Leitsatz (amtlich)

Ein beim Beschlagen von dem Pferd verletzter Hufschmied kann den Tierhalter aus der Tierhalterhaftung in Anspruch nehmen. Die Tierhalterhaftung ist nicht unter dem Gesichtspunkt eines "Handelns auf eigene Gefahr" ausgeschlossen. Ein die Tierhalterhaftung einschränkendes Mitverschulden hat der Pferdehalter zu beweisen. Der Hufschmied wird aufgrund des BeschlAGvertrages nicht zum Tierhüter. Ein Anscheinsbeweis spricht nicht für ein Mitverschulden des Hufschmieds, wenn er beim Beschlagen durch das Pferd verletzt wird. Das Beschlagen eines Pferdes stellt keinen typischen Geschehensablauf dar, bei dem allein aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung aus der Reaktion eines Pferdes auf ein bestimmtes Verhalten des Hufschmieds geschlossen werden kann.

 

Normenkette

BGB §§ 242, 254, 833-834

 

Verfahrensgang

LG Münster (Aktenzeichen 4 O 306/12)

 

Tenor

Der Klageantrag ist dem Grunde nach gerechtfertigt.

Die Anschlussberufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten.

 

Tatbestand

Die Beklagte zu 1., deren Gesellschafter die Beklagten zu 2. und 3. sind, ist Halterin des Pferdes B. Es befindet sich in dem Stall E in H.

Der heute 49-jährige Kläger ist ein langjährig erfahrener selbständiger Hufschmied. Er war am 17.12.2010, wie bereits seit einigen Jahren in etwa sechs bis achtwöchigen Zeitabständen, damit beauftragt, den damals 13 Jahre alten Wallach B zu beschlagen. Das Tier, das als brav gilt, wurde aus der Box geholt und in eine Stallgasse gebracht, die dort ca. 3,3 m breit ist. Der Beschlagplatz liegt in der Kreuzung zweier Stallgassen (Skizzen Bl. 84, 104 GA). Dort befinden sich rechts und links Verankerungen, an denen die Pferde mit je einem Strick mit Panikhaken befestigt werden können. Ein Panikhaken ist ein Verschluss, der sich im Gegensatz zu einem Karabinerhaken auch unter starkem Zug noch leicht öffnen lässt. Er befindet sich am Ende eines Stricks, der mit dem Halfter des Pferdes verbunden ist. Der Panikhaken wird in der Landwirtschaft und im Reitsport als Sicherheitsinstrument u.a. beim Führen von Pferden eingesetzt. Scheut z.B. ein Pferd, so kann man im Notfall den Panikhaken öffnen und das Tier damit freigeben.

Die Einzelheiten dessen, was im Verlauf des 17.12.2010 anlässlich des Beschlagens von B auf dem Hof E in H geschah, sind zwischen den Parteien streitig. Jedenfalls konnte der Kläger seine zunächst begonnene Arbeit nicht fortsetzen. Das Beschlagen des Pferdes B wurde durch einen anderen Schmied, den Zeugen C, zu Ende gebracht.

Der Kläger seinerseits musste im weiteren Verlauf des 17.12.2010 das St. B1-Hospital in H aufsuchen. Dort wurde er ambulant versorgt. In den folgenden Jahren begab sich der Kläger mehrfach zu ambulanten und stationären Behandlungen zu niedergelassenen Ärzten und in Krankenhäuser.

Der Kläger machte Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche gegenüber der Haftpflichtversicherung der Beklagten geltend. Er gab an, am 17.12.2010 durch das Pferd B schwer verletzt worden zu sein. Die Haftpflichtversicherung der Beklagten sprach zwar von einem "bedauerlichen Unfall" (Schreiben der S Allgemeine Versicherung vom 04.01.2012; Bl. 22/23 GA), wies aber die von dem Kläger geltend gemachten Ansprüche zurück, da er als Hufschmied tierisches Verhalten genau kenne und offenbar keine ausreichenden Sicherheitsvorkehrungen beim Beschlag getroffen habe.

Im vorliegenden Rechtsstreit macht der Kläger eine bezifferte Schadensersatzforderung, ein angemessenes Schmerzensgeld sowie die Erstattung außergerichtlicher Anwaltskosten - jeweils nebst gesetzlicher Zinsen - geltend. Im Übrigen begehrt er ab dem 01.08.2013 eine monatlich im Voraus fällige Rente sowie die Feststellung der Einstandspflicht der Beklagten für seine weiteren materiellen und immateriellen Schäden aus dem Unfall vom 17.12.2010.

Der Kläger hat behauptet, er habe seine Tätigkeit als Hufschmied am Unfalltag regelgerecht verrichtet. Vor Beginn seiner Arbeit habe er eine Sichtkontrolle der Panikhaken vorgenommen und deren mechanische Funktionsweise überprüft. Diese seien ordnungsgemäß gewesen. Er habe sodann den Huf des Pferdes mit dem Rücken zum Kopf des Tieres stehend aufgenommen und zwischen seinen Beinen gesichert. Er habe B beidseitig am Halfter angebunden, um die Hufe zu beschlagen. Das Pferd sei links und rechts an den Verankerungen in der Stallgasse fixiert gewesen. Zunächst habe der Kläger an beiden Hinterbeinen des Tieres die Eisen abgenommen und neue befestigt. Zu diesem Zeitpunkt habe sich B in einem ruhigen Zustand befunden. Dann habe der Kläger das Eisen am rechten Vorderbein abgezogen und das Pferd ausgeschnitten. Nachfolgend sei er auf das linke Bein des Tieres gewechselt, habe dieses ordnungsgemäß aufgenommen und gehalten. Plötzlich sei B ohne jeden Grund mit beiden Hinterbeinen und dem rechten Vorderbein einen Schritt nach vorne gegangen. Hier habe der Kläger den linken Huf noch halten können. Das Pferd habe dann aber blitzschnell das abgewinkelte linke Bein nach vorne...

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