Verfahrensgang

AG Essen-Borbeck (Beschluss vom 31.03.2010; Aktenzeichen GB von Gerschede Bl. 1982 (GER-1982-2))

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 30.09.2010; Aktenzeichen V ZB 206/10)

 

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Beschwerdewert beträgt 3.000 EUR.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I.) Mit notariellem Vertrag vom 16.3.2010 überließ die Beteiligte zu 1) ihrer Enkelin, der am 17.12.1998 geborenen minderjährigen Beteiligten zu 2), den in dem o.a. Wohnungsgrundbuch eingetragenen Miteigentumsanteil an einem Grundstück, verbunden mit dem Sondereigentum an der Wohnung Nr. 1 laut Aufteilungsplan. Die Wohnung gehört zu einer aus zwei Einheiten bestehenden Anlage. Die Beteiligte zu 1) behielt sich auf Lebensdauer den unentgeltlichen Nießbrauch an dem Wohnungseigentum vor. Die gewöhnliche Unterhaltung des Vertragsgegenstandes sollte der Nießbraucherin obliegen, zu außergewöhnlichen Aufwendungen sollte kein Beteiligter verpflichtet sein. Der Nießbraucher trägt ferner alle privaten und öffentlichen Lasten, die auf dem Grundstück ruhen, jedoch mit Ausnahme außergewöhnlicher öffentlicher Lasten.

Auf den Vollzugsantrag der Beteiligten hat das AG - Grundbuchamt - am 31.3.2010 im Weg der Zwischenverfügung beanstandet, dass zum Vollzug eine Genehmigungserklärung des gesetzlichen Vertreters der Beteiligten zu 2) sowie eine Genehmigung des Familiengerichts (nebst Rechtskraftbescheinigung und Zugangsnachweis) erforderlich sei. Die Beteiligten haben der Zwischenverfügung durch ihren Verfahrensbevollmächtigten widersprochen. Das Grundbuchamt hat daraufhin am 15.4.2010 eine weitere Zwischenverfügung erlassen. In dieser hat es weiter den Standpunkt vertreten, dass der Erwerb für die Beteiligte zu 2) nicht lediglich rechtlich vorteilhaft sei. Die Eltern seien von der Vertretung ausgeschlossen, weshalb es der Bestellung eines Ergänzungspflegers bedürfe. Es verbleibe daher bei der ersten Zwischenverfügung, wobei zur Behebung des Eintragungshindernisses eine neue Frist gesetzt wurde. Gegen beide Zwischenverfügungen haben die Beteiligten durch Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 17.5.2010 Beschwerde erheben lassen, der das Grundbuchamt durch Beschluss vom 18.6.2010 nicht abgeholfen hat.

II.) Die Beschwerde ist nach § 71 Abs. 1 GBO statthaft und auch sonst zulässig. Da das Verfahren durch einen nach dem 31.8.2009 gestellten Antrag bei dem Grundbuchamt eingeleitet worden ist, ist zuständiges Beschwerdegericht gem. Art. 111 Abs. 1 S. 1 FGG-RG, § 72 GBO n.F. das OLG.

In verfahrensrechtlicher Hinsicht geht der Senat von einer einheitlichen Beschwerde aus, die sachlich gegen die letzte Zwischenverfügung gerichtet ist, auch wenn sich das Rechtsmittel dem Wortlaut nach auch gegen die Zwischenverfügung vom 31.3.2010 richtet, die ihrerseits durch die nachfolgende Zwischenverfügung überholt ist. Maßgebend ist, dass es sich um ein einheitliches Rechtsschutzbegehren gegen die Beanstandung des Grundbuchamtes richtet, das seinerseits dieser Beanstandung durch die Zwischenverfügung vom 15.4.2010 eine abschließende Fassung gegeben hat.

In der Sache ist die Beschwerde unbegründet. Zu Recht hat das Grundbuchamt die beantragte Eintragung davon abhängig gemacht, dass das Erwerbsgeschäft durch einen Ergänzungspfleger und das Familiengericht genehmigt wird. Der Senat teilt die Auffassung des Grundbuchamtes, dass der Erwerb einer Eigentumswohnung nicht lediglich rechtlich vorteilhaft i.S.d. § 107 BGB ist. Ein auf den Erwerb einer Sache gerichtetes Rechtsgeschäft ist für einen Minderjährigen nicht lediglich rechtlich vorteilhaft i.S.v. § 107 BGB, wenn er in dessen Folge mit Verpflichtungen belastet wird, für die er nicht nur dinglich mit der erworbenen Sache, sondern auch persönlich mit seinem sonstigen Vermögen haftet. Bei der Anwendung von § 107 BGB außer Betracht bleiben nur typischerweise ungefährliche Rechtsnachteile, zu denen etwa die mit einem Grundstückserwerb verbundene Verpflichtung zur Tragung öffentlicher Lasten gezählt wird (BGHZ 161, 170, 177 ff. ). Im Hinblick auf den von § 107 BGB verfolgten Schutzzweck ist es auch unerheblich, ob die mit dem Erwerb verbundenen Pflichten von dem rechtsgeschäftlichen Willen der Parteien mit umfasst sind. Denn das Vermögen des Minderjährigen ist nicht weniger gefährdet, wenn der Eintritt eines Rechtsnachteils zwar von den Parteien des Rechtsgeschäfts nicht gewollt, vom Gesetz jedoch als dessen Folge angeordnet wird (BGHZ 161, 170, 178; 162, 137, 140).

Der Senat folgt den hinweisenden Ausführungen im Beschluss des OLG München (ZEV 2008, 246), dass die veränderte Außenhaftung der Wohnungseigentümer (§ 10 Abs. 8 WEG n.F.) und die erweiterte Beschlusskompetenz der Miteigentümer (§§ 16 Abs. 3 und 4, 21 Abs. 7 WEG n.F.) unter Berücksichtigung der fehlenden Publizität der Beschlusslage einer Gemeinschaft (§ 10 Abs. 4 WEG) bei abstrakter Betrachtung ein so erhebliches Haftungsrisiko des Erwerbers begründet, dass regelmäßig nicht von einem lediglich vorteilhaften Geschäft ausgegangen werden kann...

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