Leitsatz (amtlich)
Ein Straßenablaufdeckel am Fahrbahnrand in der Nähe eines Fußgängerüberwegs, dessen Schlitzbreite den gültigen DIN entspricht, stellt keine abhilfebedürftige Gefahrenstelle dar, wenn er für Fußgänger durch einen beiläufigen Blick unschwer erkennbar ist, so dass er vorsichtig betreten oder ihm ausgewichen werden kann.
Normenkette
BGB § 839; GG Art. 34; StrWG NW §§ 9, 9a, 47
Verfahrensgang
LG Hagen (Aktenzeichen 8 O 93/20) |
Tenor
I. Der Senat weist darauf hin, dass er beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gegen das am 14.07.2021 verkündete Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Hagen (Az.: 8 O 93/20) durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.
II. Der Klägerin wird Gelegenheit gegeben, binnen zwei Wochen nach Zugang dieses Beschlusses zu dem Hinweis Stellung zu nehmen oder mitzuteilen, ob die Berufung aus Kostengründen zurückgenommen wird.
Gründe
I. Gegenstand des Berufungsverfahrens ist allein noch die gegen die Beklagte zu 2.) gerichtete Klage, nachdem die Klägerin ihre zunächst gegen beide Beklagte eingelegte Berufung mit Schriftsatz vom 15.11.2021 hinsichtlich beklagten Landes konkludent zurückgenommen hat. Mit ihrer Erklärung im Schriftsatz vom 15.11.2021, dass sich die Berufung nicht mehr gegen den Beklagten zu 1.) richte, hat die Klägerin klar und unmissverständlich zum Ausdruck bringt, dass sie das gegen das beklagte Land gerichtete Berufungsverfahren nicht mehr fortsetzen und ohne eine Berufungsentscheidung des Senats beenden will.
II. Die gegen die Beklagte zu 2.) gerichtete Berufung der Klägerin ist zulässig, hat aber nach einstimmiger Überzeugung des Senats in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO). Die Rechtssache hat zudem weder grundsätzliche Bedeutung (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 ZPO), noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Senats (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 ZPO); auch eine mündliche Verhandlung vor dem Senat ist nicht geboten (§ 522 Abs. 2 S. 1. Nr. 4 ZPO).
Die mit der Berufung gegen das angefochtene Urteil erhobenen Einwände tragen weder im Sinne des § 513 Abs. 1 ZPO die Feststellung, dass die Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht (§ 546 ZPO), noch, dass nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.
Das Landgericht hat die gegen die Beklagte zu 1.) erhobene Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen.
1. Der Klägerin stehen wegen des nach ihrem Behaupten von ihr am 25.04.2019 in A als Fußgängerin beim Überqueren der B-Straße erlittenen Sturzes keine Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche gegen die Beklagte zu 2.) aus § 839 Abs. 1 S. 1 BGB i.V.m. Art. 34 GG, §§ 9, 9a, 47 Abs. 1 StrWG NRW zu.
a) Zwar bestehen Bedenken, ob der Begründung des Landgerichts gefolgt werden kann, dass ein Anspruch der Klägerin auch deshalb ausscheide, weil ihr ein anspruchsausschließendes Mitverschulden am Zustandekommen des Unfalls i.S.d. § 254 BGB zur Last falle. Denn wie das Landgericht in diesem Zusammenhang noch zutreffend ausgeführt hat, kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein die Haftung des Verkehrssicherungspflichtigen ausschließender, weit überwiegender Verursachungsbeitrag des Geschädigten nur angenommen werden, wenn das Handeln des Geschädigten von einer ganz besonderen, schlechthin unverständlichen Sorglosigkeit gekennzeichnet ist (vgl. BGH, Urteil vom 20.06.2021, III ZR 326/12 - Rz. 18 ff. juris). Für einen Sorgfaltsverstoß der Klägerin von diesem Gewicht fehlen ausreichende Feststellungen des Landgerichts, weil allein die vom Landgericht angeführte gute Erkennbarkeit des Straßenablaufdeckels und die Möglichkeit, die B-Straße innerhalb des markierten Fußgängerüberweges an einer anderen Stelle zu überqueren, noch nicht den Vorwurf einer ganz besonderen, schlechthin unverständlichen Sorglosigkeit zu rechtfertigen vermag.
b) Indes kann die Frage eines anspruchsausschließenden Mitverschuldens der Klägerin vorliegend dahinstehen, weil es nach den zutreffenden Ausführungen des Landgerichts schon an einer Verletzung der Verkehrssicherungspflicht durch die Beklagte zu 2.) und damit einer schuldhaften Amtspflichtverletzung fehlt. Die Verwendung des auf den Lichtbildern Blatt 20-24 und 321 der Akten wiedergegebenen rechteckigen Straßenablaufdeckels vermag eine Haftung der Beklagten zu 2.) nicht zu begründen.
aa) Entgegen der Ansicht der Klägerin ist nicht schon deshalb eine Verkehrssicherungspflichtverletzung der Beklagten zu 2.) gegeben, weil der von ihr verwendete rechteckige Straßenablaufdeckel nicht geltenden DIN-Normen und/oder Unfallverhütungsvorschriften entsprochen hätte. Zwar können nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs einschlägige Unfallverhütungsvorschriften und DIN-Normen, auch wenn sie im Allgemeinen keine abschließenden Verhaltensanforderungen enthalten, regelmäßig zur Feststellung von Inhalt und Umfang der Verkehrssicherungspflichten herangez...