Entscheidungsstichwort (Thema)

Recht eines Rechtsanwalts auf Aufnahme in die Vorauswahlliste für Insolvenzverwaltungen und auf Berücksichtigung bei der zu treffenden Ermessensentscheidung durch den Insolvenrichter

 

Leitsatz (redaktionell)

Hat ein Insolvenzrichter einen Rechtsanwalt trotz Aufnahme in die Vorauswahlliste in die bei jedem Bestellvorgang zu treffende Ermessensentscheidung nicht einbezogen, so stellt sich dies als rechtswidrig war, da dem Rechtsanwalt aufgrund seiner Aufnahme in die Vorauswahlliste ein Anspruch auf pflichtgemäße Ermessensausübung zusteht.

 

Normenkette

EGGVG § 23 Abs. 1 S. 1; FamFG § 8 Nr. 3, § 9 Abs. 3

 

Tenor

Es wird festgestellt, dass die Antragsgegnerin das Recht des Antragstellers auf pflichtgemäße Ausübung des Auswahlermessens bei der Bestellung von Sachverständigen, vorläufigen Insolvenzverwaltern, Insolvenzverwaltern und Treuhändern seit dem 04.02.2009 verletzt hat.

Es wird festgestellt, dass die Antragsgegnerin verpflichtet ist, bei der Bestellung von Sachverständigen, vorläufigen Insolvenzverwaltern, Insolvenzverwaltern und Treuhändern nach pflichtgemäßen Ermessen darüber zu befinden, ob der in der Vorauswahlliste aufgenommene Antragsteller berücksichtigt werden kann.

Im Übrigen werden die Anträge zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Der Geschäftswert für das Verfahren wird hinsichtlich des zurückgewiesenen Teils auf 1.500,– EUR und wegen des stattgebenden Teils auf 1.500,– EUR, insgesamt auf 3.000,– EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

A.

Der Antragsteller ist in C2 als Rechtsanwalt und Insolvenzverwalter tätig. Die Antragsgegnerin ist eine von mehreren Insolvenzrichterinnen des Amtsgerichts Bochum.

In den Jahren 2006 bis 2008 kam es zu Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Antragssteller einerseits und den Insolvenzrichterinnen des Amtsgerichts Bochum andererseits über die Eignung des Antragstellers als Sachverständigen, vorläufigen Insolvenzverwalter, Insolvenzverwalter und Treuhänder. Dieser Streit führte zu drei Verfahren vor dem Senat zu den Az. 27 VA 5/07, 27 VA 8/07 und 27 VA 1/08.

Zur Beilegung der Streitigkeiten schlossen der Antragsteller und die Insolvenzrichterinnen des Amtsgerichts Bochum unter Vermittlung des damaligen Direktors des Amtsgerichts Bochum K, der zwischenzeitlich verstorben ist, unter dem 03.02.2009 eine Vereinbarung, die u.a. folgenden Inhalt hat:

„Hiermit teilen wir mit, dass die Parteien der o.g. Verfahren überein gekommen sind, alle vorgenannten Verfahren einvernehmlich zu beenden. Hierzu geben die unterzeichneten Richterinnen des Insolvenzgerichts Bochum – die Antragsgegnerinnen – folgende Erklärung ab:

Die Rechtsanwälte L und M – Antragsteller – werden ab sofort auf die gemeinsame Vorauswahlliste der Insolvenzverwalter beim Amtsgericht Bochum gesetzt. Damit sind die angefochtenen Bescheide mit Wirkung ex nunc gegenstandslos geworden.”

Im Übrigen wird auf den Inhalt der Vereinbarung vom 03.02.2009 verwiesen.

Die Antragsgegnerin hatte gegen die einvernehmliche Beendigung der Streitigkeiten mit dem Antragsteller Bedenken, die dem Antragsteller durch den damaligen Direktor des Amtsgerichts mitgeteilt wurden. Sie hat sich gleichwohl „dem Vergleich angeschlossen, um nicht als einzige der gütlichen Einigung entgegenzustehen”. Zugleich hat die Antragsgegnerin – nach ihrer Darstellung – dem Direktor des Amtsgerichts Bochum mitgeteilt, ihre grundsätzlichen Bedenken gegen die Eignung des Antragstellers aufrecht zu erhalten und ihn zunächst nicht zu beauftragen. Mit dem Antragsteller selbst hat die Antragsgegnerin nicht über ihre beabsichtigte Vorgehensweise gesprochen.

Nach dem 03.02.2009 hat die Antragsgegnerin den Antragsteller nicht als Sachverständigen, vorläufigen Insolvenzverwalter, Insolvenzverwalter oder Treuhänder beauftragt. Mit Schreiben vom 02.11.2010, auf dessen Inhalt verwiesen wird, wandte sich der Antragsteller an die Antragsgegnerin mit dem Vorwurf, ihn beim Vergleichsschluss „bewusst getäuscht” und ihn faktisch aus der Vorauswahlliste entfernt zu haben.

Mit Schriftsatz an das Oberlandesgericht vom 01.07.2011 hat der Antragsteller beantragt,

festzustellen, dass die Nichtberücksichtigung des Antragstellers als Sachverständiger, vorläufiger Insolvenzverwalter, Insolvenzverwalter und Treuhänder durch die Antragsgegnerin seit dem 23.08.2006 rechtswidrig ist, aus sachwidrigen Gründen erfolgt und ihn in seinen Grundrechten verletzt.

Nunmehr beantragt der Antragsteller auf der Grundlage der Schriftsätze vom 16.11.2011 und 21.09.2011,

  1. festzustellen, dass die Nichtberücksichtigung des Antragstellers als Sachverständiger, vorläufiger Insolvenzverwalter, Insolvenzverwalter und Treuhänder durch die Antragsgegnerin seit dem 12.11.2007 rechtswidrig ist, aus sachwidrigen Gründen erfolgt und ihn in seinen Grundrechten verletzt;
  2. die Vollziehung des inzwischen eingestandenen faktischen Delistings rückgängig zu machen durch Anweisung gegenüber der Antragsgegnerin, den Antragsteller wieder in ihre Vorauswahlliste aufzunehmen.

Die Antragsgegnerin beantragt...

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