Leitsatz (amtlich)

Geht einer Klage ein gerichtliches Mahnverfahren voraus, in dem die Sache alsbald nach Erhebung des Widerspruchs abgegeben wird, ist bei der Bestimmung des allgemeinen Gerichtsstands des Beklagten auf den Wohnsitz zum Zeitpunkt der Zustellung des Mahnbescheids abzustellen. Zieht der Beklagte bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung in den Bezirk des angerufenen Gerichts um, wird dieses ebenfalls zuständig. Ein Wohnsitzwechsel in der Folgezeit lässt eine zuvor begründete Zuständigkeit unberührt. Wohnt der Beklagte lediglich im Zeitpunkt des streitgegenständlichen Vertragsschlusses (vor Prozessbeginn) im Bezirk des angerufenen Gerichts, so dass in diesem (lediglich) der Gerichtsstand des Erfüllungsortes begründet sein kann, kann eine diesen Aspekt nicht berücksichtigende Verweisung verbindlich sein, wenn der Gerichtsstand des Erfüllungsortes in dem Rechtsstreit vor der Verweisung nicht erörtert wurde.

 

Normenkette

BGB §§ 7, 269; ZPO §§ 12-13, 29, 36 Abs. 1 Nr. 6, § 261 Abs. 3 Nr. 2, §§ 281, 696 Abs. 3

 

Verfahrensgang

AG Münster (Aktenzeichen 97 C 1229/19)

 

Tenor

Örtlich zuständig ist das Amtsgericht Bad Homburg v. d. Höhe

 

Gründe

I. Die Klägerin nimmt den Beklagten aus einer abgetretenen Kaufpreisforderung in Anspruch.

1. Der Beklagte tankte am 12.07.2015 an einer ARAL-Tankstelle in D Dieselkraftstoff für 58,81 EUR (Anlage K 1 = Bl. 27 d.A.). Er bezahlte mit einer EC-Karte im Lastschriftverfahren. Der Betrag wurde am 28.07.2015 von seinem Konto bei der U Sparkasse abgebucht und noch am selben Tag zurück gebucht (Anlage A 2 = Bl. 40 ff. d.A.). Nach Behauptung der Klägerin geschah dies aufgrund eines Widerspruchs des Beklagten oder aus anderen von ihm zu vertretenden Gründen, z.B. einer mangelnden Kontodeckung bei der Referenzbank.

Nachdem der Lastschrifteinzug gescheitert war, trat der Tankstellenbetreiber die Forderung an die K GmbH in S ab, die sie ihrerseits auf die Klägerin übertrug, damit diese sie in eigenem Namen gegen den Beklagten geltend machte. Dies geschah mit Anwaltsschreiben vom 07.08.2015 (Anlage K 3 = Bl. 67 f. d.A.).

2. Da der Beklagte nicht zahlte, leitete die Klägerin zunächst am 29.12.2015 ein gerichtliches Mahnverfahren ein. Im Mahnverfahren gab sie u.a. eine Wohnanschrift des Beklagten in N an. Nachdem die Zustellung zunächst unter mehreren anderen von der Klägerin ebenfalls angegebenen Adressen nicht bewirkt werden konnte, konnten der Mahnbescheid und der Vollstreckungsbescheid letztlich unter der Anschrift in N zugestellt werden, und zwar am 05.03. und 08.04.2019 (vgl. Bl. 9, 13 f. d.A.).

Mit einem am 10.04.2019 beim Mahngericht eingegangen Schreiben legte der Beklagte Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid ein (Bl. 15 d.A.). Das Verfahren wurde daraufhin mit Verfügung vom 12.04.2019 an das Amtsgericht Münster abgegeben, wo die Akte am 17.04.2019 eingegangen ist.

Auf dessen Anforderung hin hat die Klägerin den Anspruch mit Schriftsatz vom 08.05.2019 begründet (Bl. 22 ff. d.A.).

Der Beklagte hat darauf mit Schreiben vom 08.06.2019 erwidert. Darin hat er mitgeteilt, dass unter der im Mahnantrag angegebenen Adresse seine Eltern wohnhaft seien. Er hingegen wohne bereits seit September 2018 unter der im Rubrum genannten Anschrift in P im Bezirk des Amtsgerichts Bad Homburg v. d. Höhe (Bl. 33 ff. d.A.).

3. Das Amtsgericht Münster hat dies zum Anlass genommen, die Parteien darauf hinzuweisen, dass es seine örtliche Zuständigkeit nicht als gegeben ansehe, da der Beklagte zum maßgeblichen Zeitpunkt nicht im Bezirk des Amtsgerichts Münsters wohnhaft gewesen und der Vertragsschluss in D erfolgt sei (Bl. 47).

Die Klägerin hat daraufhin mit Schriftsatz vom 01.07.2019 die Verweisung des Rechtsstreits an das Amtsgericht Oberursel beantragt (Bl. 63 ff. d.A.). Unter Bezugnahme auf einen Ermittlungsbericht einer Auskunftei vom 17.01.2019, wonach der Beklagte unter der Anschrift seiner Eltern in N wohnhaft ist (Anlage K 2 = Bl. 66 d.A.), hat die Klägerin bestritten, dass der Beklagte seit September 2018 in P wohnhaft sei.

Mit Verfügung vom 03.07.2019 hat das Amtsgericht Münster dem Beklagten diesen Schriftsatz mit Gelegenheit zur Stellungnahme zum Antrag auf Verweisung an das für Oberursel zuständige Amtsgericht Bad Homburg v. d. Höhe übersandt (Bl. 63 d.A.).

Nachdem der Beklagte darauf nicht reagiert hat, hat sich das Amtsgericht Münster mit Beschluss vom 25.07.2019 für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Amtsgericht Bad Homburg v. d. Höhe verwiesen (Bl. 76 f. d.A.). Es sei unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zuständig, insbesondere da der Wohnort des Beklagten nicht in seinem Bezirk gelegen sei, sondern im Bezirk des Amtsgerichts Bad Homburg v. d. Höhe. Der Beschluss ist der Klägerin am 01.08.2019 zugestellt und dem Beklagten formlos übermittelt worden.

4. Nach Eingang der Akten bei ihm hat das Amtsgerichts Bad Homburg v. d. Höhe die Übernahme des Verfahrens mit Beschluss vom 06.08.2019 abgelehnt. Sowohl der Mahn- als auch der Vollstreckungsbescheid seien unter einer Ansch...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?