Entscheidungsstichwort (Thema)

Gebäudeversicherung: Neuwertspitze

 

Leitsatz (amtlich)

Zur (hier verneinten) Frage, ob im Sinne der Bedingungen eine "Sicherstellung" der Wiederherstellung vorliegt, wenn bereits einige Wiederherstellungsarbeiten erfolgt sind (und der Versicherungsnehmer "verschuldet" ist).

 

Verfahrensgang

LG Bielefeld (Aktenzeichen 18 O 131/16)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 25.10.2018 verkündete Urteil der 18. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Der Vollstreckungsschuldner darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

 

Gründe

I. Der Kläger nimmt die Beklagte auf Zahlung einer restlichen Versicherungsleistung nach einem Brandschaden in Anspruch.

Der Kläger und seine Ehefrau waren Eigentümer eines Hauses in der X-Straße ... in C. Für das Haus bestand bei der Beklagten eine Wohngebäudeversicherung zum Neuwert. Dem Vertrag lagen die "Allgemeinen Bedingungen für die Dynamische Gebäudeversicherung des Gewerbes und Freier Berufe" (Anlagenband, im Folgenden: AGGF 98) zugrunde. § 19 AGGF 98 lautet auszugsweise:

§ 19 Entschädigungsberechnung; Naturalersatz - Entschädigung in Geld; Unterversicherung

[...]

11. Ist in der Versicherung gemäß §§ 1 - 5 der Neuwert [...] der Versicherungswert, so erwirbt der Versicherungsnehmer auf den Teil der Entschädigung, der den Zeitwertschaden übersteigt, einen Anspruch nur, soweit und sobald er innerhalb von drei Jahren nach Eintritt des Versicherungsfalles sichergestellt hat, dass er die Entschädigung verwenden wird, um

a) Gebäude in gleicher Art und Zweckbestimmung an der bisherigen Stelle wiederherzustellen; [...]

Am 12.02.2013 kam es zu einem Brandschaden, bei dem das versicherte Gebäude erheblich beschädigt und die Ehefrau des Klägers, deren alleiniger Erbe er ist, getötet wurde. Die Beklagte zahlte an den Kläger den von ihr ermittelten Zeitwertschaden in Höhe von 202.244,- EUR sowie Schadensminderungskosten und Mietausfall.

Mit seiner Klage hat der Kläger in erster Instanz die Zahlung von Abbruch- und Aufräumkosten in Höhe von 15.452,- EUR, die Zahlung der Differenz zwischen dem von der Beklagten ermittelten Neuwert (394.560,- EUR) und dem bereits an ihn gezahlten Zeitwertschaden ("Neuwertspitze") sowie die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten verlangt. Er ist der Auffassung, ihm stehe ein Anspruch auf Zahlung in Höhe des Neuwertes des durch den Brand beschädigten Gebäudes zu.

Das Landgericht hat die Beklagte unter Klageabweisung im Übrigen zur Zahlung der Abbruch- und Aufräumkosten von 15.452,- EUR verurteilt. Zur Begründung hat es ausgeführt: Dem Kläger stehe ein Anspruch auf die geltend gemachten Abbruch- und Aufräumkosten zu, ohne dass es darauf ankomme, ob diese tatsächlich entstanden seien. Ein Anspruch auf Zahlung der "Neuwertspitze" bestehe aber nicht, da die Anforderungen der strengen Wiederherstellungsklausel in § 19 Nr. 11 AGGF 98 nicht erfüllt seien.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes in erster Instanz und wegen des Inhalts der vom Landgericht getroffenen Entscheidung wird auf dessen Urteil vom 25.10.2018 (GA 210 ff.) verwiesen.

Mit der Berufung verfolgt der Kläger seinen Anspruch auf Zahlung der "Neuwertspitze" weiter. Er ist weiterhin der Ansicht, dass eine Wiederherstellung im Sinne von § 19 Nr. 11 AGGF 98 sichergestellt sei. Dies erfordere keine absolute Sicherheit, sondern nur Vorkehrungen, die keine vernünftigen Zweifel an der Wiederherstellung aufkommen ließen. Diese Voraussetzung sei hier erfüllt. Der Kläger habe bereits eine Baugenehmigung beantragt und erhalten. Ferner habe er bereits erhebliche Teile der Wiederherstellungsarbeiten in Eigenleistung durchgeführt und dadurch seinen Willen zur vollständigen Wiederherstellung zum Ausdruck gebracht. Verbindliche Verträge über die noch ausstehenden Arbeiten habe der Kläger wegen seiner finanziellen Situation nicht abschließen und deshalb auch die erforderlichen Materialien noch nicht beschaffen können. Wegen der Berufungsbegründung im Einzelnen wird verwiesen auf den Schriftsatz des Klägers vom 12.03.2019 (GA 310 ff.).

Der Klägerin beantragt in Abänderung des angefochtenen Urteils,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 192.275,- EUR "nebst fünf Prozentpunkten Zinsen hieraus seit dem 12.03.2016" sowie ferner vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.819,46 EUR "nebst fünf Prozentpunkten Zinsen hieraus seit dem 12.03.2016" zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angegriffene Entscheidung.

Der Senat hat durch Beschluss vom 17.05.2019 - nach Gewährung von Wiedereinsetzung in die Berufungseinlegungs- und -begründungsfrist (GA 342 ff.) - darauf hingewiesen, dass er beabsichtige, die Berufung gemäß § 522 Abs...

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