Leitsatz (amtlich)

1. Der Anspruch eines Hufschmieds wegen eines Pferdetritts aus § 833 Satz 1 BGB kann regelmäßig nicht - so auch hier - unter dem Gesichtspunkt eines konkludenten Haftungsausschlusses oder eines Handelns auf eigene Gefahr gekürzt werden.

2. Ein entsprechender Anspruch aus § 833 Satz 1 BGB kann jedoch im Hinblick auf § 254 Abs. 1 BGB (teilweise - hier in Höhe von 50 %) zu kürzen sein, wobei dem Tierhalter die Beweislast und dem Geschädigten eine sekundäre Darlegungslast zukommt.

3. Maßgeblich für das Mitverschulden eines Hufschmieds bei einem Pferdetritt ist dabei nach § 276 Abs. 2 BGB die im Verkehr erforderliche, nicht die in Pferdekreisen übliche Sorgfalt. Danach durfte sich der Hufschmied im vorliegenden Einzelfall nicht von hinten in "Schlagdistanz" des zu beschlagenden Pferdes begeben, weil das Pferd sich zuvor verhaltensauffällig gezeigt, u. a. den Mitarbeiter des Hufschmieds bereits getreten hatte und sich der Hufschmied auch nicht aus zwingendem Grund in den Gefahrenbereich begeben musste.

 

Verfahrensgang

LG Paderborn (Aktenzeichen 2 O 152/19)

 

Tenor

Der Senat weist die Parteien darauf hin, dass beabsichtigt ist, die Berufung gegen das am 22.11.2019 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Paderborn (Az. 2 O 152/19) gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil sie offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat. Die Sache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung und eine Entscheidung ist zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht erforderlich; die Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist nicht geboten, § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1-4 ZPO.

Dem Kläger wird Gelegenheit zur Stellungnahme binnen 3 Wochen nach Zugang dieses Beschlusses gegeben.

 

Gründe

I. Die Berufung hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Im Ergebnis zurecht hat das Landgericht die Klage teilweise abgewiesen.

Es bestehen keine Zweifel im Sinne des § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO an der Feststellung, dass der Kläger sich gemäß § 254 Abs. 1, § 276 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB ein Mitverschulden in Höhe von 50 % anrechnen lassen muss.

Die Einwendungen des Klägers, bezüglich derer zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Berufungsbegründung (GA 144 ff.) verwiesen wird, greifen nicht durch.

1. Allerdings gehen sowohl Kläger als auch Landgericht zurecht davon aus, dass ein Ausschluss oder eine Kürzung des klägerischen Anspruchs aus § 833 Satz 1 BGB nicht unter dem Gesichtspunkt eines konkludenten Haftungsausschlusses oder eines Handelns auf eigene Gefahr in Betracht kommt (vgl. BGH Urt. v. 28.5.1968 - VI ZR 35/67, NJW 1968, 1932 = juris Rn. 7-10; OLG Hamm Urt. v. 22.04.2015 - 14 U 19/14, NJW-RR 2015, 1114 = juris Rn. 44 f.; siehe für einen Tierarzt BGH Urt. v. 17.3.2009 - VI ZR 166/08, r+s 2009, 295 Rn. 18, 7-15).

Ein Grund für eine in eng begrenzten Fällen mögliche Abweichung von diesem Grundsatz ist vorliegend weder vorgetragen noch ersichtlich. Dagegen spricht auch, dass die Verletzung des Klägers nicht während der eigentlichen Hufschmiedearbeiten eintrat, sondern während deren Unterbrechung.

2. Jedoch ist der Anspruch gemäß § 254 Abs. 1 BGB zu kürzen, weil der Kläger die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen hat.

Dass eine solche Kürzung eines Anspruchs aus § 833 Satz 1 BGB möglich ist, ist allgemein anerkannt (vgl. BGH Urt. v. 28.5.1968 - VI ZR 35/67, NJW 1968, 1932 = juris Rn. 12 ff.; OLG Hamm Urt. v. 22.04.2015 - 14 U 19/14, NJW-RR 2015, 1114 = juris Rn. 48; siehe für einen Tierarzt BGH Urt. v. 17.3.2009 - VI ZR 166/08, r+s 2009, 295 Rn. 16).

a) Für die insoweit maßgeblichen Tatsachen ist der Tierhalter - also hier der Beklagte - beweisbelastet, wobei dem Geschädigten - hier also dem Kläger - eine sekundäre Darlegungslast zukommt (vgl. BGH Urt. v. 17.3.2009 - VI ZR 166/08, r+s 2009, 295 Rn. 22, 21; OLG Hamm Urt. v. 22.04.2015 - 14 U 19/14, NJW-RR 2015, 1114 = juris Rn. 49 f.).

b) Maßgeblich für den Fahrlässigkeitsvorwurf an den Kläger ist dabei die im Verkehr erforderliche Sorgfalt (§ 276 Abs. 2 BGB).

Hierbei kann der Vortrag des Klägers als wahr unterstellt werden, dass es in Pferdekreisen üblich und als ungefährlich angesehen wird, bei einer 3,30 m breiten Stallgasse an einem parallel zur Boxenwand stehenden Pferd auf der gegenüberliegenden Seite von hinten vorbeizugehen.

Denn die im Verkehr übliche Sorgfalt entspricht nicht stets der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt (BGH Urt. v. 11.2.1957 - VII ZR 256/56, BGHZ 23, 288 = juris Rn. 9; BGH Urt. v. 27.11.1952 - VI ZR 25/52, BGHZ 8, 138 = juris Rn. 7 f.).

So läge es jedenfalls hier aufgrund der besonderen Umstände des konkreten Einzelfalls.

c) In Bezug auf den Umgang mit Pferden ist allgemein anerkannt, dass man sich nicht von hinten in "Schlagdistanz" eines (fremden) Pferdes begeben darf, auch wenn dies in der Praxis häufig vorkommen mag (vgl. OLG Hamm Urt. v. 16.11.2018 - 9 U 77/17, r+s 2019, 408 Rn. 48; Grüneberg in Palandt, BGB, 79. Aufl. 2020, § 254 Rn. 35).

Hier begab sich der Kläger zwar nach seinem nicht widerlegten ...

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