Entscheidungsstichwort (Thema)
Unterhaltsanspruch eines volljährigen querschnittsgelähmten Kindes
Leitsatz (amtlich)
Zum Unterhaltsanspruch eines volljährigen Kindes, das querschnittsgelähmt ist, eine vom Arbeitsamt finanzierte Ausbildung zum Bürokaufmann in einem Berufsbildungswerk absolviert und dort wochentags wohnt und versorgt wird.
Normenkette
BGB §§ 1601 ff.
Verfahrensgang
AG Hamm (Beschluss vom 25.10.2004; Aktenzeichen 33 F 301/04) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des AG - FamG - Hamm vom 25.10.2004 abgeändert.
Dem Antragsteller wird ab Antragstellung ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt K. aus Hamm bewilligt.
Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I. Der am 26.4.1980 geborene Antragsteller ist ledig und Sohn des Antragsgegners. Der Antragsteller ist von Geburt an querschnittsgelähmt und sitzt im Rollstuhl. Er ist auf permanente Unterstützung und Hilfestellung angewiesen. Seit August 2002 absolviert er eine Berufsausbildung in der "Evangelischen Stiftung V." in W. zur Ausbildung als Bürokaufmann. Der Antragsteller lebt während der Woche in der Einrichtung in V. Die Kosten werden vom Arbeitsamt übernommen. An den Wochenenden und in den Schulferien sowie während der Zeit von Erkrankungen lebt der Antragsteller im Haushalt seiner Mutter und wird dort von ihr betreut und versorgt. An Leistungen des Arbeitsamtes hat der Antragsteller in der Zeit vom 14.8.2002 bis zum 13.8.2004 monatlich 47 EUR erhalten. In der Zeit vom 14.8.2004 bis zum 13.2.2005 wird er monatlich 75 EUR vom Arbeitsamt erhalten.
Der Antragsteller beantragt Prozesskostenhilfe für Unterhaltsrückstände ab Oktober 2002 für 22 Monate zu je 295 EUR und ab 1.8.2004 Unterhalt i.H.v. monatlich 295 EUR. Dabei legt der Antragsteller ein monatliches Nettoeinkommen des Antragsgegners von 1.923,06 EUR zugrunde und berechnet nach der Düsseldorfer Tabelle einen Bedarf von monatlich 419 EUR. Unter Abzug des halben Kindergeldanteils von 77 EUR und der monatlichen Leistung des Arbeitsamtes von 47 EUR rechnet der Antragsteller einen monatlichen Unterhaltsanspruch i.H.v. 295 EUR.
Das AG hat den Prozesskostenhilfeantrag mit der Begründung zurückgewiesen, dass der Bedarf des Antragstellers durch die Leistungen des Arbeitsamtes sowie durch die Anrechnung des Kindergeldes gedeckt sei. Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit der sofortigen Beschwerde und macht geltend, dass gerade wegen seiner Behinderung erhöhte Aufwendungen, u.a. für Medikamente, Selbstbeteiligung an einem Rollstuhl und berufsbedingte Fahrtkosten, entstünden.
II. Die gem. § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO zulässige Beschwerde ist begründet, da die beabsichtigte Rechtsverfolgung des Antragstellers gem. § 114 ZPO hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Davon, dass der Unterhaltsanspruch gem. §§ 1601 ff. BGB dem Grunde nach besteht, geht auch das AG aus. Es sieht jedoch den Bedarf des Antragstellers durch die Leistungen des Arbeitsamtes und durch das Kindergeld als gedeckt an. Dem folgt der Senat nicht. Vielmehr ergibt sich nach Auffassung des Senats folgende Berechnung:
1. Zunächst ist von dem Bedarf für volljährige Kinder auszugehen. Gemäß Ziff. 13.1.1 der Hammer Leitlinien (HLL) erhalten volljährige Kinder, die noch im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils leben, wenn keine besonderen Umstände vorliegen, den Tabellenbetrag der 4. Altersstufe. Ihr Bedarf bestimmt sich nach dem zusammengerechneten Einkommen der Eltern aus der Unterhaltstabelle, und zwar ohne Abzug wegen doppelter Haushaltsführung.
Dabei folgt der Senat der Auffassung des AG, dass der angemessene Selbstbehalt der Mutter hier - wegen der von ihr erbrachten Pflegeleistungen - um 120 EUR zu erhöhen ist. Es ist demnach nur das Nettoeinkommen des Antragsgegners i.H.v. 1.923 EUR zu Grunde zu legen. Geht man weiter zu Gunsten des Antragsgegners von der Einkommensgruppe 4 aus, so ergibt sich bis Juni 2003 ein Betrag von 377 EUR und ab dem 1.7.2003 ein Betrag von 396 EUR.
2. Als besonderer Umstand i.S.v. Ziff. 13.1.1 der HLL kommt hier der infolge der Behinderung des Antragstellers verursachte Mehrbedarf hinzu. Macht das Kind den Mehrbedarf geltend, muss es konkret darlegen und nachweisen, worin dieser Mehrbedarf besteht und warum er unterhaltsrechtlich berechtigt ist. Die zusätzlichen Aufwendungen sind für den in Betracht kommenden Zeitraum detailliert und nachvollziehbar aufzuschlüsseln (vgl. Wendl/Staudigl/Scholz, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 6. Aufl., § 2 Rz. 322, m.w.N.). Nach dem Vorbringen des Antragstellers entsteht folgender Mehrbedarf:
a) Fahrtkosten für die Fahrten zum Berufsbildungswerk.
Die einfache Fahrstrecke zwischen dem Berufsbildungswerk in W. und der Wohnung der Kindesmutter beträgt 54 km, wie sich aus einem Routenprogramm ergibt. Daraus errechnen sich monatliche Kosten i.H.v. 2 × 54 km × 2 (pro Woche) × 4,3 (pro Monat) × 0,24 EUR = 222,91 EUR im Monat.
b) An zusätzlic...