Leitsatz (amtlich)
1.
Die gesetzliche Unterhaltspflicht hat der Strafrichter der Höhe nach eigenverantwortlich ohne Bindung an zivilrechtliche Erkenntnisse festzustellen.
2.
Die Feststellungen zur Leistungsfähigkeit des Angeklagten erfordern neben zahlenmäßigen Angaben über tatsächliche und mögliche Einkünfte und Verpflichtungen auch die Darlegung des notwendigen Eigenbedarfs.
Tatbestand
Das Amtsgericht hat den Angeklagten wegen Verletzung der Unterhaltspflicht zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt. Die dagegen vom Angeklagten eingelegte Berufung hat das Landgericht verworfen. Seine Revision hatte mit der Sachrüge Erfolg.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg, weil die in den Urteilsgründen getroffenen tatsächlichen Feststellungen lückenhaft sind und deswegen die Verurteilung wegen zweier rechtlich zusammentreffender Vergehen der Verletzung der Unterhaltspflicht nicht zu tragen vermögen, § 337 Abs. 2 StPO.
1.
Die Urteilsgründe enthalten nicht die Tatsachen, aufgrund derer der Umfang der Unterhaltspflicht festgestellt werden könnte.
Der Strafrichter hat ohne Bindung an vorliegende einschlägige zivilrechtliche Erkenntnisse die Unterhaltspflicht des Angeklagten, deren Verletzung ihm angelastet wird, der Höhe nach eigenverantwortlich festzustellen (vgl. Fischer StGB, 55. Aufl. § 170 Rn. 5). Der Umstand, dass insoweit zivilgerichtliche Erkenntnisse existieren und der Angeklagte diese nicht erfüllt hat, erlaubt dem Strafrichter nicht den Schluss auf eine Unterhaltspflichtverletzung im Sinne des § 170 Abs. 1 StGB (BayObLG vom 26.6.2002 Az. 5St RR 167/02 zitiert nach [...], Rn. 21).
Das Urteil des Landgerichts stellt hierzu lediglich fest, der zivilrechtlich geschuldete Unterhalt betrage aufgrund Beschlusses des Amtsgerichts K. vom 5. August 2002 für das Kind A. 291 EUR und für das Kind J. 247 EUR (BU S.6). Dies wird den genannten Anforderungen nicht gerecht. Das Maß des zu gewährenden Unterhalts bestimmt sich nach der Lebensstellung des oder der Bedürftigen (§ 1610 Abs. 1 BGB), wobei für die Unterhaltsberechnung für Kinder Bedarfstabellen berücksichtigt werden können, die dann jedoch im Urteil angegeben werden müssen (BayObLG vom 22.8.2000 Az. 5St RR 236/00 zitiert nach [...], Rn. 6). Zu den für die Feststellung der Unterhaltspflicht maßgebenden Tatsachen gehören ferner auch die Umstände, die die Unterhaltspflicht der Eltern gegenüber minderjährigen Kindern erweitern (§ 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB) oder begrenzen (§ 1603 Abs. 2 Satz 3 BGB). Das Landgericht hätte deswegen trotz ihrer Berufung auf ein Zeugnisverweigerungsrecht auch Feststellungen über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Mutter treffen müssen, ungeachtet der Tatsache, dass sie ihren Unterhaltsanteil in der Regel durch die Gewährung von Pflege und Erziehung erbringt (§ 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB, vgl. auch BayObLGSt 1961, 260/261).
2.
Auch die Feststellungen des Landgerichts zur Leistungsfähigkeit des Angeklagten sind nicht ausreichend.
Neben zahlenmäßigen Angaben über tatsächliche oder mögliche Einkünfte und Verpflichtungen des Angeklagten muss im Urteil der notwendige Eigenbedarf mitgeteilt werden (OLG München, Beschluss vom 4.5.2005, Az: 5St RR 011/05 [nicht veröffentlicht] S. 3). Das Landgericht teilt hierzu lediglich mit, der Angeklagte habe es trotz guten Einkommens "weit über dem notwendigen Selbstbehalt" auf Lohnpfändungen ankommen lassen. Von welchem notwendigen Eigenbedarf das Landgericht betragsmäßig ausgeht, wird nicht dargelegt. Sollte sich eine eingeschränkte Leistungsfähigkeit ergeben, sind Ausführungen darüber unerlässlich, welcher Betrag dem Unterhaltspflichtigen letztlich belassen werden muss und welchen Betrag er jeweils mindestens hätte leisten können (OLG München, a.a.O., S. 5).
Fundstellen
Haufe-Index 2580629 |
NStZ 2009, 212 |
NPA 2010 |