Leitsatz (amtlich)
Werden eine im Ausland ansässige Herstellerin, eine im Inland ansässige Importeurin und ein im Inland ansässiger Kraftfahrzeughändler aus deliktischen Gründen auf Schadensersatz nach dem Verkauf eines Pkw in Anspruch genommen, kann sich die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte in Bezug auf den Hersteller aus Art. 8 Nr. 1 EUGVVO ergeben und so eine Gerichtsstandbestimmung gem. § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO ermöglichen (wenn die weiteren Voraussetzungen der Norm vorliegen).
Normenkette
EuGVVO Art. 8 Nr. 1; ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 3
Verfahrensgang
LG Bielefeld (Aktenzeichen 1 O 391/18) |
Tenor
Örtlich zuständig ist das Landgericht Köln.
Gründe
I. Der in D wohnhafte Kläger hat beim Landgericht Bielefeld Klage eingereicht gegen eine in E ansässige Autorhändlerin (Beklagte zu 1)) sowie die in F ansässige A GmbH (Beklagte zu 2)) und die Klage auf die in G, Tschechische Republik, ansässige B a. s. (Beklagte zu 3)) erweitert (Klageschrift vom 30.11.2018 und Schriftsatz vom 08.08.2019, Bl. 1 ff. und Bl. 71 f.). Von den Beklagten als Gesamtschuldnern begehrt er Zahlung von 17.979,00 EUR zzgl. Nebenforderungen und die Feststellung ihrer Schadensersatzpflicht.
Zur Begründung seiner Klage trägt er - soweit für das vorliegende Zuständigkeitsbestimmungsverfahren von Belang - im Wesentlichen folgendes vor:
Mit Kaufvertrag vom 31.03.2016 erwarb der Kläger bei der Beklagten zu 1) einen gebrauchten C Combi zum Kaufpreis von 17.979,00 EUR. Bei der Beklagten zu 2) handelt es sich um die deutsche Importeurin und bei der Beklagten zu 3) um die Herstellerin des Fahrzeugs. Das in Rede stehende Fahrzeug ist nach der Behauptung des Klägers von dem sog. "Abgasskandal" betroffen und auch nach dem Aufspielen eines Softwareupdates (Hersteller-Rückrufaktion 23R6) weiter mangelhaft.
Alle Beklagten nimmt der Kläger, gestützt auf die Behauptung einer arglistigen Täuschung, aus Delikt, insbesondere aus § 826 BGB, in Anspruch. Die gegen die Beklagte zu 1) erhobene Forderung stützt er zudem und primär auf einen kaufrechtlichen Gewährleistungsanspruch.
Mit Beschluss vom 12.12.2019 (Bl. 295 ff.), auf den wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, hat das Landgericht Bielefeld den Rechtsstreit dem Oberlandesgericht Hamm zum Zwecke der Zuständigkeitsbestimmung gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO vorgelegt.
Zuvor hatten die Beklagten zu 2) die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Bielefeld und die Beklagte zu 3) dessen internationale Zuständigkeit gerügt (Schriftsätze vom 08.03.2019 und vom 28.10.2019, Bl. 47 ff. und Bl. 192 ff.) sowie der Kläger die Zuständigkeitsbestimmung beantragt (Schriftsatz vom 31.10.2019, Bl. 281).
Der Senat hat die Parteien mit Verfügung vom 29.01.2020 angehört. Die Beklagten zu 2) und zu 3) haben Stellung genommen und beantragt, den Antrag auf Zuständigkeitsbestimmung abzulehnen (Schriftsatz vom 14.02.2020, Bl. 303 ff.).
II. 1. Das Oberlandesgericht Hamm ist gemäß § 36 Abs. 2 ZPO für die Gerichtsstandbestimmung zuständig. Das nächst höhere gemeinschaftliche Gericht im Verhältnis zu den Landgerichten Bielefeld (allgemeiner Gerichtsstand des Klägers), Köln (allgemeiner Gerichtsstand der Beklagten zu 1)) und Darmstadt (allgemeiner Gerichtsstand der Beklagten zu 2)) wäre der Bundesgerichtshof; das im Bezirk des Oberlandesgerichts Hamm gelegene Landgericht Bielefeld wurde zuerst mit der Sache befasst.
2. Dass die in der Tschechischen Republik ansässige Beklagte zu 3) ihren allgemeinen Gerichtsstand nicht in Deutschland hat, steht einer Bestimmung gemäß bzw. in entsprechender Anwendung des § 36 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 ZPO nicht entgegen (BGH, Beschluss v. 06.11.1970, I ARZ 228/70, NJW 1971, 196, Zitat nach juris, Rn. 4; OLG Dresden, Beschluss v. 22.09.2010, 3 AR 52/10, IPRspr 2010, Nr. 237, 590, Zitat nach juris, Rn. 9), zumal vorliegend - wenngleich diese Bewertung zur internationalen Zuständigkeit das Hauptsachegericht nicht bindet (OLG Dresden a.a.O. m. w. N.) - die deutsche internationale Zuständigkeit gegeben ist und deshalb deutsches Zivilprozessrecht Anwendung findet (vgl. dazu Patzina in MüKo ZPO 5. Aufl. 2016, § 36 Rn. 3 m. w. N.; Schultzky in Zöller, ZPO 33. Aufl., § 36 Rn. 6).
Denn (auch) bezogen auf die Beklagte zu 3) ist die deutsche internationale Zuständigkeit gegeben. Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte folgt vorliegend schon aus Art. 8 Nr. 1 EuGVVO. Nach dieser Vorschrift kann eine Person mit einem Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates, wenn mehrere Personen zusammen verklagt werden (sollen), auch vor dem Gericht des Ortes, an dem einer der Beklagten seinen Wohnsitz hat, verklagt werden. Dazu muss zwischen den Klagen aufgrund einer gegebenen engen Beziehung eine gemeinsame Verhandlung und Entscheidung geboten erscheinen, um zu vermeiden, dass in getrennten Verfahren widersprechende Entscheidungen ergehen könnten. So verhält es sich hier. Die geltend gemachten Ansprüche sind tatsächlich und rechtlich so eng verknüpft, dass es prozessökonomisch sinnvoll ist, dass die Beklagten als Streit...