Leitsatz (amtlich)
Auf einem Wirtschaftsweg muss ein Radfahrer grundsätzlich mit Fahrbahnunebenheiten rechnen. Stürzt er mit seinem Rad beim Durchfahren eines 50-60 cm langen, 8 cm tiefen Schlaglochs, das für ihn deutlich zu erkennen und gefahrlos zu umfahren war, stellt das Schlagloch keine Gefahrenstelle dar, vor der der Verkehrssicherungspflichtige warnen oder die er beseitigen muss.
Normenkette
BGB §§ 249, 253, 839; GG Art. 34; StrWG NRW §§ 9, 9a, 47
Verfahrensgang
LG Bochum (Aktenzeichen 5 O 134/20) |
Tenor
Der Senat weist nach Beratung darauf hin, dass er beabsichtigt, die Berufung des Klägers durch einstimmigen Beschluss gem. § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO zurückzuweisen.
Dem Kläger wird Gelegenheit gegeben, binnen 3 Wochen nach Zugang dieses Beschlusses zu dem Hinweis Stellung zu nehmen oder die Berufung aus Kostengründen zurückzunehmen.
Gründe
I. Der Kläger nimmt die beklagte Stadt nach einem Unfallereignis in ihrem Stadtgebiet vom 00.07.2019 in Anspruch. Der Kläger hat vor dem Landgericht behauptet, er sei am Unfalltag gegen Mittag mit seinem Fahrrad auf der Straße "J" in ein etwa in der Mitte der Straße gelegenes Schlagloch geraten und deshalb zu Fall gekommen. In der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht hat der Kläger ausgeführt, das Schlagloch sei 6 bis 8 cm tief und in seiner Fahrtrichtung 50 - 60 cm lang gewesen und habe im hinteren Bereich eine Abbruchkante aufgewiesen. Das Schlagloch sei wegen des Schattenwurfs für ihn nicht erkennbar gewesen. Er habe auch nicht mit einer Schadstelle gerechnet, da die Fahrbahn nahezu neuwertig gewesen sei. Rund drei Wochen vor seinem Unfall sei 60 m oberhalb der Unfallstelle ein weiterer Radfahrer zu Fall gekommen. Aber erst nach dem hier streitigen Unfall habe die Beklagte die Fahrbahn ausgebessert. Er habe durch den Sturz Prellungen und Schürfwunden erlitten, ferner seien sein Fahrrad und die getragene Kleidung beschädigt worden. Er hat deshalb vor dem Landgericht beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld von mindestens 2.500,00 EUR sowie Schadensersatz in Höhe von 903,00 EUR zu zahlen. Die Beklagte ist dem Klagebegehren entgegen getreten. Sie hat darauf verwiesen, dass es sich bei der Straße "J" um einen Wirtschaftsweg mit untergeordneter Verkehrsbedeutung handle, so dass jeder Verkehrsteilnehmer auch mit größeren Unebenheiten zu rechnen habe.
Das Landgericht hat die Klage nach persönlicher Anhörung des Klägers abgewiesen. Zur Begründung hat es unter Bezugnahme auf die allgemein geltenden Grundsätze zu Umfang und Reichweite der Straßenverkehrssicherungspflicht ausgeführt, eine Verletzung der der Beklagten obliegenden Verkehrssicherungspflicht könne nicht festgestellt werden. Selbst wenn das Schlagloch eine Tiefe von 8 cm gehabt hätte, wäre die Beklagte nicht verpflichtet gewesen, die schadhafte Stelle zu beseitigen. Die Verkehrssicherungspflicht beginne nach der herrschenden Rechtsprechung erst, wenn auf einer verkehrswichtigen Straße ein Schlagloch mit einer Tiefe von mindestens 15 cm vorhanden sei. Dass die Rechtsprechung dabei ihren Fokus auf den Kraftfahrzeugverkehr lege, während der Kläger mit dem Fahrrad gefahren sei, führe zu keinem anderen Ergebnis. Auch für Radfahrer sei ein Schlagloch mit einer Tiefe von bis zu 15 cm grundsätzlich beherrschbar. Die verminderte Stabilität des Zweirads werde durch die aufgrund der geringeren Geschwindigkeit bessere Über- und Voraussicht kompensiert. Ob es sich bei der Straße "J" um eine verkehrswichtige Straße handele, könne dahin stehen. Der Kläger müsse die Verhältnisse so annehmen, wie sie sich ihm darböten. Soweit der Kläger geltend mache, er habe das Schlagloch wegen der Lichtverhältnisse nicht erkennen können, hätte er gem. dem Sichtfahrgebot aus § 3 Abs. 1 S. 4 StVO seine Geschwindigkeit reduzieren müssen. Eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht ergebe sich auch nicht aus dem Umstand, dass sich etwa 60 m oberhalb der streitgegenständlichen Unfallstelle drei Wochen zuvor ein weiterer Unfall ereignet haben solle. Insoweit sei der Vortrag des Klägers vage und ohne Substanz geblieben.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit seiner Berufung.
Er macht geltend, entgegen der Annahme des Landgerichts sei das Schlagloch in der Mitte der Fahrbahn auch für einen sorgfältigen Radfahrer nicht rechtzeitig erkennbar gewesen. Bei seiner Entscheidung verkenne das Landgericht, da die Rechtsprechung zum Umfang der Verkehrssicherungspflicht wegen der zunehmenden Bedeutung des Radverkehrs anzupassen sei. Das unfallursächliche Schlagloch hätte aufgrund seiner Größe schon Monate vor dem Unfallereignis durch Mitarbeiter der Beklagten entdeckt und beseitigt werden müssen, zumindest hätten Warnhinweise angebracht werden müssen. Ferner habe das Landgericht die erforderlichen Beweise zur Klärung des Sachverhalts nicht erhoben.
Er beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des angefochtenen Urteils zu verurteilen, an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld sowie weitere 903,00 EUR zu zahlen.
Die Beklagte b...