Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirksamkeit einer Vorsorgevollmacht
Leitsatz (amtlich)
1. Zweifeln an der Geschäftsfähigkeit des Betroffenen zum Zeitpunkt der Erteilung einer Vorsorgevollmacht muss das Gericht im Wege der Amtsermittlung (§ 12 FGG) nachgehen.
2. Erweist sich ein eingeholtes Sachverständigengutachten, das eine Geschäftsunfähigkeit des Betroffenen angenommen hat, bei kritischer Würdigung als lückenhaft, muss das Gericht ergänzende Maßnahmen der Sachverhaltsaufklärung treffen.
3. Der Vorrang der Vorsorgevollmacht (§ 1896 Abs. 2 S. 2 BGB) darf nicht dadurch überspielt werden, dass das Gericht bereits aus einem lückenhaften Gutachten die abschließende Schlussfolgerung zieht, Zweifel an der Wirksamkeit der Vollmacht könnte nicht ausgeräumt werden, so dass eine Betreuerbestellung erforderlich sei.
Normenkette
BGB § 1896 Abs. 2 S. 2; FGG § 12
Verfahrensgang
LG Arnsberg (Beschluss vom 01.10.2008; Aktenzeichen 6 T 230/08) |
AG Arnsberg (Aktenzeichen 27 XVII 147/05) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das LG zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf 3.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Beteiligten zu 3) bis 5) sind die Töchter des Betroffenen und seiner am 23.4.2004 verstorbenen Ehefrau.
Am 7.3.2003 erteilte der Betroffene der Beteiligten zu 3) in notarieller Form eine Altersvorsorgevollmacht, die sich auf seine Vertretung in allen persönlichen und vermögensrechtlichen Angelegenheiten erstreckt (UR-Nr. 111/03 Notar X in T). Auf den weiteren Inhalt der Vollmacht wird Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 23.9.2005 regte die Beteiligte zu 3) ggü. dem Vormundschaftsgericht eine Betreuerbestellung für den Betroffenen mit dem Aufgabenkreis Vermögensangelegenheiten und die ergänzende Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts an. Am 5.10.2005 reichte sie eine ärztliche Bescheinigung des Dr. I3, Hausarzt des Betroffenen, vom 4.10.2005 ein, in der dieser bestätigte, dass der Betroffene unter einer demenziellen Entwicklung vom Alzheimertyp leide und seit Juli 2005 nicht mehr in der Lage sei, seine finanziellen und persönlichen Dinge selbständig zu regeln. Nach Anhörung des Betroffenen am 5.10.2005 bestellte das AG mit Beschluss vom selben Tag im Wege der einstweiligen Anordnung Frau N zur Betreuerin des Betroffenen mit dem Aufgabenkreis Vermögensangelegenheiten und ordnete für diesen Bereich einen Einwilligungsvorbehalt an.
Der vom AG beauftragte Sachverständige Dr. I bestätigte in seinem Gutachten vom 18.10.2005 das Vorliegen einer demenziellen Erkrankung bei dem Betroffenen, aufgrund derer dieser seine Angelegenheiten nicht interessengerecht besorgen könne. Der Sachverständige verwies auf eine von ihm bereits im Januar 2005 vorgenommene Untersuchung des Betroffenen, bei der ebenfalls bereits erhebliche kognitive Einschränkungen vorgelegen hätten. In einer ergänzenden Stellungnahme vom 6.4.2006, in der der Sachverständige zu der Frage der Geschäftsfähigkeit des Betroffenen am 7.3.2003 Stellung nehmen sollte, kam er zu dem Ergebnis, dass von dessen Geschäftsfähigkeit auszugehen sei, da keine Aussage bzw. ärztlichen Untersuchungsergebnisse eruierbar seien, die seine Geschäftsfähigkeit in Frage stellten.
Mit Beschluss vom 24.4.2006 bestellte das AG abschließend Frau N zur Betreuerin des Betroffenen in Vermögensangelegenheiten und ordnete für diesen Bereich einen Einwilligungsvorbehalt an. Die gegen diesen Beschluss gerichtete Beschwerde der Beteiligten zu 3) wies das LG mit Beschluss vom 12.10.2006 zurück.
Die Zusammenarbeit zwischen der Betreuerin Frau N und der Beteiligten zu 3) gestaltete sich schwierig; es kam zu gegenseitigen Vorwürfen und Schuldzuweisungen. Die Beteiligte zu 3) vertrat nunmehr die Ansicht, dass es der Einrichtung der von ihr angeregten Betreuung im Bereich der Vermögenssorge aufgrund der ihr erteilten Vorsorgevollmacht nicht bedurft hätte, und beantragte mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 5.12.2006 die Aufhebung der Betreuung.
In einem weiteren vom AG in Auftrag gegebenen Gutachten vom 6.12.2006 kam der Sachverständige Dr. M, Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, zu dem Ergebnis, dass der Betroffene am 7.3.2003 bei Erteilung der Altersvorsorgevollmacht sehr wahrscheinlich nicht ausreichend einsichts- und einwilligungsfähig gewesen sei.
Mit Beschluss vom 14.12.2006 hielt das AG die bisher geführte Betreuung für den Bereich der Vermögenssorge aufrecht und erweiterte diese um die Aufgabenkreise Behördenangelegenheiten, Gesundheitsfürsorge, Aufenthaltsbestimmung, Anhalten und Öffnen von Post und Wohnungsangelegenheiten. An Stelle der bisherigen Betreuerin, die um ihre Entlassung nachgesucht hatte, bestellte das AG den Beteiligten zu 2) als Berufsbetreuer. Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 3) vom 21.12.2006 verwies das LG mit Beschluss vom 22.1.2008 das Verfahren unter Aufhebung des Beschlusses vom 14.12.2006 an das Vormundschaftsgericht zurück, weil bislang kein fachpsychiatri...