Entscheidungsstichwort (Thema)
Einstweilige Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf ein Elternteil
Leitsatz (amtlich)
Ein Obhutswechsel kommt bei einer bereits vollzogenen einstweiligen Anordnung nur ausnahmsweise in Betracht. Eine Ausnahme kann im Falle der sog. "ertrotzten" Kontinuität vorliegen.
Normenkette
BGB § 1671 Abs. 2 Nr. 1
Verfahrensgang
AG Ahlen (Beschluss vom 17.04.2012; Aktenzeichen 40 F 191/12) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Kindesvaters und Antragsgegners wird der Beschluss des AG - Familiengericht - B vom 17.4.2012 (40 F 191/12) abgeändert. Das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die Kinder T, geboren am 9.9.2003, T1, geboren am 2.2.2006, und T2, geboren am 3.10.2007 wird einstweilen auf den Antragsgegner übertragen.
Im Übrigen bleibt es bei dem gemeinsamen Sorgerecht.
Der Antrag der Kindesmutter und Antragstellerin, ihr im Wege der einstweiligen Anordnung das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht für die drei gemeinsamen Kinder zu übertragen, wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 1.500 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die am 3.2.1972 geborene Antragstellerin und der am 12.6.1968 geborene Antragsgegner schlossen am 12.6.1998 die Ehe miteinander. Bislang lebten sie in der gemeinsamen Immobilie B1 in B zusammen.
Aus der Ehe sind drei gemeinsame Kinder, T, geboren am 9.9.2003, T1, geboren am 2.2.2006, undT2, geboren am 3.10.2007, hervorgegangen.
Die Antragstellerin ist als Lehrerin an der G-Gesamtschule in B tätig. Im Sommer 2009 erlitt sie aufgrund eines geplatzten Aneurysma eine Gehirnblutung, die einen mehrmonatigen Aufenthalt im Krankenhaus und in einer Reha-Klinik nach sich zog. Nach schrittweiser Wiedereingliederung in den Beruf arbeitet die Antragstellerin seit August 2011 in Vollzeit. Nach ihren Angaben ist sie derzeit montags von 07:30 Uhr bis 15:15 Uhr, dienstags von 07:30 Uhr bis 12:45 Uhr, mittwochs von 07:30 Uhr bis 15:15 Uhr, donnerstags von 11:00 Uhr bis 15:15 Uhr und freitags von 07:30 Uhr - 11:00 Uhr berufsbedingt außer Haus. Ab August 2012 wird sie ihre Stunden auf wöchentlich 18 reduzieren. Für die Kinder besteht die Möglichkeit, eine Ganztagsschule zu besuchen bzw. bis 16:30 Uhr im Kindergarten betreut zu werden.
Der Antragsgegner wurde im Jahr 2007 als Berufssoldat in den vorzeitigen Ruhestand versetzt. Seit Februar 2008 ist er in täglich von 08:00 Uhr bis 12:00 Uhr freiberuflich im IT-Bereich berufstätig, freitags bis 14:00 Uhr. Bis zur Trennung kümmerte sich der Antragsgegner daher nachmittags überwiegend um die gemeinsamen Kinder, wobei die Mutter der Antragstellerin an drei Tagen in der Woche das Kochen übernahm.
Die Beteiligten haben seit geraumer Zeit Eheprobleme. Bereits im Dezember 2011 trug sich die Antragstellerin mit Trennungsgedanken, nachdem sie sich einem anderen Mann, einem Bekannten des Antragsgegners namens P, zugewandt hatte.
Im März 2012 teilte die Antragstellerin dem Antragsgegner mit, sich eine andere Wohnung (X-Weg in B) nehmen zu wollen. Auf Betreiben des Antragsgegners fanden daraufhin mehrere Gesprächstermine bei einer Familienberatungsstelle statt. Die Antragstellerin sagte schließlich die Wohnung wieder ab. Es fanden mehrere weitere Gesprächstermine statt.
Am 4./5.4.2012 eskalierte die Situation, als der Antragsgegner feststellte, dass die Antragstellerin wieder mit ihrem neuen Freund telefoniert hatte. Der Antragsgegner setzte daraufhin drei Schreiben, auf betreffend die Aufhebung des Kinderzuschlages, die künftige Zahlung des Kindergeldes an den Antragsgegner, die Mitteilung der Lohnsteueränderung sowie die Mitteilung, dass die Kinder beim Antragsteller verbleiben. Diese Schreiben legte der Antragsgegner der Antragstellerin am nächsten Tag, dem 5.4.2012, zur Unterschrift vor. Es kam daraufhin zu einer Auseinandersetzung, deren genauer Verlauf zwischen den Beteiligten streitig ist.
Unstreitig rief die Antragstellerin wenig später die Polizei, die unter dem Aktenzeichen 711000-011545-12/2 ein 10-tägiges Rückkehrverbot gegen den Antragsgegner aussprach. Der Antragsgegner verließ daraufhin das Haus und holte den ältesten Sohn T aus der Ferienbetreuung ab. Die Beteiligten gingen im Verlauf des Tages nochmals zur Polizei, wo auch ein längeres Gespräch mit Mitarbeitern des Jugendamtes standfand. Die Eheleute kamen überein, dass der Antragsgegner - wie bereits zuvor geplant - am Montag, den 9.4.2012 bis zum 12.4.2012 mit den beiden Söhnen T und T1 in den Skiurlaub reisen sollte. Die Antragstellerin erklärte, auf polizeiliche Begleitung zu verzichten, wenn der Antragsgegner die Kinder abhole. Im Übrigen erklärte sie ihr Einverständnis damit, vom 12.4.2012 bis zum 16.4.2012 das gemeinsame Haus zu verlassen.
Während der Abwesenheit des Antragsgegners hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 11.4.2012 im Parallelverfahren (11 UF 107/12) im Wege der einstweiligen Anordnung ein Kontaktverbot nach dem Gewaltschutzgesetz und die vorläufige Zuweisung des gemeinsamen Hauses zur alleinigen ...