Leitsatz (amtlich)
Zur Verkehrssicherungspflicht des Hauseigentümers im Zusammenhang mit Dachlawinen
Verfahrensgang
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 04.10.2011 verkündete Urteil des Landgerichts Dortmund (4 O 132/11) wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung werden der Klägerin auferlegt.
Das 04.10.2011 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund (4 O 132/11) ist vorläufig vollstreckbar.
Der Wert des Streitgegenstandes für die Berufungsinstanz wird auf 5.248,85 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Gemäß § 522 Abs. 2 S. 2 ZPO wird wegen der tatsächlichen Feststellungen auf diejenigen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.
Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr erstinstanzliches Begehren vollumfänglich weiter.
Mit einstimmig gefasstem Beschluss vom 13.01.2012 hat der Senat auf seine Absicht, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, hingewiesen und zur Begründung folgendes ausgeführt:
Der Senat teilt einstimmig die Rechtsauffassung des Landgerichts, wonach dem Beklagten keine Verkehrssicherungspflichtverletzung zur Last fällt.
Zutreffend wird zunächst im landgerichtlichen Urteil ausgeführt, dass und warum keine (miet-)vertragliche Haftung, sondern ausschließlich eine solche nach § 823 BGB unter dem Aspekt der Verkehrssicherungspflichtverletzung in Betracht kommt. Entscheidend ist insoweit, dass der PKW nicht auf vermieteter Parkfläche, sondern im öffentlichen Parkraum abgestellt war. Allein die Tatsache, dass durch die vom Haus des Beklagten abgehende Dachlawine der PKW eines Familienangehörigen der Klägerin und damit einer Mieterin des Beklagten beschädigt wurde, rechtfertigt eine Ausdehnung der mietvertraglichen Vermieterpflichten nicht.
a.
Eine Verpflichtung des Beklagten zur Anbringung von Schneefanggittern bestand unter bauordnungsrechtlichen Aspekten nicht.
Zwar können nach § 35 Abs. 8 LBauO NRW bei Dächern an Verkehrsflächen und über Eingängen Vorrichtungen zum Schutz gegen das Herabfallen von Schnee und Eis verlangt werden. Dass eine solche Auflage ergangen wäre, ist weder dargetan noch sonst ersichtlich.
Nach § 10 der Ordnungsbehördlichen Verordnung der Stadt E idF vom 19.07.1996 sind lediglich Schneeüberhänge und Eiszapfen an Gebäuden, durch die Verkehrsteilnehmer gefährdet werden können, unverzüglich zu beseitigen. Dass sich solche Gefahren vorliegend verwirklicht haben, behauptet die Klägerin jedoch nicht. Vielmehr macht sie geltend, der PKW sei durch eine Dachlawine infolge Tauwetters nach anhaltenden Schneefällen beschädigt worden. Im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung gemäß § 141 ZPO hat sie zudem angegeben, beim Blick nach oben anlässlich des Parkens keine Überhänge gesehen zu haben.
Damit traf den Beklagten "lediglich" die jedem Grundstückseigentümer obliegende Verpflichtung zur Entfernung von Schnee und Eisüberständen auf dem Dach. Insoweit gilt:
Eine Verkehrssicherungspflicht trifft grundsätzlich jeden, der Gefahrenquellen schafft, durch die Dritte geschädigt werden könnten. Der Umfang der Verkehrssicherungspflicht hängt jedoch einerseits von den Sicherheitserwartungen des jeweiligen Verkehrs ab und andererseits von der wirtschaftlichen Zumutbarkeit für denjenigen, der den Verkehr eröffnet. Deshalb trifft den Hauseigentümer nach der Rechtsprechung des Reichsgerichts (DR 1942, 1759) und ihm nachfolgend des BGH (NJW 1955, 300) sowie der herrschenden Rechtsprechung (OLG Hamm, NJW-RR 1987, 412; 2003, 1463 mwN) grundsätzlich nicht die Pflicht, Dritte vor Dachlawinen durch spezielle Maßnahmen zu schützen. Sofern jedoch besondere Umstände vorliegen, muss der Hauseigentümer je nach Notwendigkeit einerseits und Zumutbarkeit andererseits Maßnahmen zur Verhinderung der Schneelawinen ergreifen. Als besondere Umstände gelten dabei die allgemeine Schneelage des Ortes, die allgemeine Beschaffenheit des Gebäudes, die allgemein ortsüblichen Sicherheitsvorkehrungen, die allgemeinen örtlichen Verkehrsverhältnisse, die konkreten Schneeverhältnisse und Witterungslage sowie die konkrete Verkehrseröffnung.
b.
Das Vorliegen solcher besonderen Umstände lässt sich nicht feststellen:
aa.
Allgemeine Schneelage des Ortes, allgemeine Beschaffenheit des Gebäudes, allgemein ortsübliche Sicherheitsvorkehrungen, allgemein örtliche Verkehrsverhältnisse
... verpflichteten den Beklagten nicht, Schutzvorkehrungen im Hinblick auf "Dachlawinen" zu ergreifen.
Für E gilt insoweit zunächst, dass es im Bundesvergleich als eher schneearmes Gebiet einzuschätzen ist und in durchschnittlichen Wintern nicht regelmäßig mit Dachlawinen oder Eiszapfen zu rechnen ist (vgl. OLG Hamm, NJW-RR 1987, 412). Die allgemeine Schneelage oder die örtlichen Verkehrsverhältnisse verpflichteten daher nicht zu Schutzmaßnahmen vor Dachlawinen.
Darüberhinaus hat der Beklagte in erster Instanz unbestritten vorgetragen, dass die Dachneigung lediglich 35 Grad betrage. Damit ist das Dach gerade nicht sonderlich steil angelegt und daher nicht von seiner Bauart her anfällig für Dachlawine...