Leitsatz (amtlich)
Für eine isolierte Klage auf Feststellung, dass der Berufsunfähigkeitsversicherungsvertrag nicht durch Anfechtung und/oder Rücktritt erloschen ist, besteht auch dann ein Rechtsschutzbedürfnis, wenn der Versicherte behauptet, berufsunfähig zu sein, und deshalb Leistungsklage erheben könnte.
Verfahrensgang
LG Detmold (Beschluss vom 13.02.2012; Aktenzeichen 9 O 198/11) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss der Zivilkammer IV des LG Detmold vom 13.2.2012 wird abgeändert.
Dem Antragsteller wird Prozesskostenhilfe bewilligt.
Ihm wird Rechtsanwalt aus Hamm beigeordnet.
Raten aus Einkommen oder Vermögen werden nicht festgesetzt.
Gründe
I. Der Antragsteller begehrt Prozesskostenhilfe für eine Klage gegen seinen Versicherer auf Feststellung, dass der von ihnen geschlossene Vertrag über eine Risiko-Lebensversicherung nebst Berufsunfähigkeitszusatzversicherung fortbesteht und nicht durch Rücktritt oder Anfechtung erloschen ist. Das LG hat dieses Prozesskostenhilfegesuch mangels Erfolgsaussicht der beabsichtigten Klage abgelehnt. Die isolierte Feststellungsklage sei mangels Feststellungsinteresses unzulässig, weil der Antragsteller im Hinblick auf die von ihm behauptete Berufsunfähigkeit direkt auf Leistung klagen könne. Im Rahmen dieses Verfahrens sei dann als Vorfrage zu klären, ob seitens des Versicherers Anfechtung und/oder Rücktritt wirksam erklärt worden seien.
II. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde des Antragstellers vom 1.3.2012 ist zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt, und auch in der Sache selbst begründet. Das ergibt sich aus Folgendem:
1. Einer Partei, die nach ihren wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält nach § 114 Satz 1 ZPO Prozesskostenhilfe, wenn ihre Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
2. Die beabsichtigte Klage ist zulässig.
Es besteht auch ein Rechtsschutzbedürfnis für die isolierte Klage auf Feststellung, dass der zwischen den Beteiligten geschlossene Versicherungsvertrag fortgilt und nicht durch Anfechtung oder Rücktritt erloschen ist.
Der Kläger kann nicht auf eine Leistungsklage verwiesen werden, da eine solche Klage nicht zwingend die Vorfrage klärt, ob der Versicherungsvertrag noch fortbesteht oder nicht. Würde z.B. eine etwaige Leistungsklage mangels festgestellter Berufsunfähigkeit abgewiesen, so bliebe der Bestand des Versicherungsvertrags offen und es bestünde weiterhin ein rechtsschutzwürdiges Interesse des Versicherungsnehmers an der erstrebten Klarheit über dessen Fortgeltung, und zwar im Hinblick auf mögliche spätere Ansprüche aus diesem Versicherungsvertrag.
Auch bei erfolgreicher Leistungsklage würde nicht immer über die Wirksamkeit eines Rücktritts zu entscheiden sein. Der Versicherer ist nämlich trotz eines möglicherweise wirksamen Rücktritts dann zur Leistung verpflichtet, wenn sich die Verletzung der Anzeigepflicht auf einen Umstand bezieht, der weder für den Eintritt oder die Feststellung des Versicherungsfalles noch für die Feststellung oder den Umfang der Leistung des Versicherers von Bedeutung ist (§ 21 Abs. 2 Satz 1 VVG). In einem solchen Fall könnte also für die Entscheidung über den Leistungsantrag im Ergebnis offen bleiben, ob die Voraussetzungen eines Rücktritts vorliegen oder nicht.
Gegenüber der Zuständigkeit des angerufenen LG Detmold hat der Senat ebenfalls keine Bedenken, denn § 215 VVG neuer Fassung ist hier - anders als die Antragsgegnerin meint - anwendbar, weil es sich nicht um einen sog. Altvertrag (Vertragsschluss vor dem 1.1.2008) handelt. Es ist nämlich aufgrund des unwidersprochen gebliebenen Vortrags des Antragstellers davon auszugehen, dass ihm der Versicherungsschein vom 29.12.2007 und damit die Annahme seines Versicherungsantrags (vgl. dazu Rixecker in Römer/Langheid, VVG, 3. Aufl. 2012, § 3 Rz. 3) erst nach dem 31.12.2007 zugegangen ist.
Da die beabsichtigte Klage hat auch in der Sache selbst hinreichende Aussicht auf Erfolg i.S.v. § 114 Satz 1 ZPO hat und die wirtschaftlichen Voraussetzungen in der Person des Antragstellers erfüllt sind, war ihm insgesamt Prozesskostenhilfe zu bewilligen.
II. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, § 127 Abs. 4 ZPO.
Fundstellen
Haufe-Index 3267333 |
VersR 2013, 1148 |