Leitsatz (amtlich)
Die Ausnahmevorschrift des § 28 Abs. 2 Satz 2 StPO ist nicht anzuwenden auf Entscheidungen der Strafvollstreckungskammer gemäß den § 57 Abs. 1 StGB i.V.m. § 454 StPO. Die an diesen Entscheidungen mitwirkenden Richter sind keine erkennenden Richter im Sinne dieser Vorschrift.
Verfahrensgang
LG Hagen (Entscheidung vom 10.09.2007) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten des Beschwerdeführers ( § 473 Abs. 1 StPO) als unbegründet verworfen.
Gründe
I.
Der Verurteilte ist durch Urteil des Landgerichts Dortmund vom 9. März 2004 wegen schweren Raubes zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt worden und verbüsste diese zunächst in der Justizvollzugsanstalt Dortmund.
Wegen eines Selbstmordversuchs wurde er am 4. Juni 2007 in die Justizvollzugsanstalt Schwerte verlegt.
Die Staatsanwaltschaft Dortmund legte der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Hagen die Akten zur Prüfung der bedingten Entlassung zum Zweidrittel-Termin am 16. August 2007 im Juli 2007 vor. Der zuständige Richter der Strafvollstreckungskammer gab die Akten zur Prüfung, ob die Vollstreckungsbehörde im Fall der Abschiebung des Verurteilten gemäß § 456 a StPO von der weiteren Vollstreckung der Strafe absehen wolle, zunächst an die Staatsanwaltschaft Dortmund zurück. Dort wurde durch Nachfrage beim Ausländeramt Dortmund festgestellt, dass eine Abschiebung vor Ablauf des 16. August 2007 nicht mehr möglich war. Die Akten wurden deshalb erneut dem Landgericht Hagen vorgelegt, bei dem sie am 8. August 2007 eingingen. Wegen des anstehenden Zweidrittel-Termins und eines von ihm geplanten Erholungsurlaubs bestimmte der zuständige Richter den Anhörungstermin kurzfristig auf den 14. August 2007. Der Verteidiger des Verurteilten, der sich zuvor zu den Akten gemeldet hatte, beantragte per Telefaxschreiben vom 13. August 2007, den Termin zu verlegen. Nachdem die beantragte Terminsverlegung nicht erfolgt war, lehnte der Verteidiger namens des Verurteilten mit Schriftsatz vom selben Tage den zuständigen Richter der Strafvollstreckungskammer ab und begründete dies im Wesentlichen damit, dass ihm bisher keine Akteneinsicht ermöglicht worden sei und sich deshalb der Eindruck aufdränge, dass der Verteidiger vom Anhörungstermin ausgeschlossen und mit dem Verurteilten "kurzer Prozess" gemacht werden solle. Der Anhörungstermin wurde daraufhin nicht durchgeführt.
Mit dem angefochtenen Beschluss hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Hagen unter Bezugnahme auf die dienstliche Äußerung des abgelehnten Richters vom 14. August 2007 das Befangenheitsgesuch zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die am 17. September 2007 eingegangene sofortige Beschwerde des Verurteilten.
Inzwischen ist der Verurteilte am 19. September 2007 zwecks Abschiebung in die Türkei aus der Haft entlassen.
II.
Entsprechend dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft war die sofortige Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.
1.
Die sofortige Beschwerde ist zulässig, insbesondere fristgemäß eingelegt, § 28 Abs. 2 S. 1, § 311 Abs. 1, 2 StPO.
Die Regelung des § 28 Abs. 2 S. 2 StPO steht der Zulässigkeit der Beschwerde nicht entgegen (vgl. OLG Saarbrücken, NStZ-RR 2007, 222). Nach dieser Vorschrift kann der das Befangenheitsgesuch ablehnende Beschluss nur zusammen mit dem Urteil angefochten werden, wenn die Entscheidung einen erkennenden Richter betrifft. Erkennender Richter im Sinne dieser Bestimmung ist der zur Mitwirkung in der Hauptverhandlung berufene Richter (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 50. Aufl., § 28, Rdnr. 6 m.w.N.). Diese Ausnahmevorschrift ist nicht anzuwenden auf Entscheidungen der Strafvollstreckungskammer gemäß den § 57 Abs. 1 StGB i.V.m. § 454 StPO. Die an diesen Entscheidungen mitwirkenden Richter sind keine erkennenden Richter i.S.d. § 28 Abs. 2 S. 2 StPO.
Die Vorschrift des § 28 Abs. 2 S. 2 StPO dient vor allem der Prozesswirtschaftlichkeit. Sie soll verhindern, dass eine anberaumte oder bereits begonnene Hauptverhandlung wegen eines Ablehnungsverfahrens mit anschließendem Beschwerdeverfahren nicht durchgeführt werden kann (vgl. KK-Pfeiffer, StPO, 5. Aufl., § 28, Rdnr. 3). Eine vergleichbare Situation ist bei der Entscheidung, ob eine Reststrafe zur Bewährung ausgesetzt werden soll, § 57 Abs. 1 StGB, § 454 Abs. 1 StPO, nicht gegeben. Diese Entscheidung wird vielmehr gemäß § 454 Abs. 1 S. 1 StPO ohne mündliche Verhandlung, nur nach mündlicher Anhörung des Verurteilten durch Beschluss getroffen, so dass schon aus diesem Grund keine erweiternde Auslegung des § 28 Abs.2 S. 2 StPO erforderlich ist.
Im Übrigen spricht der Wortlaut des § 28 Abs. 2 S. 2 StPO gegen dessen Anwendbarkeit auch auf Entscheidungen der Strafvollstreckungskammern gemäß den §§ 57 Abs. 1 StGB, 454 Abs. 1 StPO. Bei den Entscheidungen der Strafvollstreckungskammer handelt es sich schon nicht um Urteile, sondern, wie erwähnt, um Beschlüsse. Dazu kommt, dass § 28 Abs. 2 S. 2 StPO als Ausnahmevorschrift zur grundsätzlich gegebenen Anfechtbarkeit der Entscheidungen ausgestaltet ist (vgl. OLG Saarbrücken, ...