Entscheidungsstichwort (Thema)
Örtliche Zuständigkeit des AG für richterliche Entscheidungen über die Fortdauer der Freiheitsentziehung
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Sachentscheidung nach § 5 Abs. 1 FGG kann ausnahmsweise auch vor Anhängigwerden einer konkreten Angelegenheit getroffen werden, wenn die beabsichtigte Verneinung der örtlichen Zuständigkeit durch eines der beteiligten Gerichte im Ergebnis eine Rechtsschutzverweigerung bedeuten würde, die der beabsichtigten Rechtsschutzgewährleistung für den Betroffenen einer Freiheitsentziehungsmaßnahme zuwider laufen würde.
2. Für eine richterliche Entscheidung über die Fortdauer der Freiheitsentziehung ist in Nordrhein-Westfalen gem. § 36 Abs. 2 S. 1 PolG NW dasjenige AG örtlich zuständig, in dessen Bezirk die Freiheitsentziehung zu dem Zeitpunkt vollzogen wird, in dem das AG mit der Angelegenheit befasst wird.
3. Dies gilt auch dann, wenn der Befassung des AG mit der Sache vorausgehend die Polizei den Betroffenen nach erfolgter Ingewahrsamnahme in eine Sammelstelle im Bezirk eines anderen AG verbracht hat.
Normenkette
FGG § 5 Abs. 1; PolG-NW § 36 Abs. 2 S. 1
Verfahrensgang
Tenor
Das AG Bochum wird als örtlich zuständiges AG für richterliche Entscheidungen über die Fortdauer der Freiheitsentziehung gem. § 36 Abs. 1 PolG NW bestimmt, mit denen das AG im Zusammenhang mit Spielen der Fußball-WM befasst wird, nachdem betroffene Personen im Stadtgebiet Gelsenkirchen in Gewahrsam genommen worden und in die für diese Situation von dem Polizeipräsidium Bochum eingerichtete Sammelstelle im Stadtgebiet Bochum verbracht worden sind.
Gründe
I. Die Polizei bereitet sich auf Maßnahmen der Gefahrenabwehr im Zusammenhang mit Spielen der Fußball-WM vor. Aufgrund eines Erlasses des Innenministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen vom 28.3.2006 (41 - 61.11.26 [6188]) werden mobile Gefangenensammelstellen eingerichtet. Für den Zuständigkeitsbereich des Polizeipräsidiums Gelsenkirchen wird eine "GeSa 50 plus" errichtet, die vorrangig zur Aufnahme festgenommener Straftäter bestimmt ist. Zur Erweiterung der Kapazität wird im Stadtgebiet Bochum eine "GeSa 200" eingerichtet, die zur Bearbeitung von Ingewahrsamnahmen größerer Störergruppen insb. auch aus dem Bezirk des Polizeipräsidiums Gelsenkirchen dienen soll.
Dem Senat ist von Amts wegen bekannt geworden, die Richter des AG Bochum seien einhellig der Auffassung, für richterliche Entscheidungen über eine Fortdauer der Freiheitsentziehung gem. § 36 Abs. 1 PolG NW sei dasjenige AG zuständig, in dessen Bezirk die betroffene Person erstmals in Gewahrsam genommen worden sei. Der Senat hat daraufhin von Amts wegen ein Bestimmungsverfahren nach § 5 FGG eingeleitet, an dem er das Polizeipräsidium Bochum sowie die AG Bochum, Gelsenkirchen und Gelsenkirchen-Buer beteiligt hat. Die Stellungnahmen der beiden letztgenannten AG ergeben die Auffassung der dortigen Richter, nach der Verbringung einer Person in eine Sammelstelle sei die örtliche Zuständigkeit desjenigen AG begründet, in dessen Bezirk diese Sammelstelle liege.
II. Der Senat ist gem. § 5 Abs. 1 S. 1 FGG als gemeinschaftliches oberes Gericht der beteiligten AG zur Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts berufen. Die Sachentscheidungsvoraussetzungen der gesetzlichen Vorschrift liegen vor. Der Senat konnte, nachdem er von der Ungewissheit der Beurteilung der Zuständigkeitsfrage Kenntnis erlangt hat, auch ohne Vorlage durch eines der beteiligten AG das Bestimmungsverfahren von Amts wegen einleiten (Keidel/Sternal, FGG, 15. Aufl., § 5 Rz. 46). Das weitere Verfahren hat ergeben, dass die Frage der örtlichen Zuständigkeit zwischen den Richtern der beteiligten Gerichte unterschiedlich beurteilt wird:
Während die Richter des AG Bochum die örtliche Zuständigkeit des AG für richterliche Entscheidungen über die Fortdauer der Freiheitsentziehung gem. § 36 Abs. 1 PolG NW abschließend durch den Ort der erstmaligen Ingewahrsamnahme der betroffenen Person begründet sehen, halten die Richter der AG Gelsenkirchen und Gelsenkirchen-Buer dasjenige AG für örtlich zuständig, in dessen Bezirk der polizeiliche Gewahrsam des Betroffenen tatsächlich zu dem Zeitpunkt vollzogen wird, in dem das AG mit der Sache befasst wird.
Grundsätzlich setzt allerdings eine Sachentscheidung des Bestimmungsgerichts weiter voraus, dass die Gerichte, deren örtliche Zuständigkeit zweifelhaft ist, mit einer konkreten Angelegenheit bereits befasst sind (OLG Hamm Rpfleger 1969, 19; Keidel/Sternal, FGG, 15. Aufl., § 5 Rz. 20). Beschrieben wird damit indessen nur die konkrete Erforderlichkeit der Zuständigkeitsbestimmung, um entsprechend der Funktion des Verfahrens nach § 5 FGG den Verfahrensbeteiligten den Weg zu einer Sachentscheidung zu eröffnen. Im vorliegenden Fall muss aufgrund der mitgeteilten Auffassung der Richter des AG Bochum damit gerechnet werden, dass diese im Falle ihrer Befassung eine sachliche Entscheidung über eine Fortdauer der Freiheitsentziehung betroffener Personen, die nach einer Ingewahrsamnahme im Stadtgebiet...