Entscheidungsstichwort (Thema)

Partieller Sorgerechtsentzug. Elterliche Sorge: Partieller Sorgerechtsentzug bei Kindesmißhandlung

 

Leitsatz (redaktionell)

Voraussetzungen eines partiellen Entzuges des mütterlichen Sorgerechts mit der notwendigen Folge der Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge auf den Vater.

 

Normenkette

BGB §§ 1666, 1666a, 1680

 

Verfahrensgang

AG Herne-Wanne (Beschluss vom 21.12.2007; Aktenzeichen 2 F 108/07)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1.) wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Herne-Wanne vom 21.12.2007 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 10.3.2008 wie folgt abgeändert und insgesamt neu gefasst:

Der Beteiligten zu 1.) wird das Aufenthaltsbestimmungsrecht, das Recht der Gesundheitssorge sowie das Recht, Maßnahmen nach dem SGB VIII zu beantragen, für die Kinder N F, geb. am 14.10.2004, und Q F, geb. am 30.3.2006, entzogen; der weitergehende Antrag der Beteiligten zu 3.) wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erstattet.

Geschäftswert für die Beschwerde: 3.000 EUR.

 

Gründe

I. Die 1980 geborene Kindesmutter, die Beteilige zu 1.), ging am 6.7.2004 die Ehe mit C D-F, dem Beteiligten zu 2.), ein. Am 14.10.2004 wurde die Tochter N F, geboren, die an Mukoviszidose leidet. Sie und die am 30.3.2006 geb. Q stammen nach Angaben der Mutter, denen der Beteiligte zu 2.) nicht widerspricht, von T D1-H ab. Spätestens im Laufe des Jahres 2006 freundete sich die Kindesmutter mit dem 1985 geborenen C1 L an, der später regelmäßig in der Ehewohnung in der G-Straße in I verkehrte. Im Frühjahr 2007 soll der Beteiligte zu 2.) "endgültig" die Ehewohnung verlassen haben. Erst seit dieser Zeit will die Kindesmutter mit L dauerhaft zusammen gelebt haben, von dem sie sich im Herbst 2008 trennte. Ein Scheidungsverfahren ist bislang nicht anhängig.

Nach eigener Bekundung der Kindesmutter stellte sie in der Nacht vom 23. auf den 24.12.2006 fest, dass Q "mit erheblichen Schwellungen und blauen Flecken im Nacken hinter beiden Ohren, unter dem rechten Auge und an der Stirn im Bett saß" und schrie. Sie stellte das Kind daraufhin dem Kinderarzt Dr. O, dem Vertreter der Kinderärztin Dr. W, vor, der den Verdacht auf Kindesmisshandlung äußerte. N wurde am 30.1.2007 wegen einer Unterarmfraktur im N1-Hospital in I behandelt. Am 16.5.2007 brachte die Kindesmutter N wegen einer Oberschenkel-Fraktur oberhalb des rechten Knies erneut in das N1-Hospital. Die behandelnde Ärztin Dr. med. C2 teilte dem Jugendamt mit, die Mutter habe für diese Verletzung keine plausible Erklärung vorgebracht. Daraufhin nahm das Jugendamt N in Obhut, leitete eine rechtsmedizinische Untersuchung ein und stellte am 23.5.2007 den Antrag, der Kindesmutter die elterliche Sorge im Wege einstweiliger Anordnung für beide Töchter zu entziehen. Q gelangte im Wege der Inobhutnahme alsbald zu einer Pflegefamilie, seit Ende 2007 in eine Dauerpflegefamilie. N wurde wegen der Mukoviszidose im T-K-Hospital in C bis zum 13.6.2007 weiter behandelt. Sie lebte zunächst bis zum 8.2.2008 in einer ersten und alsdann bis zum 12.6.2008 in einer zweiten Bereitschaftspflegefamilie. Mit Beschluss vom 24.5.2007 hat das Familiengericht der Stadt I im Wege der einstweiligen Anordnung das Aufenthaltsbestimmungsrecht und die Personensorge übertragen.

Mit Schriftsatz vom 11.7.2007 hat die Stadt I beantragt, beiden Kindeseltern die gesamte elterliche Sorge für die Kinder N und Q zu entziehen (§§ 1666, 1666a BGB) und sie dem Jugendamt als Vormund zu übertragen.

Die Beteiligte zu 1.) ist diesem Antrag entgegen getreten; der Beteiligte zu 2.) ist am Sorgerechtsverfahren nicht beteiligt worden.

Das Familiengericht hat ein ergänzendes rechtsmedizinisches Gutachten im Hinblick auf die Erklärungen der Mutter zu den Verletzungsursachen eingeholt. Mit Beschluss vom 21.12.2007, fälschlich im Titel der Entscheidung als "Einstweilige Anordnung" überschrieben und insofern mit Beschluss vom 10.3.2008 berichtigt, hat das Familiengericht lediglich der Kindesmutter die elterliche Sorge für beide Töchter entzogen und auf das Jugendamt der Stadt I als Vormund übertragen.

Gegen diesen Beschluss hat die Kindesmutter unter dem 31.12.2007 eingehend Beschwerde eingelegt. Nach Zugang des Berichtigungsbeschlusses hat die Kindesmutter erneut Beschwerde eingelegt. Sie bestreitet, die Kinder misshandelt zu haben. Weder ihr noch "dem Vater" sei eine Misshandlung nachzuweisen. Die beiden Kinder sollten zusammen aufwachsen. Da sie unter der "erhöhten Kontrolle" des Jugendamts stehe, sei auch die Gefahr einer künftigen Misshandlung "nahezu ausgeschlossen". Sie verweist darauf, dass das aufgrund des Oberschenkelbruchs N eingeleitete Strafverfahren gegen sie und L wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen (StA C Az. 210 Js 583/07) am 30.6.2008 mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt worden ist.

Seit dem 13.6.2008 befindet sich N in einer Dauerpflegefamilie, einer sog. Sonderpädagogischen Pflegestelle, in der Grafschaft C2.

Der Senat hat die Beteiligte...

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