Entscheidungsstichwort (Thema)
Verletzung der Unterhaltspflicht. Leistungsfähigkeit. erweiterte Unterhaltsverpflichtung der Eltern. Einsatz von Schmerzensgeldzahlungen. unterhaltsrechtliche Opfergrenze
Leitsatz (amtlich)
Eine Verurteilung wegen Unterhaltspflichtverletzung gemäß § 170 Abs. 1 StGB nach Bezug von Sonderzahlungen - hier: Schmerzensgeld - erfordert Feststellungen dazu, ob und in welchem Umfang der Unterhaltsverpflichtete seinen eigenen Unterhalt aus dem durch die Sonderzahlung gebildeten Vermögensstamm bestreiten muss und in welchem Umfang ein verbliebener Vermögensstamm zur Befriedigung des Mindestbedarfs des Kindes herangezogen werden kann unter Berücksichtigung der voraussichtlichen Lebensdauer des Unterhaltsverpflichteten sowie seiner zu erwartenden künftigen Erwerbsmöglichkeiten.
Normenkette
StGB § 170 Abs. 1; BGB § 1603 Abs. 1, 2 S. 1
Verfahrensgang
LG Bielefeld (Urteil vom 09.09.2008; Aktenzeichen 11 Ns 61 Js 214/07 - 33/08) |
Tenor
Das angefochtene Urteil wird mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Bielefeld zurückverwiesen.
Gründe
I.
Der Angeklagte wurde durch Urteil des Amtsgerichts - Strafrichter - C3 vom 23.01.2008 wegen Verletzung der Unterhaltspflicht zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 15,00 EUR verurteilt. Die gegen dieses Urteil gerichtete Berufung des Angeklagten hat das Landgericht Bielefeld am 09.09.2008 mit der Maßgabe verworfen, dass der Angeklagte wegen Verletzung der Unterhaltspflicht zu einer Geldstrafe in Höhe von 70 Tagessätzen zu je 15,00 EUR verurteilt wird.
Das Landgericht hat u. a. folgende Feststellungen getroffen:
"(...)
Zum ####### machte er (Anm.: der Angeklagte) sich mit einer ########### selbständig. Geschäftslokal und Wohnung befinden sich zusammen in der C-Straße in C. Diese Tätigkeit übt er noch weiterhin aus. Der Vermieter soll das Mietverhältnis zum 15.10.2008 gekündigt haben, weil er seit drei Monaten keine Miete mehr bezahlt haben will. Seine Bruttoeinkünfte gibt er gegenwärtig mit ca. 700,00 bis 800,00 EUR an. 2000 heiratete der Angeklagte. Seine Ehefrau hatte sich #####/#### von ihm getrennt. Seit Ende 2007 leben sie erneut getrennt. (...)
Der Angeklagte ist mit der Zeugin L2, die inzwischen ## Jahre alt ist, im Jahre 2000 intim befreundet gewesen. Er ist der Vater des am ######### geborenen Sohnes E L2. (...)
Nachdem die Stadt C3 mit Schreiben vom ######## Strafanzeige gegen den Angeklagten wegen Unterhaltspflichtverletzung erstattet hatte, zahlte der Angeklagte von September 2003 bis November 2004 monatlich je 250,00 EUR.
(...)
Die Unterhaltsvorschusskasse hat gegenüber dem Angeklagten noch einen Restanspruch in Höhe von 7.872,67 EUR. Insgesamt beläuft sich der Unterhaltsrückstand des Angeklagten gegenüber seinem Sohn E auf ca. 15.000,00 EUR. Seit Einstellung der Unterhaltszahlungen im November 2004 hat der Angeklagte keinerlei Unterhaltsleistungen mehr gegenüber seinem Sohn E erbracht. (...)
Zum ######## eröffnete der Angeklagte unter der Anschrift C2 in ##### C eine ##########. Bei den angemieteten Räumlichkeiten handelt es sich um ein Geschäftslokal und seine Privatwohnung. Die monatliche Warmmiete für die Räumlichkeiten beläuft sich nach wie vor auf 500,00 EUR. In der Gewinnermittlung seines Steuerberaters für das Jahr 2005 ist dem gegenüber für Miete und Pacht allein ein Betrag in Höhe von 7.650,00 EUR sowie für Gas, Strom und Wasser ein weiterer Betrag in Höhe von 724,16 EUR ausgewiesen.
Im Jahre 2003 erzielte er aus dem Gewerbebetrieb Einkünfte in Höhe von 339,00 EUR und seine Ehefrau aus nicht selbständiger Tätigkeit Bruttoeinnahmen in Höhe von 19.798,00 EUR. In den Jahren 2004 und 2006 erwirtschaftete er Verluste von 477,00 EUR, 9.280,00 EUR und 3.492,00 EUR, während seine Ehefrau brutto 22.137,00 EUR, 19.941,00 EUR und 19.899,00 EUR verdiente.
Am ######## erlitt der Angeklagte einen Motorradunfall. Er verletzte sich nicht unerheblich unter anderem im Schulterbereich. 5 Tage lang befand er sich stationär im Krankenhaus. Nach der Bescheinigung des Facharztes für Allgemeinmedizin N vom 22.07.2006 war der Angeklagte vom ####### bis zum 30.09.2005 inklusive Rehabilitation arbeitsunfähig.
Die Textil- und Bekleidungsberufsgenossenschaft erachtete hingegen den Angeklagten nur bis zum 31.05.2005 für arbeitsunfähig. Für den Zeitraum vom 01.05.2004 bis zum 04.10.2004 zahlte sie dem Angeklagten am 21.10.2005 Verletztengeld nach §§ 45, 52 SGB VIII in Höhe von 6.423,97 EUR.(...)
Weitere 10.697,88 EUR Verletztengeld für den Zeitraum vom 05.10.2004 bis zum 31.05.2005 überwies die Berufsgenossenschaft am 01.06.2007.
Die Haftpflichtversicherung des Unfallgegners, die B AG, zahlte am 18.06. und 22.10.2004 Schmerzensgeldvorschüsse in Höhe von jeweils 3.000,00 EUR und am 20.09.2004 einen weiteren Vorschuss in Höhe von 2.000,00 EUR.(...)
Des Weiteren zahlte die B AG am 14.02.2007 auf Grund eines am 26.01.2007 ergang...