Verfahrensgang
AG Bochum (Aktenzeichen 32a OWi - 842 Js 147/22 - 153/22) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde wird wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs zugelassen.
Das angefochtene Urteil wird mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde - an das Amtsgericht Bochum zurückverwiesen.
Gründe
Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Zuschrift vom 01.03.2023 Folgendes ausgeführt:
I.
Der Oberbürgermeister der Stadt Z. hat mit Bußgeldbescheid vom 09.12.2021 gegen die Betroffene wegen Missachtung des Rotlichts einer Lichtzeichenanlage eine Geldbuße in Höhe von 90,00 Euro festgesetzt (Bl. 40 f. d.A.).
Nachdem zu dem Hauptverhandlungstermin am 23.11.2022 trotz ordnungsgemäßer Ladung die Betroffene nicht erschienen war (Bl. 70 d.A.), hat das Amtsgericht Bochum mit Urteil vom 23.11.2022 den Einspruch der Betroffenen gegen den Bußgeldbescheid des Oberbürgermeisters der Stadt Z. vom 09.12.2021 verworfen (Bl. 71 d.A.).
Gegen dieses auf Anordnung des Vorsitzenden vom 23.11.2022 (Bl. 71R d.A.) dem Betroffenen am 26.11.2022 zugestellte (Bl. 77, 77R d. A.) Urteil hat der Betroffene mit bei dem Amtsgericht Recklinghausen am 29.11.2022 eingegangenem (Bl. 75 d.A.) Schriftsatz seines Verteidigers vom selben Tag (Bl. 72 d.A.) die Zulassung der Rechtsbeschwerde beantragt und dieses Rechtsmittel mit bei dem Amtsgericht Recklinghausen am 27.12.2022 eingegangenem (Bl. 90R d. A.) Schriftsatz seines Verteidigers vom selben Tag (Bl. 78 ff. d. A.) mit den Rügen der Verletzung formellen und materiellen Rechts begründet.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Auch in der Sache ist ihm ein zumindest vorläufiger Erfolg nicht zu versagen.
Da das Amtsgericht den Betroffenen zu einer Geldbuße von nicht mehr als 100,- Euro verurteilt hat, ist die Rechtsbeschwerde gem. § 80 Abs. 2 Nr. 1 OWiG wegen der Anwendung von Rechtsnormen über das Verfahren nicht und wegen der Anwendung von materiellen Rechtsnormen nur zur Fortbildung des Rechts oder wegen der Versagung des rechtlichen Gehörs zuzulassen.
Vorliegend verhilft die Rüge der Versagung rechtlichen Gehörs dem Zulassungsantrag zum Erfolg. Die Verfahrensrüge des Betroffenen, mit der er die Gesetzeswidrigkeit der Einspruchsverwerfung nach § 74 Abs. 2 OWiG geltend macht und damit auch die Verletzung des rechtlichen Gehörs rügt, entspricht den Anforderungen des § 79 Abs. 3 i. V. m. § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Nach den genannten Vorschriften muss bei einer Verfahrensrüge der Tatsachenvortrag so vollständig sein, dass das Rechtsbeschwerdegericht allein aufgrund der Begründungsschrift prüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, wenn das tatsächliche Vorbringen des Betroffenen zutrifft. Wird die Versagung rechtlichen Gehörs gerügt, muss in der Begründungsschrift durch entsprechenden Tatsachenvortrag schlüssig dargelegt werden, dass ein Verstoß gegen Artikel 103 Abs. 1 GG vorliegt. In diesem Fall obliegt es dem Betroffenen, darzulegen, aus welchen Gründen das Gericht seinem Entbindungsantrag nach § 73 Abs. 2 OWiG hätte stattgeben müssen. Vorliegend ermöglicht die Begründungsschrift des Betroffenen eine Überprüfung seitens des Rechtsbeschwerdegerichts, ob nach diesen Grundsätzen eine Versagung rechtlichen Gehörs vorliegt.
Bleibt der Betroffene trotz ordnungsgemäßer Ladung der Hauptverhandlung fern und wird daraufhin der Einspruch durch Urteil gemäß § 74 Abs. 2 OWiG verworfen, so kann die Einspruchsverwerfung das Recht des Betroffenen auf rechtliches Gehör verletzen, wenn einem rechtzeitig gestellten Antrag auf Entbindung von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen zu Unrecht nicht entsprochen worden ist (zu vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 15.05.2008 - 3 Ss OWi 669/07 -, zitiert nach juris). Das Amtsgericht hätte dem Entbindungsantrag vorliegend stattgeben müssen. Dieser ist wirksam gestellt worden. Nach § 73 Abs. 2 OWiG entbindet das Gericht den Betroffenen auf seinen Antrag von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen, wenn er sich zur Sache geäußert oder erklärt hat, dass er sich in der Hauptverhandlung nicht zur Sache äußern werde und seine Anwesenheit zur Aufklärung wesentlicher Gesichtspunkte des Sachverhalts nicht erforderlich ist. Die Entbindung ist nicht in das Ermessen des Gerichts gestellt, sondern dieses ist verpflichtet, dem Entbindungsantrag zu entsprechen, wenn feststeht, dass von der Anwesenheit des Betroffenen in der Hauptverhandlung ein Beitrag zur Sachaufklärung nicht erwartet werden kann (zu vgl. Senge in Karlsruher Kommentar zum OWiG, 5. Aufl., § 73 Rn. 24). Eine solche weitere Sachaufklärung war durch die Anwesenheit der Betroffenen nicht mehr zu erwarten. Diese hatte die Fahrereigenschaft eingeräumt. Anhaltspunkte dafür, dass diese sich zu Unrecht selbst bezichtigte, zur Tatzeit gefahren zu sein, bestanden nicht. Zu ihrem Einkommen hatte die Betroffene Angaben gemacht. Soweit die Ablehnung des Entbindungsantrags darüber hinaus noch damit ...