Leitsatz (amtlich)
Die Ausschlagung einer in Polen angefallenen Erbschaft durch ein in Deutschland lebendes minderjähriges Kind, vertreten durch seine Eltern bedarf auch dann - formell - der familiengerichtlichen Genehmigung, wenn das Kind nur aufgrund der Erbausschlagung der Eltern Erbe geworden wäre. Das beruht, neben der auf Art. 15 Abs. 1 KSÜ beruhenden Anwendung des § 1643 Abs. 1 und 2 BGB, auf der nach Art. 15 Abs. 2 KSÜ gebotenen Berücksichtigung - nicht Anwendung - des Art. 101 § 3 des Familien- und Vormundschaftsgesetzbuchs der Republik Polen.
Verfahrensgang
AG Münster (Aktenzeichen 124 F 13/20) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Münster vom 03.03.2020 abgeändert.
Die Erklärung der Kindeseltern und Antragsteller, für ihr Kind I L, geb. am 00.08.2019, die Erbschaft nach der am 00.06.2019 in E (Republik Polen) verstorbenen Großtante, Frau D, geboren am 00.00.1953, auszuschlagen, wird familiengerichtlich genehmigt.
Gerichtskosten werden nicht erhoben; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I. Die Antragsteller sind die gemeinsam sorgeberechtigten Eltern des minderjährigen Kindes I L, geb. am 00.08.2019. Nach der Erbausschlagung des Antragstellers und Kindesvaters wurde das betroffene Kind (Mit-)Erbe seiner am 00.06.2019 in E (Republik Polen) verstorbenen Großtante. Unter dem 20.01.2020 schlugen die Antragsteller vor dem Amtsgericht - Nachlassgericht - Münster für das betroffene Kind die Erbschaft aus.
Die Kindeseltern haben beantragt,
die Erklärung der Ausschlagung der Erbschaft der am 00.06.2019 in E (Republik Polen) verstorbenen D, zuletzt wohnhaft in E, für ihr als gesetzlichen Erben in Betracht kommendes Kind I L, geb. am 00.08.2019, familiengerichtlich zu genehmigen.
Sie tragen vor, der Nachlass sei vermutlich überschuldet. Es bestehe eine Kreditschuld in Höhe von ca. 11.000,- Zloty (rd. 2.430 Euro). Das polnische Konsulat in Köln habe sie darauf hingewiesen, dass zur wirksamen Ausschlagung der Erbschaft eine Genehmigung durch das zuständige deutsche Familiengericht erforderlich sei. Dies forderten die polnischen Gerichte regelmäßig ungeachtet der Tatsache, dass diese Genehmigung nach deutschem Recht nicht erforderlich sei.
Das Amtsgericht - Familiengericht - Münster hat mit Beschluss vom 03.03.2020 den Antrag zurückgewiesen und festgestellt, dass es einer solchen Genehmigung vorliegend nicht bedürfe.
Es hat dazu ausgeführt, dass nach geltendem Internationalen Privatrecht unzweifelhaft sowohl deutsche Gerichte zuständig seien als auch deutsches Recht auf den Sachverhalt Anwendung finde. Gem. § 1643 Abs. 2 BGB sei somit eine familiengerichtliche Genehmigung der Erbausschlagung nicht erforderlich, da die Erbschaft bei dem Kind erst durch die Ausschlagung des ebenfalls sorgeberechtigten Vaters angefallen sei. Die beantragte familiengerichtliche Genehmigung könne daher nicht erteilt werden. Zwar sei es in Polen übliche Praxis, die gerichtliche Genehmigung der Erbausschlagung zu verlangen. Dies könne jedoch nicht dazu führen, dass - wie in einer Entscheidung des OLG Koblenz angenommen - über die Kollisionsnorm des Art. 15 Abs. 2 KSÜ polnisches Recht Anwendung finde mit der Folge, dass von einer Genehmigungsbedürftigkeit der Erbausschlagung auszugehen und die Genehmigung sodann zu erteilen sei. Das Amtsgericht hat weiter ausgeführt, es gehe davon aus, dass die polnischen Gerichte durch die Ausführungen in dem Beschluss sowie die gerichtliche Feststellung der fehlenden Genehmigungsbedürftigkeit dazu angehalten werden könnten, die Erbausschlagung auch ohne die begehrte familiengerichtliche Genehmigung als wirksam anzusehen.
Hiergegen wenden sich die Antragsteller mit ihrer Beschwerde vom 19.03.2020, mit welcher sie ihr erstinstanzliches Begehren weiter verfolgen. Sie tragen vor, dass die polnischen Gerichte eine solche Genehmigung zwingend verlangten.
II. Die zulässige - insbesondere statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte - Beschwerde ist begründet.
Das Amtsgericht hat im Ergebnis zu Unrecht den Antrag auf familiengerichtliche Genehmigung der Erbausschlagung vom 20.01.2020 zurückgewiesen.
1. Zuständig ist die deutsche Gerichtsbarkeit. Die internationale Zuständigkeit der Gerichte in Ehe- und Kindschaftssachen ist innerhalb der Europäischen Gemeinschaft geregelt durch die "Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000" vom 27.11.2003 (Brüssel-IIa-VO). Nach Art. 8 Abs. 1 Brüssel-IIa-VO sind für Entscheidungen, die die elterliche Verantwortung betreffen, die Gerichte desjenigen Mitgliedsstaates zuständig, in dem das Kind bei Antragstellung seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, hier also Deutschland.
Die Frage der Genehmigungsbedürftigkeit einzelner Rechtsgeschäfte, welche Eltern in Vertretung des Kindes vornehmen, unterfällt dab...