Leitsatz (amtlich)

1. Bei einer Klage auf wiederkehrende Leistung führen die nach Klageerhebung fällig gewordenen Beträge nicht zu einer Erhöhung des Streitwerts.

2. Dies gilt auch dann, wenn der Anspruch auf wiederkehrende Leistungen nicht von vornherein im Wege der Leistungsklage, sondern zunächst über eine Feststellungsklage geltend gemacht und die Klage im Laufe des Rechtsstreits auf einen Leistungsantrag umgestellt wird, der die fälligen Renten für die Vergangenheit beziffert.

 

Normenkette

ZPO § 9; GKG §§ 42, 40, 48

 

Verfahrensgang

LG Münster (Aktenzeichen 115 O 182/11)

 

Tenor

Auf die Gegenvorstellung der Beklagten wird der Streitwertbeschluss des Senats vom 16.09.2016 abgeändert.

Der Streitwert wird für die erste und zweite Instanz auf bis zu 50.000,00 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Kläger hat in erster Instanz zunächst die Feststellung beantragt, dass die Beklagte verpflichtet sei, ihm Versicherungsschutz aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung aufgrund der vor Klageerhebung eingetretenen Berufsunfähigkeit zu leisten.

Später hat der Kläger die Klage teilweise umgestellt und im Hinblick auf die zu diesem Zeitpunkt bereits fälligen und die zukünftigen Berufsunfähigkeitsrenten Leistungsanträge gestellt. Daneben hat er im Hinblick auf den Anspruch auf Beitragsfreistellung weiter Feststellung beantragt.

Die Beklagte hat gegen ihre antragsgemäße Verurteilung Berufung eingelegt, welche der Senat im Wesentlichen zurückgewiesen hat.

Mit dem beanstandeten Streitwertbeschluss hat der Senat den Streitwert sowohl für das Berufungsverfahren als auch - insoweit abändernd - für die erste Instanz im Hinblick auf die Leistungsanträge wegen rückständiger Leistungen nach der Summe der Berufsunfähigkeitsrenten bemessen, die zum Zeitpunkt der Klageumstellung rückständig waren und dies damit begründet, dass mit der Umstellung ein neuer Streitgegenstand im Sinne des § 40 GKG rechtshängig geworden sei, so dass es für die Wertberechnung auf diesen Zeitpunkt ankomme.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Gegenvorstellung der Beklagten, mit der sie geltend macht, dass der Streitgegenstand der Leistungsanträge mit dem des ursprünglichen Feststellungsantrags identisch sei, weshalb lediglich die zum Zeitpunkt der Klageerhebung rückständigen Renten für die Wertberechnung relevant seien.

II. Die Gegenvorstellung ist begründet.

Der Streitwert bestimmt sich im Hinblick auf die Leistungsanträge sowohl für die Berufung als auch für die erste Instanz nach dem Wert der für die Zukunft begehrten Renten zzgl. der Rentenrückstände, die bei Klageerhebung bereits fällig waren. Hinzuzusetzen ist der Wert des weiterhin im Wege der Feststellungsklage geltend gemachten Anspruchs auf Beitragsbefreiung.

1. Mit der Berufung wendet sich die Beklagte gegen ihre Verurteilung zur Leistung von Berufsunfähigkeitsrenten sowohl für den Zeitraum seit März 2011 als auch für die Zukunft bis längstens zum 30.11.2038 sowie gegen die Feststellung, dass sie den Kläger seit März 2011 bis längstens zum 30.11.2038 von der Beitragszahlung zu befreien habe.

a) Der Wert der Verurteilung zur zukünftigen Rentenzahlung entspricht gem. § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG iVm § 9 Satz 1 ZPO dem dreieinhalbfachen Jahresbetrag. Bei einer vierteljährlich zu zahlenden Rente von 2.700,00 Euro ergibt dies einen Wert von 37.800,00 Euro, der nach Umstellung von der Feststellungs- zur Leistungsklage in voller Höhe zu berücksichtigen ist.

b) Diesem Wert sind gem. § 42 Abs. 3 Satz 1 GKG die bei Klageeinreichung bereits fälligen Renten hinzuzurechnen (Zöller/Herget, ZPO 31. Aufl. 2016, § 9 Rn. 6).

Nach dem angefochtenen Urteil waren bei Einreichung der Klageschrift vom 26.09.2011 Renten seit März 2011 fällig. Daraus ergab sich ein fälliger Betrag von 6.300,00 Euro (900,00 Euro anteilig für März 2011, zzgl. 2.700,00 Euro jeweils für April und Juli 2011).

c) Entgegen dem Senatsbeschluss vom 16.09.2016 sind die im Laufe des Rechtsstreits fällig gewordenen und erst mit Leistungsantrag vom 06.08.2015 bezifferten Renten nicht hinzuzurechnen.

Nach erneuter Prüfung des Senats gilt hierzu nämlich Folgendes:

Bei einer Klage auf wiederkehrende Leistung führen die nach Klageerhebung fällig gewordenen Beträge nicht zu einer Erhöhung des Streitwerts.

Der feste Bewertungsmaßstab von § 9 ZPO würde untergraben, wenn dem dreieinhalbfachen Jahresbetrag auch die im Laufe des Rechtsstreits fällig gewordenen Renten hinzuzurechnen wären, sobald der Kläger diese gesondert geltend macht. Die Bezifferung der fällig gewordenen Renten stellt nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nur eine Äußerlichkeit dar, die am wirtschaftlichen Interesse des Klägers nichts ändert (BGH, Beschluss vom 06.05.1960 - V ZR 148/59 -, Rn. 7, juris; Beschluss vom 02.10.1996 - IV ZR 53/96 -, Rn. 3; Beschluss vom 25.06.2008 - II ZR 179/07 -, Rn. 2, juris).

Dies gilt auch dann, wenn der Anspruch auf wiederkehrende Leistungen nicht von vornherein im Wege der Leistungsklage, sondern zunächst über eine Feststellungsklage geltend gemacht und die Klage im Laufe des Rechtsstr...

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