Entscheidungsstichwort (Thema)

Berufsunfähigkeitsversicherung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur Auslegung eines nachträglich vereinbarten Leistungsausschlusses als rückwirkend.

2. Zu einer Vertragsänderung nach § 19 Abs. 4 Satz 2 VVG.

 

Verfahrensgang

LG Bielefeld (Aktenzeichen 18 O 315/19)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 18.12.2020 verkündete Urteil der 18. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um Ansprüche aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung.

Der Kläger, der als Metallbauer mit Fachrichtung ... tätig war, schloss den Vertrag mit Versicherungsbeginn zum 01.04.2014. Die Antragstellung war am 06.01.2014. In dem Antragsformular (Anl. K19, Bl. 59 ff. der elektronischen Gerichtsakte erster Instanz, im Folgenden: eGA-I und für die zweite Instanz eGA-II) ist eine im ... 2013 erfolgte Operation an der Nasenscheidewand angegeben. Im Übrigen wurden sämtliche Gesundheitsfragen verneint. Die Höhe der bei Eintritt des Versicherungsfalls zu zahlenden Rente betrug vereinbarungsgemäß 1.000,- EUR monatlich.

Am ... 2016 wurde der Kläger als Fußgänger von einem PKW angefahren und erlitt Verletzungen an der Wirbelsäule, insbesondere eine Deckplattenkompressionsfraktur im Bereich der Lendenwirbelkörper 2/3.

Im August 2018 beantragte der Kläger Leistungen aus der Versicherung und machte geltend, er sei in Folge dieses Verkehrsunfalls seit Januar 2017 berufsunfähig. Wegen der Wirbelsäulenverletzung leide er an Schmerzen, die eine Ausübung der Berufstätigkeit ausschlössen.

Im Zuge der Leistungsprüfung stellte die Beklagte fest, dass der Kläger vor Antragstellung zweimalig wegen Rückenbeschwerden in ärztlicher Behandlung gewesen war. Sie erklärte deshalb durch Schreiben vom 10.11.2018 (Anl. B1, eGA-I 74 ff.) den Rücktritt vom Vertrag. In dem Schreiben wird ferner ausgeführt, dass hilfsweise eine Anpassung des Vertrages erfolgen könne, wenn der Kläger nachweise, dass die Verletzung der Anzeigeobliegenheit nur fahrlässig erfolgte.

Der Kläger reagierte darauf mit Schreiben vom 16.01.2019 (Anl. B2, eGA-I 77). Darin wies er den Vorwurf einer vorsätzlichen Verletzung der Anzeigeobliegenheit zurück; er habe diese "höchstens fahrlässig" verletzt. Mit dem Leistungsausschluss sei er einverstanden.

Die Beklagte übersandte dem Kläger daraufhin mit Schreiben vom 30.01.2019 (Anl. B3, eGA-I 78 ff.) eine aktuelle Fassung des Versicherungsscheins verbunden mit dem Hinweis, dass sie den Vertrag "mit einem Leistungsausschluss aufgrund Erkrankungen der Wirbelsäule reaktiviert" habe. In dem Versicherungsschein heißt es (eGA-I 81):

Besondere Vereinbarungen zu Erkrankungen an der Wirbelsäule

Es gilt als vereinbart, dass Minderbelastbarkeiten sowie alle Bewegungsstörungen und Schmerzsyndrome der Wirbelsäule einschließlich der beteiligten Wirbelsäulenmuskulatur, wirbelsäulenbedingte neurologische Symptome (z.B. Lähmungen, Gefühlsstörungen) einen Leistungsanspruch aus der Berufsunfähigkeitsversicherung nicht bedingen und bei der Feststellung des Grades der Berufsunfähigkeit aus anderen Gründen unberücksichtigt bleiben.

Sofern sie aber Folgen erstmals nach Vertragsabschluss aufgetretener Tumorerkrankungen der Wirbelsäule, Frakturschäden der Wirbelsäule, Querschnittslähmung sowie Infektionserkrankungen der Wirbelsäule sind, sind sie in den Versicherungsschutz eingeschlossen und bei der Festsetzung des Grades der Berufsunfähigkeit mit zu berücksichtigen.

Der Nachweis, dass die vorgenannten Erkrankungen erstmalig nach Vertragsabschluss aufgetreten sind, ist vom Versicherten durch Vorlage objektivierbarer Befunde und ärztlich gesicherter Diagnosen sowie Aussagen zu Ausmaß und Grad der damit verbundenen Leistungseinschränkungen zu erbringen.

Degenerative Wirbelsäulenerkrankungen bedingen in keinem Fall eine Leistungspflicht.

Besondere Vereinbarungen

Der Leistungsausschluss gilt ab Vertragsbeginn.

Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Zahlung rückständiger Berufsunfähigkeitsrente in Höhe von monatlich 1.000,- EUR für den Zeitraum von Februar 2017 bis einschließlich Oktober 2019, insgesamt also 33.000,- EUR nebst Zinsen, ferner die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung einer künftigen Rente von 1.000,- EUR monatlich ab November 2019, die Feststellung der Beitragsfreiheit seit Februar 2017, die Rückzahlung von Prämienleistungen sowie die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten.

Das Landgericht hat die Klage nach Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers seien von dem Leistungsausschluss erfasst, da dieser für Schmerzen und Einschränkungen im Bereich der Wirbelsäule gelt...

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