Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine automatische Bestellung des Amtsvormunds ohne Prüfung des Vorhandenseins eines geeigneten Einzelvormunds

 

Leitsatz (redaktionell)

Das Gericht hat von Amts wegen zu ermitteln, ob anstelle des Jugendamtes eine als Einzelvormund geeignete Person vorhanden ist.

 

Normenkette

BGB § 1791b

 

Verfahrensgang

AG Bielefeld (Beschluss vom 15.10.2009; Aktenzeichen 34 F 1271/09)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Jugendamtes des Kreises Gütersloh vom 18.10.2009 wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Bielefeld vom 15.10.2009 aufgehoben und die Sache zur erneuten Prüfung und Entscheidung an das AG H zurückverwiesen.

Gerichtskosten werden nicht erhoben. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Der Gegenstandswert beträgt 3.000 EUR.

 

Gründe

I. Durch Beschluss vom 22.7.2008 hat das AG Osnabrück den Eintritt gesetzlicher Amtsvormundschaft für das Kind X, geb. am ...2008, festgestellt und zum Vormund das Jugendamt der Stadt Z1 bestellt.

Nachdem das Kind nicht mehr im Bezirk des Jugendamtes der Stadt Z1, sondern in einer Pflegefamilie im Kreis H lebt, hat das Jugendamt der Stadt Z1 seine Entlassung und die Bestellung des Jugendamtes des Kreises H beantragt. Dabei hat es um Überprüfung der Notwendigkeit der gesetzlichen Amtsvormundschaft gebeten, weil der Kindesmutter in einem familiengerichtlichen Verfahren Teile der elterlichen Sorge entzogen worden seien und insoweit Rechtsanwältin Dr. L in I zur Pflegerin bestimmt worden sei.

Durch Beschluss vom 15.10.2009 hat das AG Bielefeld den bisherigen Vormund - das Stadtjugendamt Z1 - entlassen und das Jugendamt des Kreises H mit der Begründung zum Vormund ernannt, eine als Einzelvormund geeignete Person sei nicht vorhanden.

Dagegen richtet sich die Beschwerde des Jugendamtes des Kreises H, mit der es geltend macht, dass im dortigen Jugendamt keine bestellten Pflegschaften und Vormundschaften mehr geführt würden und mit der als Berufsvormund zugelassenen bisherigen Pflegerin eine geeignete und bereite Person zur Führung der Vormundschaft vorhanden sei.

II. Die zulässige Beschwerde ist begründet. Sie führt in entsprechender Anwendung des § 538 Abs. 2 ZPO zur Aufhebung der vom AG getroffenen Entscheidung und zur Zurückverweisung des Verfahrens an das AG, denn die Entscheidung 1. Instanz leidet an einem gravierenden Verfahrensfehler.

Zwar ist dem AG darin beizupflichten, dass das Anliegen des Jugendamtes der Stadt Z1, aus der Vormundschaft entlassen zu werden, berechtigt ist, weil das Kind inzwischen seit längerem im Kreis H lebt. Dies rechtfertigt es jedoch nicht, ohne weiteres das Jugendamt des Kreises H zum Vormund zu bestimmen. Gemäß § 1791b BGB kann auch das Jugendamt zum Vormund bestellt werden, wenn eine als ehrenamtlicher Einzelvormund geeignete Person nicht vorhanden. Ob dies der Fall ist, hat das Familiengericht von Amts wegen zu ermitteln (vgl. Palandt/Diederichsen, BGB, 69. Aufl., § 1791b Rz. 1 m.w.N.). Dazu gehört auch die Anfrage an das Jugendamt, ob dieses gem. § 53 Abs. 1 SGB VIII geeignete Personen vorschlagen kann. Dass das AG hier solche Ermittlungen angestellt hat, ist dem Akteninhalt nicht zu entnehmen. Es lässt sich nicht einmal feststellen, dass es dem Kreisjugendamt H vor seiner Entscheidung Gelegenheit zur Stellungnahme und zur Benennung eines geeigneten Einzelvormunds gegeben hat.

Eine andere Beurteilung der Sache ergibt sich vorliegend auch nicht daraus, dass das Kreisjugendamt selbst keinen ehrenamtlichen Einzelvormund benannt hat. Denn auch dies entband das AG nicht von der Verpflichtung zu eigener Ermittlung.

Sollte ein ehrenamtlicher Einzelvormund nicht vorhanden sein, wäre die Entscheidung des AG gleichwohl nicht verfahrensfehlerfrei. Denn § 1791b BGB sieht bei Fehlen eines ehrenamtlichen Einzelvormunds nicht zwingend die Bestellung des Jugendamtes vor. Der Wortlaut der Regelung ist eindeutig. Danach kann in einem solchen Fall auch das Jugendamt bestellt werden. Hieraus folgt, dass das AG bei der Auswahl des Vormunds Ermessen hat, wovon es vorliegend ersichtlich keinen Gebrauch gemacht hat. Es hat sich lediglich und ohne nähere Begründung auf die Feststellung beschränkt, dass eine als Einzelvormund geeignete Person nicht vorhanden sei.

Ohne nähere Auswahlentscheidung, bei der die Interessen des Kindes im Vordergrund zu stehen haben und die nach den hier gegebenen Umständen auch die Bestellung eines Berufsvormunds als interessengerecht erscheinen lassen können, kann jedoch die Entscheidung des AG keinen Bestand haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 21 GKG, 13a FGG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2365436

FamRZ 2010, 1684

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