Entscheidungsstichwort (Thema)
Erwerb eines Dieselfahrzeugs mit einem Motor EA288: Schadensersatzanspruch gegen den Motorhersteller bei Behauptung einer unzulässigen Abschalteinrichtung
Leitsatz (amtlich)
1. Da bereits die objektive Sittenwidrigkeit des Herstellens und des Inverkehrbringens von Motoren bzw. Kraftfahrzeugen mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Verhältnis zum Fahrzeugerwerber voraussetzt, dass dies in Kenntnis der Abschalteinrichtung und im Bewusstsein ihrer wenigstens billigend in Kauf genommenen Unrechtmäßigkeit geschieht, kann ein Anspruch aus § 826 BGB nicht angenommen werden, wenn zum Zeitpunkt des Erwerbs diese subjektiven Voraussetzungen beim Hersteller nicht (mehr) vorliegen (OLG Hamm, 2. August 2022, 13 U 133/21). (Rn. 11)
2. Die Verwendung einer Fahrkurve kann allenfalls dann als sittenwidriges Verhalten zu qualifizieren sein, wenn sie zur (sicheren) Einhaltung der Abgasgrenzwerte nur auf dem Prüfstand verwendet wird (OLG Karlsruhe, 26. April 2022, 8 U 232/21). (Rn. 14)
3. Durfte der Hersteller ein Thermofenster vertretbar für eine zulässige Abschalteinrichtung halten, vermag die Ausgestaltung des OBD-Systems derart, dass es den Einsatz des Thermofensters nicht als Fehler anzeigt, jedenfalls keinen Sittenwidrigkeitsvorwurf zu begründen (vgl. u.a. BGH, 12. Januar 2022, VII ZR 222/21). (Rn. 28)
4. Die Bestimmungen in §§ 6 I, 27 I EG-FGV bzw. Art. 5 VO 715/2007/EG stellen keine Schutzgesetze im Sinne von § 823 II BGB dar. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Gesetz- und Verordnungsgeber mit den genannten Vorschriften (auch) einen Schutz der allgemeinen Handlungsfreiheit und speziell des wirtschaftlichen Selbstbestimmungsrechts der einzelnen Käufer bezweckte und an die (auch fahrlässige) Erteilung einer inhaltlich unrichtigen Übereinstimmungsbescheinigung einen gegen den Hersteller gerichteten Anspruch auf Rückabwicklung eines mit einem Dritten geschlossenen Kaufvertrags hätte knüpfen wollen (vgl. BGH, 30. Juli 2020, VI ZR 5/20). (Rn. 34)
Normenkette
BGB §§ 31, 823 Abs. 2, § 826; EG-FGV § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1; EGV 715/2007 Art. 5
Verfahrensgang
LG Bielefeld (Urteil vom 23.11.2021; Aktenzeichen 9 O 415/20) |
Tenor
I. Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gegen das am 23.11.2021 verkündete Urteil des Landgerichts Bielefeld (9 O 415/20) durch einstimmigen Senatsbeschluss gemäß § 522 II ZPO zurückzuweisen, da zur einstimmigen Überzeugung des Senats das Berufungsbegehren wegen offensichtlicher Unbegründetheit keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und eine Entscheidung in dieser Sache nicht der Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung dient. Eine mündliche Verhandlung ist zur einstimmigen Überzeugung des Senats nicht geboten.
Gründe
Gem. § 513 I ZPO kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Rechtsverletzung im Sinne von § 546 ZPO beruht oder dass die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Das Landgericht hat den Sachvortrag der Parteien umfassend und nachvollziehbar gewürdigt. Dabei hat es insbesondere das grundrechtsgleiche Recht des Klägers auf rechtliches Gehör nicht verletzt. Eine Beweisaufnahme ist nicht veranlasst, und Rechtsfehler sind nicht ersichtlich.
Der Klägerin stehen gegen die Beklagte die geltend gemachten Schadensersatzansprüche aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu. Mangels eines Vertragsverhältnisses oder einer vertragsähnlichen Beziehung zwischen den Parteien kommen vertragliche Ansprüche von vornherein nicht in Betracht. Doch auch die Voraussetzungen für eine deliktische Haftung der Beklagten gem. §§ 826 BGB, 823 II BGB in Verbindung mit § 263 StGB, § 823 II BGB in Verbindung mit §§ 6, 27 EG-FGV oder §§ 831, 31 BGB sind, wie im landgerichtlichen Urteil zutreffend begründet worden ist, nicht erfüllt. Infolgedessen ist auch der geltend gemachte Anspruch auf Erstattung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten ebenso unbegründet wie der geltend gemachte Antrag auf Feststellung des Annahmeverzugs. Auf die Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil kann weitgehend Bezug genommen werden. Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen, mit dem im Wesentlichen der bisherige Vortrag der Klägerin wiederholt wird, sind lediglich folgende ergänzenden Hinweise veranlasst:
1. Ein Anspruch der Klägerin aus §§ 280 I, 311 III BGB besteht mangels vorvertraglichen Schuldverhältnisses ersichtlich nicht. Ein Vertrag kam allein mit der Fa. ... zustande.
Zwar kann ausnahmsweise die Haftung eines Dritten auch dann in Betracht kommen, wenn er an einem Vertragsschluss ein unmittelbar eigenes wirtschaftliches Interesse hat oder wenn er ein besonderes persönliches Vertrauen in Anspruch genommen und hierdurch den Vertragsabschluss erheblich beeinflusst hat. Von einem besonderen wirtschaftlichen Interesse der am streitgegenständlichen Kaufvertrag über den streitgegenstä...