgründe Bezug genommen wird, ist die Beklagte verurteilt worden, an die Klägerin auf das Anderkonto ihrer Prozessbevollmächtigten Euro 50.982,98 sowie Euro 1.680,10 nebst Zinsen i.H.v. jeweils 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu zahlen. Lediglich hinsichtlich des von der Klägerin geltend gemachten Zinsanspruchs hat das LG die Klage teilweise abgewiesen.

Zur Begründung hat das LG ausgeführt, durch die vereinbarungswidrige Überweisung auf das Girokonto der Klägerin sei eine Erfüllungswirkung hinsichtlich der Zahlungsverpflichtung der Beklagten aus der Aufhebungsvereinbarung nicht eingetreten, so dass der Klägerin ein Anspruch auf nochmalige Überweisung, und zwar auf das Anderkonto ihrer Prozessbevollmächtigten, zustehe. Eine Aufrechnung der Beklagten mit einem Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung sei nicht zuzulassen, weil ansonsten trotz der weisungswidrigen Überweisung im Ergebnis eine Erfüllungswirkung eintreten würde.

Die Beklagte kritisiert unter Beibehaltung ihrer Rechtsansichten die Verurteilung und wiederholt und vertieft ihr Vorbringen aus der ersten Instanz. Sie meint, die von ihr in der Klagerwiderung gegen den Zahlungsanspruch der Klägerin erklärte Aufrechnung mit einem bereicherungsrechtlichen Rückzahlungsanspruch sei wirksam und habe zum Erlöschen des Zahlungsanspruchs der Klägerin geführt. Entgegen der vom LG vertretenen Auffassung könne aus dem Umstand, dass sie, die Beklagte, entgegen der Bestimmung in § 3 Abs. 1 der Aufhebungsvereinbarung die Zahlung versehentlich nicht auf das Anderkonto der Prozessbevollmächtigten der Klägerin überwiesen habe, sondern auf das Konto der Klägerin selbst, kein Aufrechnungsverbot hergeleitet werden.

Im Nachverfahren hat das LG mit Schlussurteil vom 6.3.2009 das hier angefochtene Vorbehaltsurteil für vorbehaltlos erklärt, die Beklagte zur Zahlung weiterer Euro 57.566,01 nebst Zinsen verurteilt und auf die dort von der Beklagten hilfsweise erhobene Widerklage hin die Klägerin verurteilt, an die Beklagte Euro 108.548,99 zu zahlen, wogegen die Klägerin kein Rechtsmittel eingelegt hat. Die Beklagte hat in zweiter Instanz mit Schriftsatz vom 16.2.2011 gegen den Anspruch der Klägerin auf erneute Zahlung, nämlich auf das Konto der Prozessbevollmächtigten der Klägerin, die Aufrechnung erklärt mit dem im Schlussurteil zur Widerklage titulierten Zahlungsanspruch der Beklagten gegen die Klägerin.

Die Beklagte beantragt, das Vorbehalts-Urteil des LG Hamburg vom 7.11.2008 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Be...

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