Entscheidungsstichwort (Thema)
Verletzung rechtlichen Gehörs. Rügevorbringen. Angriffsrichtung einer Verfahrensrüge
Leitsatz (amtlich)
Zum notwendigen Vorbringen im Rahmen der Erhebung der Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs.
Normenkette
OWiG § 80; StPO § 344 Abs. 2
Verfahrensgang
AG Paderborn (Aktenzeichen 72 OWi 318/15) |
Tenor
Der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde wird verworfen. Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens trägt der Betroffene (§ 473 Abs. 1 StPO in Verbindung mit § 46 Abs. 1 OWiG).
Gründe
I.
Mit dem angefochtenen Urteil hat das Amtsgericht den Einspruch des Betroffenen gegen den Bußgeldbescheid des Kreises Q vom 02.03.2015, mit dem gegen den Betroffenen ein Bußgeld von 90 Euro wegen Überschreitung des Termins zur Vorstellung zur fälligen Hauptuntersuchung um mehr als vier bis zu acht Monaten verhängt worden war, gem. § 74 Abs. 2 OWiG verworfen.
Hiergegen wendet sich der Betroffene mit seinem Zulassungsantrag. Er rügt die Verletzung rechtlichen Gehörs und die Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren.
Die Generalstaatsanwaltschaft Hamm hat beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zurückzuverweisen.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde ist als unzulässig zu verwerfen.
Bei einer Geldbuße von nicht mehr als 100 Euro - wie hier - kommt eine Zulassung der Rechtsbeschwerde nur in Betracht, wenn es geboten ist, die Nachprüfung des angefochtenen Urteils zur Fortbildung des materiellen Rechts zu ermöglichen oder das Urteil wegen Versagung des rechtlichen Gehörs aufzuheben (§ 80 Abs. 1, 2 OWiG).
Die hier für die Zulassungsfrage allein relevante Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs hat der Betroffene nicht in einer für eine Verfahrensrüge ausreichenden Weise (§§ 79 Abs. 3 OWiG, 344 Abs. 2 StPO) ausgeführt. Der Betroffene muss substantiiert darlegen, worin die Verletzung des rechtlichen Gehörs besteht und was er im Falle der ordnungsgemäßen Anhörung geltend gemacht bzw. wie er seine Rechte wahrgenommen hätte (OLG Hamm, Beschl. v. 03.06.2004 - 2 Ss OWi 289/04 - [...]; OLG Köln NZV 1992, 419). Dabei ist für die Überprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht die vom Beschwerdeführer angegebene Angriffsrichtung der Verfahrensrüge maßgeblich, da es dem Betroffenen freisteht, ein Prozessgeschehen nur unter einem bestimmten Gesichtspunkt zu rügen, einen etwa zusätzlich begangenen Verfahrensverstoß aber hinzunehmen (BGH NStZ 2013, 671).
Es kann dahinstehen, ob das Amtsgericht den Betroffenen zu Recht nicht von seiner Pflicht zum persönlichen Erscheinen entbunden hat und dann nach § 74 Abs. 2 OWiG vorgegangen ist. Der Betroffene hat aber nicht substantiiert dargelegt, was er im Falle seiner ordnungsgemäßen Anhörung geltend gemacht bzw. wie er seine Rechte wahrgenommen hätte. Wäre er von seiner Pflicht zum persönlichen Erscheinen entbunden und die Hauptverhandlung nach § 74 Abs. 1 OWiG durchgeführt worden, so wäre es zwar grundsätzlich ggf. möglich gewesen, die im Rahmen des Schriftsatzes mit dem Entbindungsantrag vom 18.09.2015 abgegebene Verteidigererklärung des Betroffenen, welche er mit dem Zulassungsantrag vollständig mitgeteilt hat, als schriftliche Erklärung des Betroffenen zu verlesen, wenn der mit entsprechender Vertretungsvollmacht ausgestattete Verteidiger schriftsätzlich Angaben für den Betroffenen gemacht hat (OLG Frankfurt NZV 1993, 281; KG Beschl. v. 29.07.2014 - 3 Ws (B) 406/14 = BeckRS 2015, 19268). Dass der Verteidiger des Betroffenen bei Abgabe seiner Verteidigererklärung entsprechend bevollmächtigt war, lässt sich der Begründung des Zulassungsantrages aber schon nicht entnehmen. Bzgl. seiner Bevollmächtigung teilt dieser nur mit, dass die Vollmacht den Verteidiger "unter Punkt 10 ausdrücklich [ermächtige], den Antrag auf Entbindung von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung zu stellen". Wollte man also auf eine Verletzung rechtlichen Gehörs wegen der Nichtverlesung der schriftsätzlichen Einlassung zur Haltereigenschaft abstellen, so wäre die Rüge deswegen nicht hinreichend ausgeführt.
Die vom Betroffenen verfolgte Angriffsrichtung ist indes auch eine ganz andere. Er stellt darauf ab, dass bei Entbindung des Betroffenen die Hauptverhandlung durchgeführt und "die Zeugen" hätten "befragt" werden müssen. Es kann hier dahinstehen, ob es insoweit einer näheren Bezeichnung der Zeugen und der in ihr Wissen gestellten Tatsachen bedurft hätte. Der Betroffene hat insoweit jedenfalls nicht einmal ansatzweise aufgezeigt, wie er im Falle seiner Entbindung seine Rechte
hätte wahrnehmen wollen. Sein Entbindungsantrag richtete sich gerade auf ein Nichterscheinenmüssen und er hat nicht dargetan, dass er trotz erfolgter Entbindung überhaupt zum Termin erschienen wäre oder was er sonst getan hätte, um seinen etwaigen "Fragen" Gehör zu verschaffen. Auch hat der Verteidiger in seinem Schriftsatz vom 18.09.2015 ausgeführt, dass weder er noch ein anderer Verteidiger zu dem Hauptverhandlungstermin erscheinen werde. Auch insoweit ist nicht ausgeführt und...