Leitsatz (amtlich)
1. Die Identität eines Tatverdächtigen kann auch ohne Ausweispapiere festgestellt werden, wenn der Betreffende von anderen glaubwürdigen Personen zuverlässig und vollständig identifiziert wird bzw. etwaige fehlende Angaben leicht aufgrund der vorhandenen Identitätsangaben ergänzt werden können (z.B. aus dem Melderegister etc.). Ist dem Beamten des Polizeidienstes die Identität des Tatverdächtigen hinreichend bekannt, so ist sein Festhalten oder Durchsuchen (§ 163 b Abs. 1 StPO) zum Zwecke der Auffindung eines Ausweises nicht erforderlich.
2. Eine Verteidigung gegen eine rechtswidrige polizeiliche Maßnahme ist dann nicht geboten i.S.v. § 32 StGB, wenn der Vollstreckungsbeamte nicht offensichtlich bösgläubig oder amtsmissbräuchlich handelt und durch die Vollstreckungshandlung kein irreparabler Schaden droht, durch die Abwehrhandlung aber erhebliche Verletzungen oder der Tod des Amtsträgers zu gewärtigen sind.
3. Eine Verwarnung mit Strafvorbehalt setzt neben einer günstigen Prognose das kumulative Vorliegen besonderer Umstände voraus. Diese sind Umstände von besonderem Gewicht, die die Tat aus dem Kreis vergleichbarer gewöhnlich vorkommender Durchschnittstaten so deutlich herausheben, dass ausnahmsweise eine Verschonung von Strafe angezeigt ist. Einfache Strafmilderungsgründe bei Abwesenheit von Strafschärfungsgründen zwingen noch nicht zur Annahme besonderer Umstände.
Verfahrensgang
LG Bielefeld (Entscheidung vom 04.09.2008; Aktenzeichen 11 Ns 88/08) |
Tenor
Die Revision wird als unbegründet verworfen.
Die Kosten des Rechtsmittels trägt der Angeklagte.
Gründe
I.
Nach Aufhebung des ersten Berufungsurteils in dieser Sache und Zurückverweisung an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Bielefeld durch Senatsbeschluss vom 04.09.2008 hat das Landgericht mit dem angefochtenen Urteil nunmehr die Berufung des Angeklagten mit der Maßgabe verworfen, dass er wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen verurteilt wird.
Nach den Feststellungen des Landgerichts soll der Angeklagte am14.03.2007 zwei Nachbarskinder am Hals gefasst und leicht zugedrückt haben (nicht Gegenstand der Verurteilung). Der Vater des einen, der Zeuge U, und die Mutter des anderen Kindes riefen die Polizei. Den eintreffenden Polizeibeamten wurde der Angeklagte, der den Kindern bzw. den Elternteilen bekannt war (der Zeuge U hatte auch schon mal gelegentlich "ein Bier" mit dem Angeklagten getrunken) mit Vor- und Nachnamen sowie mit seiner Wohnanschrift im Nachbarhaus bezeichnet. Die Polizeibeamten, die beiden Kindern, der Vater und die Mutter begaben sich sodann zur Wohnung des Angeklagten in der 2. Etage des Nachbarhauses der Anzeigeerstatter. Als der Angeklagte auf das Schellen die Wohnungstüre öffnete und die Personen erblickte, beschimpfe er sogleich den Zeugen U und redete sich weiter "in Rage". Er hatte zu diesem Zeitpunkt eine Blutalkoholkonzentration von 1,56 Promille. Den Polizisten gelang es nicht, den Angeklagten zu beruhigen. Schließlich erklärten sie dem Angeklagten, dass gegen ihn Anzeige wegen Körperverletzung zum Nachteil der Kinder gegen ihn erstattet worden sei und forderten ihn auf, sich auszuweisen. Dies verweigerte der Angeklagte trotz mehrmaliger Wiederholung der Aufforderung. Schließlich drohten sie ihn an, ihn auf Ausweispapiere durchsuchen zu wollen. PK G machte sodann ein bis zwei Schritte auf den Angeklagten zu, streckte seine linke Hand aus, um den rechten Arm des Angeklagten zu ergreifen um ihn zur Durchsuchung an die Wand zu stellen. Nunmehr schlug der Angeklagte unvermittelt gezielt mit der Faust gegen den Kopf des Polizisten, wobei er dessen Verletzung zumindest billigend in Kauf nahm. Der Polizist erlitt eine schmerzhafte Schädelprellung. Am Tattag litt er noch unter Kopfschmerzen und Übelkeit. Er war rund 1 1/2 Wochen dienstunfähig krank.
Die Polizisten wollten - so die Feststellungen des Landgerichts - die Personalien des Angeklagten deshalb mittels Ausweis feststellen, weil sie in der Vergangenheit schon "des Öfteren Probleme mit Identitätsfeststellungen gehabt" haben. Es sei vorgekommen, dass sich angegebene Personalien im Nachhinein nicht als richtig herausgestellt hätten. Auch hätten Tatverdächtige im Nachhinein behauptet, nicht sie sondern Familienmitglieder oder Bekannte hätten die Tat begangen. Die Polizisten hätten nicht gewusst, ob die vor ihnen stehende Person tatsächlich der von den Zeugen benannte Täter war oder ob es sich um eine andere männliche, ähnlich aussehende Person handelte.
Gegen das Urteil wendet sich der Angeklagte mit der Revision und rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
II.
Die Revision hat keinen Erfolg.
1.
Die Überprüfung des Urteils auf die Sachrüge hat keine Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
a) Näherer Erörterung bedarf hier die Frage, ob das Landgericht zu Recht eine Rechtfertigung des Angeklagten wegen Notwehr (§ 32 StGB) abgelehnt hat. Das Landgericht ist der Ansicht, dass die Polizisten den Angeklagten zum Z...