Leitsatz (amtlich)
Die Zustimmung zur Verbringung gem. Art. 13 Abs. 1a HKÜ kann widerrufen werden.
Darlegungs- und beweisbelastend für den Widerruf ist derjenige, für den diese Tatsache günstig ist.
Normenkette
HKÜ Art. 13 Abs. 1
Verfahrensgang
AG Hamm (Beschluss vom 11.04.2013; Aktenzeichen 32 F 112/13) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Kindesmutter und Antragsgegnerin wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Hamm vom 11.4.2013 (32 F 112/13) abgeändert.
Der Antrag des Kindesvaters und Antragstellers auf Rückführung des Kindes N Ca N1, geb. am 5.12.2010, wird zurückgewiesen.
Die Gerichtskosten werden zwischen den Kindeseltern geteilt. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 5.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Das am 5.12.2010 geborene Kind N C N1, entstammt der nichtehelichen Beziehung der beteiligten Kindeseltern.
Der in Italien geborene Kindesvater ist italienischer Staatsbürger, die Kindesmutter hat sowohl die italienische wie die deutsche Staatsbürgerschaft. Sie wurde in Deutschland geboren und siedelte 2008 nach Italien über, wo sie im April/Mai 2009 den Kindesvater kennenlernte. Im Sommer 2010 bezogen die Kindeseltern eine gemeinsame Wohnung in der Ortschaft Z B/Sizilien, in der auch die Eltern des Kindesvaters lebten.
Im November 2011 verließ die Antragsgegnerin mit der damals knapp einjährigen Tochter die gemeinsame Wohnung und lebte zunächst bei ihrer in der Nähe wohnhaften Schwester. Zum Juni 2012 bezog die Antragsgegnerin eine eigene Wohnung am gleichen Ort. Der Antragsteller übernahm während der Arbeitszeiten der Antragsgegnerin zumindest zeitweise die Versorgung N's.
Im Juni/Juli 2012 kam es zwischen den Kindeseltern zu einer SMS-Konversation. Wegen dessen Inhalt wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem AG am 3.4.2013 (Bl. 65 ff. Bezug genommen).
Mit Datum vom 17.8.2012 fertigte der Antragsteller ein handschriftliches Schreiben, gerichtet an die Einwohnermeldeabteilung des Ortes, in dem die ehemals gemeinsame Wohnung lag. Der Antragsteller stimmte laut diesem Schreiben "dem Wohnsitzwechsel der minderjährigen N C N1 mit der Mutter T" zu. Die genaue Bedeutung des genannten Schreibens ist zwischen den Beteiligten streitig.
Am 30.8.2012 reiste die Antragsgegnerin mit der Tochter N mit dem Bus von Sizilien nach Deutschland. Die genauen Umstände der Abreise sind zwischen den Beteiligten streitig.
Der Antragsteller hat erstinstanzlich behauptet, die Kindesmutter habe die Abreise nach Deutschland heimlich betrieben. Weder er selbst noch die in Italien lebende Schwester der Kindesmutter habe davon gewusst. Der Mietvertrag über die Wohnung sei nicht gekündigt, die Wohnung nicht geräumt worden. Er habe zu keinem Zeitpunkt seine Zustimmung zu einer Übersiedlung des Kindes nach Deutschland erteilt.
Der Antragsteller hat erstinstanzlich beantragt,
1) die Antragsgegnerin zu verpflichten, das Kind N C N1, geboren 5.12.2010, derzeitige Anschrift S T2, ...3 I, innerhalb einer angemessenen Frist nach Italien zurückzuführen;
2) sofern die Antragsgegnerin der Verpflichtung zu 1. nicht nachkommt, die Herausgabe des Kindes N C N1 an den Antragsteller zum Zwecke der Rückführung nach Italien anzuordnen.
Die Antragsgegnerin hat beantragt, die Anträge zurückzuweisen.
Sie ist der Ansicht gewesen, es habe kein widerrechtliches Verbringen des Kindes nach Deutschland gegeben, da die Ausreise im August 2012 mit Zustimmung des Antragstellers erfolgt sei. Der Antragsteller habe der Verbringung des Kindes zum Zwecke des dauerhaften Aufenthaltes in Deutschland in einem Gespräch im Juni 2012 noch nicht zugestimmt und sich Bedenkzeit erbeten. Ende Juni/Anfang Juli 2012 habe der Antragsteller der Ausreise dann in der SMS-Konversation zugestimmt. Auch das Schreiben vom 17.8.2012 sei als Zustimmungserklärung des Antragstellers gemeint gewesen. Über ihre Abreise am 30.8.2012 habe sie, die Antragsgegnerin, den Antragsteller ein oder zwei Tage vorher informiert. Nach ihrer Ankunft in Deutschland habe sie den Antragsteller angerufen und ihn darüber informiert, gut angekommen zu sein. Sie habe ihm in der Folgezeit auch immer wieder Fotos N's per Handy geschickt. Sie habe sich vom Antragsteller wegen eines Alkoholproblems und Gewalttätigkeiten gegen sie getrennt. Sie selbst habe seit ihrer Ankunft in Deutschland dafür sorgen müssen, dass regelmäßiger Kontakt zwischen dem Kindesvater und seiner Tochter stattfinde.
Das AG hat die beteiligten Kindeseltern, das Jugendamt der Stadt I und den Verfahrensbeistand angehört.
Mit Beschluss vom 11.4.2013 hat das AG die Antragsgegnerin verpflichtet, binnen zwei Wochen ab Wirksamkeit dieses Beschlusses das Kind N C N1, geboren 5.12.2010, nach Italien zurückzuführen.
Zur Begründung hat das AG ausgeführt, der Rückführungsantrag sei zulässig, insbesondere sei das angerufene Gericht örtlich zuständig gem. § 12 Abs. 1 des Gesetzes zum Internationalen Familienrecht (IntFamRVG). Der Rückführungsantrag sei auch begründet. Das HKÜ gelte zwischen Italien und Deutschlan...