Leitsatz (amtlich)
Zur Beleidigung durch Meinungsäußerungen in einem Gerichtsverfahren.
Verfahrensgang
LG Detmold (Entscheidung vom 22.01.2004; Aktenzeichen 4 Ns 22 Js 326/03) |
Tenor
Das angefochtene Urteil wird aufgehoben.
Der Angeklagte wird freigesprochen.
Die Kosten des Verfahrens sowie die notwendigen Auslagen des Angeklagten trägt die Landeskasse.
Gründe
I.
Das Amtsgericht hat den Angeklagten wegen Beleidigung in zwei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 60 Tagessätzen in Höhe von jeweils 15,00 EUR verurteilt und dabei Einzelstrafen in Höhe von 45 Tagessätzen in Ansatz gebracht. Die Berufung des Angeklagten gegen dieses Urteil blieb erfolglos. Das Landgericht hat das Rechtsmittel mit der Maßgabe verworfen, dass der Angeklagte wegen Beleidigung und übler Nachrede zu einer Gesamtgeldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 15,00 EUR verurteilt wurde.
Den Feststellungen der Berufungskammer zufolge führte der Angeklagte vor dem Sozialgericht Detmold mehrere Rechtsstreitigkeiten. In dem Rechtsstreit S 14 U 58/02 setzte sich der Angeklagte gegen Beitragsbescheide der Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft zur Wehr. Das Verfahren führte der Richter am Sozialgericht S., mit dessen Prozessführung der Angeklagte in weiten Teilen nicht einverstanden war. Unter dem 12. Juli 2003 stellte der Angeklagte ein Ablehnungsgesuch gegen den Richter am Sozialgericht S., in dem es u.a. heißt:
"5. Richter S. lügt offensichtlich, wenn er behauptet, für den von ihm angesetzten Verhandlungstermin am 19.07.2002 die Akten der Beklagten beigezogen zu haben, tatsächlich aber alle Prozessakten unter S 14 U 58/02 einschließlich der Verwaltungsakten der Beklagten seit dem 3. Juni 2002 bei dem Landessozialgericht NRW unter Zeichen L 2 B 4/02 ER sich befinden und die Beklagte selbst erklärt hat, über keine weiteren Originalverwaltungsakten zu verfügen. Richter S. inszeniert auf diese Weise einen reinen Schauprozess gegen mich."
Das Landessozialgericht wies das Ablehnungsgesuch des Angeklagten, in dem er noch weitere Vorwürfe gegen den Richter am Sozialgericht S. erhob, als unbegründet zurück. In dem Beschluss des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 3. Dezember 2002 heißt es u.a.:
"Hingegen sind ... die den vorliegenden Rechtsstreit betreffenden Akten beigezogen worden. Ausweislich der Verfügung vom 28. Juni 2002 und 3. Juli 2002 hat der abgelehnte Richter das Landessozialgericht ausdrücklich unter Hinweis auf den Termin am 19. Juli 2002 um Rücksendung der dort befindlichen Akten gebeten. Der Vorwurf der "offensichtlichen Lüge" ist daher unberechtigt."
Der Angeklagte stellte unter dem 23. Januar 2003 ein weiteres Ablehnungsgesuch gegen den Richter am Landessozialgericht S. und begründete dies u.a. wie folgt:
" 6. Richter S. verweigert in diesem Rechtsstreit unbegründet nahezu jegliche Zurkenntnisnahme meines Vortrags. Gemeint ist in diesem Zusammenhang weniger seine bereits dargestellte Untätigkeit in Bezug auf von mir gestellte Anträge, sondern vielmehr die Tatsache, dass Dokumente auf die ich in meinen Vorträgen verweise nicht wie erforderlich in den Prozessakten dieses Rechtsstreits aufgenommen werden. Statt dessen werden teilweise sogar Aktenstücke bzw. Dokumente in offenkundiger Verschleierungsabsicht wieder aus der Prozessakte von Richter S. entfernt. Dies trifft z.B. auf die vielen Widersprüchlichkeiten im Vortrag der Beklagten zu, die bei der Aktendurchsicht vom Landessozialgericht nicht mehr auffindbar waren. Auch unbegründet wiederholt an mich gerichtete Aufforderungen, Auskunft zu den Umständen oder Tatsachen zu geben, zu denen ich bereits vorher schon eindeutig Stellung bezogen hatte, z.B. zu Einkommensfragen, müssen deshalb in diesem Zusammenhang erwähnt werden. Eine unter dem Aspekt der Verweigerung rechtlichen Gehörs mich benachteiligende parteiische Haltung hat Richter S. auch eingenommen als er die weitere Stellungnahme zu meinem Ablehnungsantrag vom 12.07.2002 verweigert hat."
Die Berufungskammer hat ferner folgende Feststellungen getroffen:
"Tatsächlich hatte der Zeuge S. keine Aktenbestandteile entfernt.
Dieses Ablehnungsgesuch verwarf der Zeuge S. am 31. Januar 2003 als unzulässig.
Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen wies am 06.03.2003 die Beschwerde des Angeklagten zurück. Dessen Gegenvorstellung wies es am 28.04.2003 zurück. Zwischenzeitlich fand am 31. Januar 2003 die vom Zeugen S. anberaumte mündliche Verhandlung statt. Auch hier wurde über die Ablehnungsgesuche gesprochen. Zu Gunsten des Angeklagten geht die Kammer davon aus, dass der Angeklagte hier erklärte, die Befangenheitsanträge zielten nicht auf die Person, sondern dienten nur der Auseinandersetzung im Prozeß. Es wird auch davon ausgegangen, dass er den Vorwurf der Aktenentfernung gegenüber dem Zeugen S. zurücknahm.
Noch am Tage der Hauptverhandlung veranlasste der Zeuge S. die Weiterleitung der Ablehnungsgesuche vom 12. Juli 2002 und 23. Januar 2003 an den Präsidenten des Sozialgerichts. Dieser erfuhr hierdurch am 12.01.2003 (gemeint war offensichtlich der 12...