Leitsatz (amtlich)
1. Die für die Zulässigkeit der Revision erforderliche Beschwer des Rechtsmittelführers kann sich nur aus dem Entscheidungsausspruch des angefochtenen Urteils ergeben, nicht hingegen aus seinen Gründen oder der Art und Weise seines Zustandekommens. Ein freisprechendes Urteil kann der Angeklagte mithin weder mit der Sach- noch mit der Verfahrensrüge angreifen.
2. Liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Nr. 2 StrEG vor, trifft das Beschwerdegericht eine eigene Ermessensentscheidung. An seiner anderslautenden Auffassung in NJW 1974, 374, hält der Senat nicht mehr fest.
3. Zu den bei der Ermessensausübung nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 StrEG bedeutsamen Gesichtspunkten.
4. Zur Fassung der Entscheidungsformel im Falle des § 1 Abs. 1 StrEG.
Normenkette
StGB § 20; StrEG § 1 Abs. 1, § 6 Abs. 1 Nr. 2
Verfahrensgang
LG Detmold (Entscheidung vom 11.04.2012; Aktenzeichen 4 Ns 117/11) |
Tenor
1.
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der 1. kleinen Strafkammer II des Landgerichts Detmold vom 11. April 2012 wird auf Kosten des Angeklagten als unzulässig verworfen.
2.
Auf die sofortige Beschwerde des Angeklagten wird die in dem vorbezeichneten Urteil getroffene Entscheidung über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen aufgehoben.
Der Angeklagte ist für den durch die im Wiederaufnahmeverfahren fortgefallene Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten wegen falscher
Verdächtigung (Urteil des Amtsgerichts Paderborn vom 25. April 2008
[23 Ds 262 Js 422/07 - 1336/07] in Verbindung mit dem Urteil des Landgerichts Paderborn vom 3. September 2008 [3 Ns 103/08] und dem Beschluss des Oberlandesgerichts Hamm vom 18. Dezember 2008 [4 Ss 526/08]) erlittenen Schaden aus der Staatskasse zu entschädigen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie die dem Angeklagten im
Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.
Gründe
I.
Der Angeklagte führt nach den Feststellungen in dem angefochtenen Urteil “seit Jahren einen Kleinkrieg mit Schornsteinfegern, den zuständigen Bauordnungsämtern und der Justiz„. Das Amtsgericht Paderborn verurteilte den Angeklagten am 25. April 2008 wegen einer am 30. März / 2. April 2007 begangenen falschen Verdächtigung zum Nachteil eines Bezirksschornsteinfegermeisters zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten, deren Vollstreckung das Amtsgericht zur Bewährung aussetzte. Die hiergegen gerichtete Berufung des Angeklagten verwarf das Landgericht Paderborn mit Urteil vom 3. September 2008, die Revision des Angeklagten verwarf das Oberlandesgericht Hamm mit Beschluss vom 18. Dezember 2008. Weder das Amts- noch das Landgericht Paderborn erörterten in den Gründen ihrer Urteile die Frage der Schuldfähigkeit des Angeklagten.
Der Angeklagte erhielt die Bewährungsauflage, 100 Stunden gemeinnütziger Arbeit zu leisten, und wurde für die Dauer der Bewährungszeit der Aufsicht und Leitung
eines Bewährungshelfers unterstellt. In der Folgezeit hielt er keinen Kontakt zu
seinem Bewährungshelfer und erfüllte die ihm erteilte Arbeitsauflage nicht einmal teilweise. Er war von der Unrichtigkeit der Verurteilung überzeugt. Das Amtsgericht Paderborn widerrief daraufhin mit Beschluss vom 15. April 2010 die Strafaussetzung zur Bewährung. Der Angeklagte verbüßte in der Folgezeit einen Teil der viermonatigen Freiheitsstrafe.
Auf Antrag des Angeklagten ordnete das Landgericht Detmold mit Beschluss vom 2. September 2011 die Wiederaufnahme des Verfahrens an, soweit der Angeklagte sein Wiederaufnahmegesuch darauf gestützt hatte, er sei zum Zeitpunkt der Tatbegehung schuldunfähig im Sinne des § 20 StGB gewesen.
Mit dem angefochtenen Urteil vom 11. April 2012 hob das sachverständig beratene Landgericht Detmold die Verurteilung des Angeklagten auf und sprach ihn frei. In den Gründen des Urteils führte das Landgericht aus, es sei nicht auszuschließen, dass der Angeklagte zum Zeitpunkt der Tatbegehung schuldunfähig im Sinne des § 20 StGB gewesen sei. Nach den Ausführungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen bestehe bei dem Angeklagten wahrscheinlich seit den Jahren 2004/2005, möglicherweise sogar bereits seit dem Jahre 2001, in dem Lebensbereich, dem auch das vorliegende Verfahren angehöre (Auseinandersetzung mit Schornsteinfegern und daraus resultierende behördliche und gerichtliche Verfahren), ein Querulantenwahn. Es gebe deutliche Hinweise darauf, dass der Angeklagte in diesem Wahn derart erstarrt sei, dass ihm jede Möglichkeit fehle, in diesem Lebensbereich sein Denken und Handeln steuern zu können, von außen kommende Reize oder von innen andrängende Impulse kognitiv zu bewerten, ihnen die Anforderungen der Realität entgegenzusetzen oder gar Alternativverhalten zu entwickeln, und dass er in keiner Weise mehr in der Lage sei, auch nur für einen kurzen Moment seine gedankliche Position zu ändern. Eine Entschädigung des Angeklagten für die in dieser Sache verbüßte Strafhaft lehnte das Landgericht unter Hinweis auf § 6 Abs. 1 Nr. 2 StrEG ab.
Mit seiner Revision gegen das vorbezei...