Leitsatz (amtlich)
Gemäß § 51 Abs. 3 OWiG gilt nur der gewählte Verteidiger, dessen Vollmacht sich bei den Akten befindet, als ermächtigt, Zustellungen in Empfang zu nehmen. Dabei handelt es sich um eine gesetzliche Fiktion, die für den Betroffenen nachteilige Wirkung haben kann und die deshalb nicht großzügig zu dessen Nachteil ausgelegt werden kann.
Verfahrensgang
AG Münster (Entscheidung vom 03.05.2004) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde wird auf Kosten des Betroffenen verworfen.
Gründe
I.
Die Bußgeldbehörde hat mit Bescheid vom 28. Oktober 2003 gegen den Betroffenen eine Geldbuße von 195,- EUR festgesetzt und ein Fahrverbot von einem Monat verhängt. Dem Bußgeldbescheid zufolge soll der Betroffene am 4. Juni 2003 um 11.49 Uhr in Münster, BAB 1, km 275,600, in Fahrtrichtung Dortmund als Führer des PKW mit dem Kennzeichen XXXXXXXX die zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaft von 100 km/h um 45 km/h überschritten haben.
Das Amtsgericht Münster hat den Einspruch des Betroffenen gegen diesen Bußgeldbescheid gemäß § 74 Abs. 2 OWiG verworfen. Gegen dieses ihm am 6. Mai 2004 zugestellte Urteil hat der Betroffene am selben Tage durch seine Verteidiger Rechtsbeschwerde eingelegt und diese mit einem am 9. Juni 2004 beim Amtsgericht Münster eingegangenen Schriftsatz begründet. Mit einem weiteren am 25. Juni 2004 beim Amtsgericht Münster eingegangenen Schriftsatz beantragte der Betroffene Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Rechtsbeschwerdebegründungsfrist mit der Begründung, er habe die Rechtsbeschwerdebegründungsfrist nicht einhalten können, weil sein Verteidiger die Akte erst am 21. Juni 2004 zur Einsichtnahme erhalten habe. Der Betroffene, der die Verletzung materiellen Rechts rügt, erstrebt die Aufhebung des Urteils und die Zurückverweisung der Urteils zur neuen Verhandlung an das Amtsgericht.
Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt die Aufhebung des Urteils und die Einstellung des Verfahrens. Sie ist der Ansicht, es sei Verfolgungsverjährung eingetreten, da eine Verjährungsunterbrechung gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 9 OWiG durch den Erlass des Bußgeldbescheides mangels wirksamer Zustellung nicht erfolgt sei. Die Zustellung an die Rechtsanwälte Klasen und Hagemeier sei nicht wirksam gewesen, da gemäß § 41 Abs. 3 OWiG nur der gewählte Verteidiger, dessen Vollmacht sich bei den Akten befinde, als ermächtigt zum Empfang von Zustellungen gelte; die bei den Akten befindliche Vollmacht der Rechtsanwälte Klasen, Hagemeier und Schmidt sei nicht auf den Betroffenen, sondern ausgestellt gewesen "in Sachen Carena Warenhandels GmbH".
II.
Das Rechtsmittel ist zulässig, insbesondere auch form- und fristgerecht begründet worden. Nach Zustellung des Urteils am 6. Mai 2004 an den Betroffenen endete die Rechtsbeschwerdebegründungsfrist am 14. Juni 2004 (§ 345 Abs. 1 S. 2 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 S. 1 OWiG. Die Schriftsätze, mit denen der Betroffene sein Rechtsmittel begründet, sind am 6. Mai 2004 und am 9. Juni 2004, also rechtzeitig, beim Amtsgericht eingegangen.
III.
Entgegen der Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft ist das Verfahren nicht wegen Verfolgungsverjährung gemäß § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 206 a StPO einzustellen, da eine Verfolgungsverjährung gemäß §§ 24, 26 Abs. 3 StVG nicht eingetreten ist, sondern der Lauf der Verjährungsfrist durch in § 33 OWiG genannte Maßnahmen unterbrochen worden ist.
1.
Die Verjährungsfrist, die bei Verkehrsordnungswidrigkeiten gemäß § 24 StVG i.V.m. § 26 Abs. 3 StVG vor dem Erlass des Bußgeldbescheides drei Monate beträgt, ist zunächst gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 1 OWiG durch den an den Betroffenen übersandten Anhörungsbogen vom 22. August 2003 unterbrochen worden. Die nach dieser Unterbrechung neu beginnende Verjährungsfrist von drei Monaten (§ 33 Abs. 1 S. 1 OWiG) ist gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 9 OWiG durch den Erlass des Bußgeldbescheides am 28. Oktober 2003 unterbrochen worden, da dieser Bescheid innerhalb von zwei Wochen, nämlich am 29. Oktober 2003, an die Verteidiger des Betroffenen wirksam zugestellt worden ist. Die Generalstaatsanwaltschaft weist zutreffend darauf hin, dass die zu diesem Zeitpunkt in den Akten befindliche Vollmacht der Rechtsanwälte K., H. und S. ausgestellt war "in Sachen C.-GmbH". Gemäß § 51 Abs. 3 OWiG gilt nur der gewählte Verteidiger, dessen Vollmacht sich bei den Akten befindet, als ermächtigt, Zustellungen in Empfang zu nehmen. Dabei handelt es sich um eine gesetzliche Fiktion, die für den Betroffenen nachteilige Wirkung haben kann und die deshalb nicht großzügig zu dessen Nachteil ausgelegt werden kann. (vgl. OLG Rostock NStZ-RR 2003, 336). Die "in Sachen C-GmbH" ausgestellte Vollmacht ist mithin nicht als Zustellungsvollmacht i.S.v. § 51 Abs. 3 OWiG auszulegen.
Der Betroffene hatte jedoch bereits zu diesem Zeitpunkt seinen Verteidigern eine rechtsgeschäftliche Zustellungsvollmacht erteilt , so dass die Zustellung des Bußgeldbescheides an die Verteidiger am 29. Oktober 2003 wirksam war. Die Vorschrift des § 51 Abs. 3 S. 1 OWiG schließt (ebenso...