Leitsatz (amtlich)
1. Zur Zuständigkeit des Einzelrichters in Kostenfestsetzungssachen und zu den Folgen eines Verstoßes gegen das Einzelrichterprinzip durch Entscheidung des Gesamtspruchkörpers.
2. Sofern der Terminsvertreter jedenfalls an einem vollwertigen Hauptverhandlungstermin teilnimmt und eine umfassende Tätigkeit als Verteidiger entfaltet, die nach ihrer Bedeutung und dem tatsächlich geleisteten Aufwand einer Terminswahrnehmung durch den ordentlichen Pflichtverteidiger gleichsteht, so hat er Anspruch auf sämtliche im Einzelfall verwirklichten Gebührentatbestände des Teil 4 Abschnitt 1 des Vergütungsverzeichnisses in Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG.
Verfahrensgang
LG Bielefeld (Beschluss vom 27.01.2009; Aktenzeichen 10 Ks 46 Js 121/08 - 21/08) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss des Landgerichts Bielefeld vom 27. Januar 2009 wird aufgehoben.
Die Pflichtverteidigervergütung wird auf weitere 216,58 EUR festgesetzt.
Die weitergehende Beschwerde wird verworfen.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I.
Der Angeklagte wurde erstinstanzlich in einer Schwurgerichtssache vor dem Landgericht Bielefeld durch den ihm als Pflichtverteidiger beigeordneten Rechtsanwalt T aus E verteidigt. Wegen dessen Verhinderung am zweiten Hauptverhandlungstag ordnete die Kammer dem Angeklagten für den Termin am 3. Dezember 2008 den Beschwerdeführer als Vertreter des ordentlichen Pflichtverteidigers bei.
Mit Vergütungsfestsetzungsantrag vom 5. Dezember 2009 hat der Beschwerdeführer für seine Tätigkeit die Festsetzung der Pflichtverteidigervergütung beantragt und folgende Gebühren und Auslagen zur Erstattung aus der Staatskasse angemeldet:
1. Grundgebühr Nr. 4101 VV RVG| 162,00 EUR,
2. Verfahrensgebühr Nr. 4113 VV RVG| 322,00 EUR,
3. Terminsgebühr Nr. 4121 VV RVG| 434,00 EUR,
4. Auslagenpauschale| 20,00 EUR,
5. Abwesenheitsgeld für den 03.12.2008| 35,00 EUR,
6. Reisekosten für den 03.12.2008| 122,40 EUR,
Zwischensumme| 1.095,40 EUR,
19 % Ust.| 208,12 EUR,
Gesamtsumme| 1.303,52 EUR.
Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 17. Dezember 2008 hat die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen unter Absetzung der Grund-, Verfahrensgebühr sowie der Auslagenpauschale auf insgesamt 703,77 EUR einschließlich anteiliger Umsatzsteuer festgesetzt. Die gegen die Kürzung des Erstattungsanspruchs erhobene Erinnerung des Beschwerdeführers vom 23. Dezember 2008 hat die Strafkammer mit dem angefochtenen Beschluss als unbegründet zurückgewiesen.
Mit seiner dagegen gerichteten Beschwerde vom 4. Februar 2009 vertritt der Beschwerdeführer die Auffassung, dass auch der nur für einen Tag vertretungsweise beigeordnete Verteidiger klassischer "Vollverteidiger" sei und deshalb gebührenrechtlich keinen Einschränkungen unterliege.
II.
Die gemäß den §§ 56 Abs. 2 Hs. 2, 33 Abs. 3 RVG statthafte und zulässige Beschwerde hat auch in der Sache überwiegend Erfolg.
Zur Entscheidung über die Beschwerde ist gemäß § 56 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 33 Abs. 8 S. 1 Hs. 2 RVG der Senat als Kollegialgericht berufen, weil die Strafkammer die angefochtene Entscheidung in entsprechender Besetzung erlassen hat.
1)
Der Beschluss vom 27. Januar 2009 ist aufgrund seiner Fassung durch den gesamten Spruchkörper bereits formell nicht ordnungsgemäß ergangen. Die Kammer hat über die Erinnerung des Beschwerdeführers mit drei Berufsrichtern entschieden, obgleich nach § 56 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 33 Abs. 8 S. 1 RVG der Einzelrichter für die Entscheidung zuständig gewesen wäre. Zwar ist das Erinnerungsverfahren mit Verfügung der Vorsitzenden vom 23. Januar 2009 (Bl. 23 des Kostenhefts) zunächst einem Kammermitglied zur weiteren Veranlassung zugeschrieben worden. Die angegriffene Entscheidung hat die Kammer indes in voller Besetzung getroffen, ohne dass ihr die Angelegenheit von dem originär als Einzelrichter zuständigen Kammermitglied wegen besonderer Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art oder wegen rechtsgrundsätzlicher Bedeutung übertragen worden wäre. Eine solche Übertragungsentscheidung lässt sich weder ausdrücklich noch konkludent dem Kostenheft entnehmen. Vielmehr ist - wie sich aus der Sachbehandlung durch die Kammer ergibt - die Zuständigkeit des Einzelrichters erkennbar unberücksichtigt geblieben.
Mit der kraft Verweisung auf das Erinnerungsverfahren anzuwendenden Vorschrift des § 33 Abs. 8 S. 1 RVG ist aber durch das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz vom 25. April 2004 (BR-Drucks. 280/08) eine originäre Einzelrichterzuständigkeit in Kostenfestsetzungssachen geschaffen worden. Das Einzelrichterprinzip soll insbesondere in den weniger bedeutsamen Nebenverfahren zu einer Verfahrensbeschleunigung und -vereinfachung führen und dem Interesse eines ressourcenbewussten Personaleinsatzes Rechnung tragen (zu vgl. BT-Drucks. 14/4722, S. 69, S. 110 f. zu § 568 ZPO). Die gesetzliche Zuweisung an den Einzelrichter wird in der Rechtsprechung für das strafprozessuale Rechtsmittelverfahren teilweise für unzulässig gehalten (zu vgl. LG Dresd...