Leitsatz (amtlich)

1) Haben sich nach § 1762 BGB a.F. BGB die Wirkungen der Annahme auf die Abkömmlinge des Angenommenen erstreckt, verbleibt es bei Inkrafttreten des AdoptG bei der allgemeinen Regelung des Art. 12 § 1.

2) Die Wirkungen der Erstreckung auf die Abkömmlinge des Angenommenen beschränken sich auf diejenigen der Volljährigenadoption. Eine Verwandtschaftsbeziehung zu den Verwandten des Annehmenden wird nicht begründet.

 

Normenkette

AdoptG Art. 12 § 1 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Essen (Beschluss vom 26.11.2010; Aktenzeichen 7 T 128/10)

AG Essen (Aktenzeichen 151 VI 267/09)

 

Tenor

Die weitere Beschwerde wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Entscheidung über die Erstattung außergerichtlicher Auslagen abgeändert wird.

Die Beteiligte zu 1) hat der Beteiligten zu 2) die ihr im Erstbeschwerdeverfahren und im Rechtsbeschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Der Geschäftswert wird auf 3.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Erblasser war nicht verheiratet und hatte keine Kinder. Das von ihm im Jahr 2005 errichtete notarielle Testament widerrief er im Jahr 2008 durch ein zweites notarielles Testament.

Die Eltern des Erblassers, die Eheleute F2 und F3, hatten am 2.12.1946 den am 23.6.1946 in N geborenen Vater der Beteiligten zu 1), F4, durch Kindesannahmevertrag als gemeinschaftliches Kind an Kindes Statt angenommen. Den Kindesannahmevertrag genehmigte das AG Mannheim am 22.9.1946. Die Beteiligte zu 1) ist am 6.4.1973 geboren.

Mit Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 10.8.2009 beantragte die Beteiligte zu 1), ihr einen Erbschein zu erteilen, der sie als Alleinerbin nach dem Erblasser F5 ausweist. Diesen Antrag wies das AG mit Beschluss vom 26.1.2010 zurück. Die hiergegen eingelegte weitere Beschwerde wies das LG mit Beschluss vom 26.11.2010 zurück. Hiergegen richtet sich die mit Anwaltsschriftsatz vom 14.1.2011 eingelegte weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1).

II. Die weitere Beschwerde ist nach den §§ 27, 29 FGG, Art 111 FG-ReformG statthaft und auch sonst zulässig.

Das Rechtsmittel ist aber unbegründet, weil die Entscheidung des LG in der Sache nicht auf einer Verletzung des Rechts beruht, § 27 FGG.

Der Vater der Beteiligten zu 1) war im Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Gerichtsbeschlusses des AG Mannheim 22.9.1946 über die Genehmigung des Adoptionsvertrages minderjährig und vor Inkrafttreten der Gesetzesänderung zum 1.1.1977 volljährig. Demnach ist für den vorliegenden Fall folgende Rechtslage maßgeblich:

1) Nach dem bis zum 31.12.1976 geltenden Recht war das angenommene Kind gem. § 1757 BGB a.F. mit dem Annehmenden in gerader Linie verwandt und erlangte deshalb gegenüber dem Annehmenden das Erb- und Pflichtteilsrecht aus den §§ 1924, 2303 BGB. Die Adoption erstreckte sich aber nicht auf die Verwandten des Annehmenden, § 1763 BGB a.F. Das bedeutet, dass der Vater der Beteiligten zu 1) mit den ihn annehmenden Eheleuten F2 und F3 verwandt und ihnen gegenüber erbberechtigt ist, diese Verwandtschaft sich aber nicht auch auf deren Sohn F5, den Erblasser, erstreckt.

Die Wirkung der Adoption erstreckte sich nach § 1762 S. 1 BGB a.F. auch auf die später, d.h. nach der Adoption geborenen Abkömmlinge des angenommenen Kindes. Daher ist die am 6.4.1973 geborene Beteiligte zu 1) nach der alten Rechtslage zwar mit den Eheleuten F2 und F3 verwandt, nicht aber mit dem Erblasser.

2) Zum 1.1.1977 hat sich die Rechtslage dahin geändert, dass das angenommene minderjährige Kind den leiblichen Kindern des Annehmenden gleichgestellt wird und daher mit dem Annehmenden und dessen Verwandten mit Wirksamwerden des Gerichtsbeschlusses über die Genehmigung des Adoptionsvertrages verwandt wird, § 1754 BGB. Das angenommene Kind hat daher gegenüber den neuen Verwandten die erbrechtlichen Ansprüche aus den §§ 1925 ff. BGB.

Diese sie begünstigende Wirkung der neuen Gesetzeslage könnte die Beteiligte zu 1) für sich nur in Anspruch nehmen, wenn die im Adoptionsgesetz vom 2.7.1976 (BGBl. I 1749) in Art 12 geregelte Umstellung unter altem Recht begründeter Adoptionsverhältnisse dies zulässt.

Nach Art. 12 § 1 Abs. 1 AdoptG werden auf das Annahmeverhältnis die neuen Vorschriften über die Annahme Volljähriger angewandt, wenn, wie hier, der Angenommene am 1.1.1977 volljährig ist. Dies gilt aber nur, soweit sich nicht aus Abs. 2 bis 6 derselben Vorschrift etwas anderes ergibt.

a) Abs. 3 der Vorschrift betrifft das Namensrecht, Abs. 4 die erbrechtlichen Verhältnisse, wenn der Erblasser vor dem 1.1.1977 gestorben ist, und Abs. 6 die Aufhebung der Adoption (Aufhebungshindernisse nach § 1761 Abs. 1 BGB und Fristen nach § 1762 BGB). Diese Ausnahmefälle greifen hier nicht ein, ebenso nicht Abs. 5, wonach das Erbrecht des angenommenen Kindes dem Annehmenden gegenüber ausgeschlossen bleibt, wenn dies in dem Annahmevertrag so gem. § 1767 BGB a.F. vereinbart war.

b) Art. 12 § 1 Abs. 2 AdoptG greift hier ebenfalls nicht ein. Danach werden auf einen Abkömmling des angenommenen Kindes, auf den sich die Wirkungen der Annahme an Kin...

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