Leitsatz (amtlich)
1. Zur Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge und deren Übertragung auf einen Elternteil.
2. Von einer erneuten persönlichen Anhörung der beteiligten Kindeseltern gem. § 160 FamFG kann abgesehen werden, wenn weder neue - entscheidungserhebliche - Tatsachen vorgetragen sind noch eine Änderung der rechtlichen Gesichtspunkte eingetreten ist und auch nicht der Zeitablauf seit der amtsgerichtlichen Anhörung oder sonstige Gründe eine solche erneute Anhörung geboten erscheinen lassen.
3. Zum Verzicht auf die persönliche Anhörung des betroffenen Kindes gem. § 159 Abs. 1 und 3 FamFG aus schwerwiegenden Gründen.
Normenkette
BGB § 1671; FamFG §§ 159-160
Verfahrensgang
AG Lüdinghausen (Aktenzeichen 14 F 191/09) |
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsgegner.
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 3000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Ehe der beteiligten Kindeseltern wurde durch Urteil des AG - Familiengericht - Ahlen vom 19.9.2002 geschieden. Aus der Ehe sind das betroffene Kind M2 und deren Bruder U hervorgegangen. Während der am 12.8.1993 geborene U im Haushalt des Antragsgegners lebt, lebt die am 29.3.1995 geborene M2 im Haushalt ihrer Mutter. Im vorliegenden Verfahren hat die Antragstellerin beantragt, ihr die elterliche Sorge für die gemeinsame Tochter M2 zur alleinigen Ausübung, hilfsweise das Aufenthaltsbestimmungsrecht zu übertragen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, es gelänge den Kindeseltern nicht, Vereinbarungen unmittelbar untereinander zu treffen, zwischen ihnen sei eine Verständigung über Belange ihrer Tochter M2 nicht mehr möglich. Ohne nachvollziehbare Gründe verweigere der Kindesvater eine therapeutische Behandlung seiner Tochter, obwohl eine kontinuierliche ambulante Therapie zur Erleichterung der Verarbeitung der elterlichen Konflikte für M2 dringend geboten sei. Entgegen der getroffenen Elternvereinbarung werde M2 zudem an den Besuchswochenenden bei dem Antragsgegner immer wieder über familiäre Angelegenheiten befragt, es würden mit ihr Erziehungsansichten diskutiert und M2 werde kontinuierlich Gewissenskonflikten ausgesetzt.
Demgegenüber verfolgt der Antragsgegner die Beibehaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge und bestreitet, dass eine Verständigungsmöglichkeit mit der Kindesmutter nicht mehr möglich sei. Die Kindesmutter stürze M2 immer wieder durch die Missachtung der gemeinsamen elterlichen Sorge und eine negative Beeinflussung gegen ihn und seine Familie in Konflikte.
Das AG hat ein psychologisches Sachverständigengutachten des Diplom-Psychologen Dr. L eingeholt und sodann die elterliche Sorge für M2 durch einen am 29.3.2011 erlassenen Beschluss der Kindesmutter übertragen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, zwischen den Eltern würden auch in Beziehung auf das Kind M2 keine gegenseitigen Abstimmungen der Erziehungsziele erfolgen, so dass bei Fortbestehen der gemeinsamen elterlichen Sorge die stete Gefahr weiterer Loyalitätskonflikte für M2 bestehe. Deshalb sei die gemeinsame elterliche Sorge aufzuheben, um weitere Auseinandersetzungen der Eltern - und damit einhergehend schwerwiegende Beeinträchtigungen des Kindeswohls -zu vermeiden.
Hiergegen wendet sich der Antragsgegner mit seiner rechtzeitig eingelegten Beschwerde, mit der er eine Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und die Beibehaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge verfolgt. Er führt hierzu aus, das Gutachten des Sachverständigen Dr. L, auf das das AG seine Entscheidung im Wesentlichen gestützt habe, beinhalte einerseits viele Widersprüche und enthalte zum anderen völlig andere Angaben als diejenigen, die vom Gericht in dem angegriffenen Beschluss zitiert würden. So führe das Gericht aus, die Kindesmutter sei aufgrund einer therapiebedürftigen Erkrankung nicht in der Lage, sich mit ihm auf sachlicher Ebene auseinanderzusetzen. Zudem hätte das Gericht der Antragstellerin die Verpflichtung auferlegen müssen, sich einer Therapie zu unterziehen, um eine Gesprächsbereitschaft mit ihm wiederherzustellen. Schließlich habe es lediglich pauschal ausgeführt, dass die Auseinandersetzungen zwischen den Eltern das Kindeswohl gefährden würden. In absehbarer Zukunft sei keine Entscheidung betreffend M2 zu treffen, die überhaupt zu streitigen Auseinandersetzungen zwischen den Eltern führen könnte. Letztlich habe sich das Verhältnis zwischen ihm und M2 in letzter Zeit auch nicht verschlechtert.
II. Die gemäß den §§ 58 ff. FamFG, Art. 111 FGG-RG zulässige Beschwerde des Antragsgegners ist in der Sache nicht begründet. Denn das AG hat zu Recht die gemeinsame elterliche Sorge für das Kind M2 T aufgehoben und diese der Kindesmutter zur alleinigen Ausübung übertragen. Die Voraussetzungen für die Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge und deren Übertragung auf die Kindesmutter zur alleinigen Ausübung sind vom Familiengericht mit zutreffender Begründung als gegeben erachtet worden; die Angriffe der Beschwerde hiergegen geben dem Senat keine Veranlass...