Leitsatz (amtlich)
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bestimmung der Zuständigkeit nach § 828 Abs. 2 ZPO ist der durch die erste Vollstreckungshandlung gekennzeichnete Beginn der Zwangsvollstreckung, nicht der des Eingangs des Vollstreckungsantrags. Der allgemeine Gerichtsstand einer natürlichen Person wird durch ihren gem. §§ 7ff BGB zu bestimmenden Wohnsitz begründet, der sich im Falle ihrer anderweitigen Inhaftierung oder Unterbringung regelmäßig nur dann ändert, wenn der anderweitige Aufenthalt von längerer Dauer ist.
Normenkette
BGB § 7ff; ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 6, §§ 802, 828
Verfahrensgang
AG Münster (Aktenzeichen 33 M 1000/19) |
Tenor
Das Amtsgericht Münster ist örtlich zuständig.
Die Beschlüsse des Amtsgerichts Münster vom 15.04.2019 und des Amtsgerichts Lippstadt vom 02.05.2019 sind gegenstandslos.
Gründe
I. Die Gläubigerin betreibt gegen den Schuldner die Zwangsvollstreckung aus einem Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Hagen.
1. Der Hauptforderung liegt ein ärztlicher Vergütungsanspruch in Höhe von 85,36 EUR zugrunde, den die Gläubigerin dem Schuldner mit Schreiben vom 06.01.2017 in Rechnung stellte. Als er nicht zahlte, leitete sie das gerichtliche Mahnverfahren ein. Der Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Hagen - ... - wurde dem Schuldner am 24.01.2019 unter seiner damaligen Wohnanschrift in Münster zugestellt (Bl. 30 ff. d.A.).
2. Wegen dieser Hauptforderung zzgl. Zinsen, Gebühren, Auslagen und Kosten in Höhe von insgesamt 122,20 EUR hat die Gläubigerin beim Amtsgericht Münster - Vollstreckungsgericht - die Pfändung und Überweisung der Ansprüche des Schuldners gegen die Q eG in Münster beantragt. Im Antragsformular hat sie als Wohnsitz des Schuldners angegeben: "F-Straße. ..., 59556 Münster". Dabei handelt es sich tatsächlich um die Postleitzahl von Lippstadt und die Anschrift des "M Lippstadt".
Der Antrag ist am 26.03.2019 beim Amtsgericht Lippstadt eingegangen, dort als "Irrläufer" behandelt und an das Amtsgericht Münster weitergeleitet worden, wo er am 28.03.2019 eingegangen ist. Mit Verfügung vom 04.04.2019 hat das Amtsgericht Münster um Mitteilung gebeten, ob der Schuldner wirklich in Münster oder unter der angegebenen Anschrift in Lippstadt wohnt (Bl. 11 d.A.).
Die Gläubigerin hat daraufhin ein korrigiertes Antragsformular übersandt und Verweisung an das Amtsgericht Lippstadt beantragt (Bl. 12 f. d.A.).
Dem ist das Amtsgericht Münster mit Beschluss vom 15.04.2019 nachgekommen und hat die Sache an das Amtsgericht Lippstadt verwiesen (Bl. 14 d.A.).
Mit Verfügung vom 25.04.2019 hat das Amtsgericht Lippstadt angekündigt, die Übernahme des Verfahrens abzulehnen und die Akte dem Oberlandesgericht Hamm zur Zuständigkeitsbestimmung vorzulegen (Bl. 20 f. d.A.). Der Schuldner befinde sich nur vorübergehend aufgrund einer einstweiligen Unterbringung nach § 126a StPO in der M-Klinik in Lippstadt. Wie bei einem Strafgefangenen bzw. Untersuchungshäftling werde in diesem Fall der ursprüngliche Wohnsitz nicht aufgegeben und bleibe für die Bestimmung der Zuständigkeit nach § 828 Abs. 2 ZPO maßgeblich.
Die Gläubigerin hat daraufhin mit Schriftsatz vom 29.04.2019 unter Angabe der letzten Wohnanschrift des Schuldners in Münster eine erneute Verweisung beantragt (Bl. 16 ff. d.A.).
Dem ist das Amtsgericht Lippstadt nicht gefolgt, sondern hat die Sache mit Beschluss vom 02.05.2019 wie angekündigt dem Oberlandesgericht Hamm zur Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts vorgelegt (Bl. 25 f. d.A.).
3. Der Senat hat die Gläubigerin um Aufklärung gebeten, wie die abweichenden Angaben zum Wohnsitz des Schuldners zu erklären sind und welche Informationen ihr über seinen derzeitigen Aufenthaltsort vorliegen (Bl. 28 d.A.).
Sie hat dazu mit Schriftsatz vom 27.05.2019 vorgetragen, dass es sich bei der Angabe des Ortsnamens im ursprünglichen Antrag vom 25.03.2019 um ein Versehen gehandelt habe (Bl. 31 ff. d.A.). Berichten in der Lokalpresse habe sie entnommen, dass sich der Schuldner nicht mehr in der M-Klinik in Lippstadt aufhalte, sondern seit dem 09.05.2019 wieder unter seiner ursprünglichen Postanschrift wohnhaft sei.
II. Die Voraussetzungen für eine Gerichtstandbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO liegen vor.
1. Mit Beschluss vom 15.04.2019 hat sich das Amtsgericht Münster im Sinne von § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO rechtskräftig für unzuständig erklärt. Das gilt auch für das Amtsgericht Lippstadt, das durch den Vorlagebeschluss vom 02.05.2019 der Gläubigerin gegenüber zu erkennen gegeben hat, dass es nicht gewillt ist, sich der Sache anzunehmen.
2. Der Senat ist für die Gerichtsstandbestimmung zuständig, da sich sowohl das Amtsgericht Münster als auch das Amtsgericht Lippstadt im Bezirk des Oberlandesgerichts Hamm befinden, jedoch in verschiedenen Landgerichtsbezirken, so dass das Oberlandesgericht das im Rechtszug zunächst höhere Gericht i.S.v. § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO ist.
3. Örtlich zuständig das Amtsgericht Münster.
a) Für den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses ist gem. §§ 802, 828 Abs. 1 ZPO das Vollstreckungsgericht auss...