Leitsatz (amtlich)
Besteht zwischen den Adoptionsbeteiligten ein der natürlichen Generationenfolge entspr. Altersunterschied, so kann das ernsthafte Motiv der Annehmenden, für einen jungen Mann aus einer ihr langjährig befreundeten ausländischen Familie eine dauerhafte Verantwortung zu übernehmen, um dem Anzunehmenden eine berufliche Ausbildung in Deutschland zu ermöglichen, für die Erwartung der Entstehung eines Eltern-Kind-Verhältnisses sprechen.
Normenkette
BGB § 1767
Verfahrensgang
LG Münster (Aktenzeichen 5 T 545/02) |
AG Münster (Aktenzeichen 27 XVI 2/02) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss und der Beschluss des AG vom 11.4.2002 werden aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das AG zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 3.000 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Die Beteiligte zu 1) ist deutsche Staatsangehörige. Sie lebte seit 1966 in Guinea und war in der Hauptstadt des Landes Conakry als Lehrerin tätig. 1971 heiratete sie dort den guinesischen Staatsangehörigen P.K. Die Beteiligte zu 1) hat in der Ehe den Ehenamen „K.” und ihren vorangestellten Geburtsnamen „N.” als Begleitnamen geführt. Aus der Ehe sind zwei 1970 bzw. 1973 geborene Kinder hervorgegangen, die jetzt in D. bzw. M. leben. Im Jahre 1976 kehrte die Beteiligte zu 1) mit ihren Kindern nach Deutschland zurück. Ihr Ehemann folgte ihr später nach und verstarb hier 1985. Die Beteiligte zu 1) hat nach dem Tod ihres Ehemannes ihre persönlichen Kontakte zu Verwandten ihres Ehemannes sowie anderen Bekannten durch häufige Besuche in Guinea aufrechterhalten.
Der im Jahre 1976 geborene Beteiligte zu 2) ist eines von mehreren Kindern eines mit der Beteiligten zu 1) langjährig befreundeten Ehepaares in Conakry. Die Ehegatten leben zwischenzeitlich getrennt. Bei einem Besuch der Beteiligten zu 1) in Guinea im Februar 2001 haben sich die Beteiligten näher kennengelernt. Danach hat die Beteiligte zu 1) dem Beteiligten zu 2) vorgeschlagen, zu ihr nach Deutschland zu kommen und ihn hier zu adoptieren, um ihm die Möglichkeit zu einer Berufsausbildung zu geben, die ihm nach den sozialen Verhältnissen in Guinea nicht möglich ist. Der Beteiligte zu 2) ist mit einem befristeten Touristenvisum nach Deutschland gereist und hat bei der Beteiligten zu 1) Wohnung genommen.
Die Beteiligten haben in notarieller Urkunde vom 2.1.2002 (UR-Nr. 1/2002 Notar B. in T.) bei dem VormG beantragt, die Annahme des Beteiligten zu 2) als Kind der Beteiligten zu 1) mit der Maßgabe auszusprechen, dass der Beteiligte zu 2) weiterhin den Familiennamen „M.” führt. Diesen Antrag haben sie in weiterer notarieller Urkunde vom 14.2.2002 (UR-Nr. 19/2002 Notar B.) dahin ergänzt, dass sie mit Rücksicht auf die leiblichen Kinder der Beteiligten zu 1) einen Verzicht des Beteiligten zu 2) auf alle gesetzlichen Erb- und Pflichtteilsansprüche nach der Beteiligten zu 1) vereinbart haben. Ferner haben sie ihren Antrag dahin geändert, dass der Beteiligte zu 2) nach dem Ausspruch der Annahme den Familiennamen „N.-M.” führen soll.
Das AG hat die Beteiligten am 28.3.2002 persönlich angehört. Durch Beschluss vom 11.4.2002 hat das AG den Annahmeantrag zurückgewiesen.
Gegen diesen Beschluss haben die Beteiligten mit Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 29.5.2002 Beschwerde eingelegt, mit der sie ihren Annahmeantrag weiterverfolgt haben. Das LG hat durch Beschluss vom 5.9.2002 die Beschwerde zurückgewiesen.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten, die sie mit Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 2.10.2002 bei dem LG eingelegt haben. Die Beteiligte zu 1) hat auf einen Hinweis des Senats durch notariellbeglaubigte Erklärung ggü. dem Standesbeamten des Standesamtes M. vom 14.12.2002 gem. § 1355 Abs. 5 S. 2 BGB ihren Geburtsnamen „N.” wieder angenommen.
II. Die weitere Beschwerde ist nach den §§ 27, 29 FGG statthaft sowie formgerecht eingelegt. Die Beschwerdebefugnis der Beteiligten folgt bereits daraus, dass ihre erste Beschwerde ohne Erfolg geblieben ist.
In der Sache ist das Rechtsmittel begründet, weil die Entscheidung des LG auf einer Verletzung des Rechts beruht (§ 27 Abs. 1 S. 1 FGG). Die weitere Beschwerde führt zur Zurückverweisung der Sache an das AG.
In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist das LG zutreffend von einer zulässigen Erstbeschwerde der Beteiligten ausgegangen. Ihre Beschwerdebefugnis folgt aus ihrem beiderseitigen Antragsrecht (§ 1768 Abs. 1 BGB).
In der Sache hat das LG unter teilweiser Bezugnahme auf die Gründe der amtsgerichtlichen Entscheidung ausgeführt, nach dem Ergebnis der persönlichen Anhörung verblieben erhebliche Zweifel daran, ob i.S.d. § 1767 Abs. 1 und Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 1741 Abs. 1 BGB ein Eltern-Kind-Verhältnis zwischen den Beteiligten bereits entstanden sei bzw. dessen Begründung erwartet werden könne. Die Beziehung zwischen den Beteiligten bestehe erst seit kurzer Zeit. Die Beteiligte zu 1) habe den Beteiligten zu 2) erst vor einem Jahr kennengelernt, ein näherer pe...