Leitsatz (amtlich)
Die tatsächlichen Feststellungen einer Verurteilung wegen einer falschen Verdächtigung sind nur dann ausreichend, wenn die mitgeteilte verdächtigenden Äußerung überhaupt geeignet ist, strafrechtliche Sanktionen irgendwelcher Art herbeizuführen. Dazu gehört ggf. auch, dass das Alter des Verdächtigten mitgeteilt wird, wenn Anlass zu der Annahme besteht, dass dieser ggf. noch nicht strafmündig ist.
Verfahrensgang
Tenor
Das angefochtene Urteil wird sowohl bezüglich des Angeklagten H. als auch bezüglich des Angeklagten D. mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Abteilung - Jugendrichter - des Amtsgerichts Recklinghausen zurückverwiesen.
Gründe
Die Angeklagten sind durch das angefochtene Urteil wegen falscher Verdächtigung schuldig gesprochen und verwarnt worden; zugleich wurde ihnen die Weisung erteilt, 20 Stunden Sozialdienst abzuleisten.
Nach den getroffenen Feststellungen war Ausgangspunkt des Strafverfahrens eine am 28. Juni 2000 zwischen 16. 30 und 17. 30 Uhr zum Nachteil des Zeugen M. E. (geboren 1988) begangene Körperverletzung, die alsbald bei der Polizei angezeigt worden ist.
Im Rahmen der Ermittlungen wurden am 27. Oktober 2000 beide Angeklagte von der Polizei in Datteln vernommen, und zwar der Angeklagte D. , der zum Zeitpunkt der angezeigten Körperverletzung noch nicht 14 Jahre alt war, als Beschuldigter und der Angeklagte H. als Zeuge.
Der Angeklagte D. gab bei dieser polizeilichen Vernehmung bewusst der Wahrheit zuwider an, die Zeugen K. und B. seien die Täter der Körperverletzung gewesen, wobei er beabsichtigte, die polizeilichen Ermittlungen auf diese beiden Zeugen zu lenken. In seiner sich daran anschließenden Vernehmung bestätigte der Angeklagte H. bewusst wahrheitswidrig die zuvor abgegebene Einlassung des Angeklagten D. .
Aufgrund einer umfangreichen Beweisaufnahme hat der Jugendrichter im angefochtenen Urteil festgestellt, dass tatsächlich die beiden Angeklagten Täter der Körperverletzung vom 28. Juni 2000 waren und in ihren Vernehmungen durch Beschuldigung der Zeugen K. und B. , die an der Körperverletzung nicht beteiligt waren, den Verdacht von sich selbst ablenken und auf diese richten wollten.
Soweit der Angeklagte H. auch wegen der Körperverletzung vom 28. Juni 2000 angeklagt worden war - der Angeklagte D. war insoweit wegen Strafunmündigkeit zum Zeitpunkt dieser Tat gar nicht angeklagt - ist das Verfahren gegen ihn in der Hauptverhandlung gemäß § 154 Abs. 2 StPO vorläufig eingestellt worden.
Die gegen das Urteil gerichtete Sprungrevision des Angeklagten H. hat mit der Sachrüge Erfolg und führt - entsprechend dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft - zur Aufhebung des angefochtenen Urteils.
Die getroffenen Feststellungen und die Beweiswürdigung sind angesichts der besonderen Umstände des Falles lückenhaft und reichen hier zur Verurteilung wegen falscher Verdächtigung nach § 164 Abs. 1 StGB nicht aus.
Die Feststellungen müssen nämlich grundsätzlich den gesamten äußeren und inneren Tatbestand des anzuwendenden Gesetzes ausschöpfen. Alle Elemente der Tatbestandsmäßigkeit, der Rechtswidrigkeit und der Schuld einschließlich der Schuldfähigkeit müssen durch Tatsachen belegt sein.
Die verleumderische Behauptung einer Straftat in der Absicht, gegen eine andere Person ein behördliches Verfahren herbeizuführen, erfüllt den objektiven Tatbestand des § 164 Abs. 1 StGB daher nicht, wenn schon nach dem Inhalt der verdächtigenden Äußerung ausgeschlossen werden kann, dass diese zu der beabsichtigten behördlichen Reaktion führen kann. Tatbestandsmäßig ist eine derartige Verdächtigung nur dann, wenn sie überhaupt geeignet ist, strafrechtliche Sanktionen irgendwelcher Art herbeizuführen.
Das ist aber etwa dann nicht der Fall, wenn es schon nach dem vom Täter dargestellten Sachverhalt an einer Strafverfolgungsvoraussetzung fehlt und daher ein hinreichender Anfangsverdacht nicht gegeben ist (vgl. BGH, Beschluss vom 7. November 2001 in 2 StR 417/01 unter Hinweis auf RGSt 21, 101, 103 f; OLG Köln JR 1955, 273; OLG Brandenburg NJW 1997, 141, 142; OLG Karlsruhe NStZ-RR 1997, 37 f; Ruß in LK 11. Auflage Rdnr. 15 zu § 164; Tröndle/Fischer, StGB, 50. Auflage Rdnr. 5 zu § 164; Lenckner in Schönke/Schröder, StGB, 26. Auflage Rdnr. 10 zu § 164, jeweils m. w. N. ).
Insbesondere fehlt es an der Tatbestandsmäßigkeit der falschen Verdächtigung, wenn die Strafbarkeit oder Verfolgbarkeit durch Schuld- oder Strafausschließungsgründe oder infolge Fehlens von Prozessvoraussetzungen ausgeschlossen ist (vgl. OLG Köln aaO).
Aufgrund der im Urteil mitgeteilten Umstände der dem Verfahren zugrundeliegenden Körperverletzung handelte es sich um eine Auseinandersetzung unter Schülern, die sich am Nachmittag auf einem Schulhof aufgehalten haben. Offensichtlich waren auch nicht alle an dieser Auseinandersetzung Beteiligten bereits 14 Jahre alt und damit strafmündig (§ 19 StGB), was im...