Leitsatz (amtlich)

1. Die Veräußerung von Hofgrundstücken zur Begleichung von Schulden führt auch dann zu Nachabfindungsansprüchen der weichenden Erben, wenn der Verkauf zwar unumgänglich ist, aber nicht ausreicht, um die wirtschaftliche Existenz des Hofes auf Dauer zu sichern.

2. Auf die Nachabfindungsansprüche sind Verbindlichkeiten anzurechnen, die im Zeitpunkt der Übertragung zwar nicht vom Hofeigentümer, aber vom Pächter als betriebliche Schulden begründet worden sind und zu deren Übernahme der Hofübernehmer verpflichtet ist.

 

Normenkette

HöfeO § 13 Abs. 1

 

Verfahrensgang

AG Coesfeld (Beschluss vom 22.02.2012; Aktenzeichen 2 Lw 43/10)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragstellerin vom 23.3.2012 wird der Beschluss des AG Coesfeld vom 22.2.2012 unter Zurückweisung ihres weiter gehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Dem Antragsgegner wird aufgegeben, an die Antragstellerin 100.180,15 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 8.5.2010 zu zahlen.

Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.

Von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten 1. Instanz tragen die Antragstellerin 60 % und der Antragsgegner 40 %. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten tragen die Antragstellerin zu 82,5 % und der Antragsgegner zu 17,5 %.

Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 181.581,19 EUR festgesetzt.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

A. Die Antragstellerin macht als weichende Erbin Nachabfindungsansprüche gem. § 13 HöfeO geltend.

Die Mutter der Antragstellerin und Großmutter des Antragsgegners, T, geb. am... (im Folgenden: Erblasserin), war Eigentümerin des im Grundbuch von Z1 Bl. 177 eingetragenen Hofes i.S.d. HöfeO. Aus ihrer ersten Ehe mit W (verst. am... 1965) sind die Kinder C (geb. am... 1951), die Antragstellerin, und W2 (geb. am... 1953) hervorgegangen. Die zweite Ehe der Erblasserin mit T2 (verst. am... 1998) war kinderlos. W2 ist verheiratet mit W3 (geb. am... 1955). Aus dieser Ehe sind fünf Kinder hervorgegangen. Der Antragsgegner W4 ist der zweitälteste Sohn.

Am 22.12.1975 schlossen die Eheleute T/T2 mit W2 einen Erbvertrag (UR-Nr. 994/1975 des Notars Dr. U2 in G1, vgl. Anlagenband), in dem sie diesen als Hoferben einsetzten. In § 5 des Vertrages wird festgestellt, dass die Antragstellerin bereits angemessen abgefunden sei.

Durch Vertrag vom 31.5.1985 (vgl. Anlagenband) verpachtete die Erblasserin den Hof in einer Größe von 58,6087 ha für die Zeit vom 1.7.1985 bis 30.6.1994 an ihren Sohn W2. Es wurde eine jährliche Pacht i.H.v. 19.200 DM vereinbart.

Am 16.3.1992 schloss die Antragstellerin mit der Erblasserin vor dem Notar Dr. U2 in G1 einen Pflichtteilsverzichts- sowie Abfindungsverzichtsvertrag (UR-Nr. 375/1992, Bl. 11 ff. d.A.) Darin erkannte die Antragstellerin an, aus dem mütterlichen Vermögen Leistungen i.H.v. 30.000 DM erhalten zu haben, die sie sich auf Abfindungsansprüche nach § 12 HöfeO anrechnen lasse. Ferner verzichtete sie unter der Voraussetzung der vertragsgerechten Zahlung des vereinbarten Abfindungsbetrages von weiteren 50.000 DM auf ihre höferechtlichen Abfindungsansprüche nach § 12 HöfeO. Außerdem wurde § 13 HöfeO in § 5 Ziff. 2.) des Vertrages wie folgt modifiziert:

"Sollte der künftige Hofeserbe ausgleichspflichtige Tatbestände i.S.d. § 13 Abs. 1 und/oder Abs. 4 der Höfeordnung verwirklichen und nicht gleichwertig reinvestieren, so verpflichte ich, die Beteiligte zu 2) (Anm. die Antragstellerin), mich gleichwohl Nachabfindungsansprüche nach § 13 der Höfeordnung nicht geltendzumachen, sofern der Hofeseigentümer mir gegenüber darlegt und nachweist, dass er den gesamten Erlös/Gegenwert aus den Veräußerungs-/Verwertungsmaßnahmen in Wirtschaftsgüter des steuerlichen Betriebsvermögens der Land- bzw. Forstwirtschaft reinvestiert hat."

Am 11.6.1992 ergänzten die Eheleute T/T2 sowie W2 und W3 den im Jahr 1975 geschlossenen Erbvertrag. Die Erblasserin setzte W3 als Ersatzerbin für den Fall ein, dass W2 sie als Hofeserbe nicht beerben könne oder wolle. W3 sollte dann befreite Vorerbin sein und eines der fünf aus deren Ehe mit W2 hervorgegangenen Kinder Nacherbe werden (vgl. Anlagenband).

Am 2.1.1995 trat W3, die den Hof weiter bewirtschaftete, an Stelle ihres Ehemannes in den Pachtvertrag ein. W2 übte in der Folge eine landwirtschaftsfremde Tätigkeit aus. Der Pachtvertrag wurde bis zum 30.6.2006 verlängert; die monatlich zu zahlende Pacht betrug 1.600 DM.

Durch notariellen Vertrag vom 9.1.1995 (UR-Nr. 106/1995 des Notars Dr. U2 in G1, Bl. 71 ff. d.A.) änderten die Eheleute T/T2 sowie W2 und W3 den Erbvertrag dahingehend ab, dass die Erblasserin W3 zur befreiten Vorerbin und den Antragsgegner zum Nacherben einsetzten.

Am 31.8.1999 schloss die Erblasserin mit W2 und W3 sowie dem Antragsgegner einen Hofübertragungsvertrag (Bl. 15 ff. d.A.). Gemäß § 4 übertrug die Erblasserin den Hof mit allen Aktiva und Passiva im Wege der vorweggenommenen Erbfolge unentgeltlich auf den Antragsgegner. Als Stichtag des wirts...

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