Leitsatz (amtlich)
1. Der Begriff "unabwendbares Ereignis" im Sinne des § 17 Abs. 3 StVG meint nicht absolute Unvermeidbarkeit des Unfalls (im Anschluss an BGH Urt. v. 18.01.2005 - VI ZR 115/04, r+s 2005, 303 Rn. 15; OLG Hamm Beschl. v. 13.7.2021 - 7 U 66/20, r+s 2022, 105 = juris Rn. 10).
2. Ein "unabwendbares Ereignis" kann deshalb - wie hier - für den Fahrer eines Pkw angenommen werden, dem in einer Linkskurve ein Motorradfahrer in seiner Spur entgegen kommt, obwohl der Fahrer des Pkw den Zusammenstoß durch ein Ausweichen seinerseits in die Gegenfahrspur des Motorradfahrers technisch hätte vermeiden können.
Normenkette
StVG § 17 Abs. 3
Tenor
[wird darauf hingewiesen], dass beabsichtigt ist, die Berufung der Klägerin gegen das am 09.05.2022 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 7. Zivilkammer des Landgerichts Arnsberg nach § 522 Abs. 2 ZPO durch Beschluss zurückzuweisen.
Es ist ferner beabsichtigt, den Streitwert für das Berufungsverfahren auf bis 15.000,00 EUR festzusetzen.
Es besteht für die Klägerin Gelegenheit, innerhalb von drei Wochen ab Zustellung Stellung zu nehmen.
Gründe
Die Berufung der Klägerin verspricht offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Das Urteil des Landgerichts beruht weder auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere für sie günstigere Entscheidung, § 513 Abs. 1 ZPO. Die Rechtssache hat zudem weder eine grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts. Es ist auch keine mündliche Verhandlung geboten.
Die zulässige Berufung ist unbegründet:
1. Der Klägerin stehen, wie das Landgericht zutreffend angenommen hat, gegen die Beklagten als Gesamtschuldner keine Ansprüche auf Zahlung von Schadensersatz und Schmerzensgeld zu.
Ansprüche der Klägerin folgen insbesondere nicht aus §§ 398, 1922 Abs. 1 BGB, § 7 StVG i.V.m. § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, S. 4 VVG, § 1 PflVG.
a) Das Landgericht hat seiner rechtlichen Bewertung zugrunde gelegt, dass der verstorbene Ehemann der Klägerin mit seinem Kraftrad A in einer für ihn langgezogenen Rechtskurve die Spur des Gegenverkehrs befahren hat und dort mit dem ihm entgegenkommenden Pkw B des Beklagten zu 2) kollidiert ist. Des Weiteren ist es davon ausgegangen, dass der Beklagte zu 2) die Kollision aus technischer Sicht nur dadurch hätte vermeiden können, dass er nach links in den Gegenverkehr lenkt. Dass der Beklagte zu 2) zuvor die Gegenfahrbahn befahren hat und erst dadurch der Ehemann der Klägerin zu einem Ausweichmanöver veranlasst worden ist, hat das Landgericht nicht festzustellen vermocht.
Diese Feststellungen sind für den Senat bindend.
Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO hat das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen zugrunde zu legen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Konkrete Anhaltspunkte, die die in dieser Bestimmung angeordnete Bindung des Berufungsgerichts an die erstinstanzlichen Feststellungen entfallen lassen, können sich insbesondere aus Verfahrensfehlern ergeben, die dem erstinstanzlichen Gericht bei der Feststellung des Sachverhalts unterlaufen sind. Ein solcher Verfahrensfehler liegt vor, wenn die Beweiswürdigung in dem erstinstanzlichen Urteil den Anforderungen nicht genügt, die von der Rechtsprechung zu § 286 Abs. 1 ZPO entwickelt worden sind. Dies ist der Fall, wenn die Beweiswürdigung unvollständig oder in sich widersprüchlich ist, oder wenn sie gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt. Gleiches gilt, wenn das erstinstanzliche Gericht Tatsachenvortrag der Parteien übergangen oder von den Parteien nicht vorgetragene Tatsachen verwertet hat (BGH Urt. v. 21.06.2016 - VI ZR 403/14, juris Rn. 10).
Konkrete Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen, sind vorliegend nicht ersichtlich und werden auch von der Klägerin nicht aufgezeigt. Vielmehr scheint auch die Klägerin, die in der Berufungsinstanz ihre Klageforderung auf 30 % der materiellen und immateriellen Schäden reduziert, nunmehr davon auszugehen, dass allein ein Befahren der Gegenfahrbahn durch ihren verstorbenen Ehemann festzustellen ist. Vor diesem Hintergrund vertritt sie die Ansicht, die Beklagten seien wegen der ihnen anzulastenden Betriebsgefahr des unfallbeteiligten Pkw mit einer Quote von 30 % zur Schadensregulierung verpflichtet.
aa) Die klägerische Rüge, das Landgericht sei zu Unrecht darüber hinweggegangen, dass der Sachverständige zunächst weitere Feststellungen zu Kollisions- und Annäherungsgeschwindigkeit habe treffen wollen, verfängt nicht. Zurecht hat das Landgericht darauf verzichtet, den Sachverständigen anzuweisen, zur Unfallanalyse selbst Crashtests durchzuführen, da diese zur Unfallanaly...