Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftpflichtversicherung: "vorweggenommene Deckungsklage" des Geschädigten und Schadensersatzanspruch gegen den Haftpflichtversicherer
Leitsatz (amtlich)
Wenn ein Schadensersatzanspruch des Haftpflichtversicherungsnehmers gegen den Versicherer in Rede steht (und nicht ein vertraglicher Anspruch auf Versicherungsleistung), gelten nicht die Grundsätze über die - dem Geschädigten in Ausnahmefällen zustehende - vorweggenommene Deckungsklage. Der Geschädigte kann einen solchen Schadensersatzanspruch, wenn nicht eine Abtretung oder ein sonstiger Anspruchsübergang erfolgt ist, nicht gegen den Haftpflichtversicherer geltend machen.
Verfahrensgang
LG Münster (Aktenzeichen 115 O 177/21) |
Tenor
Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gemäß § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO zurückzuweisen.
Es wird Gelegenheit gegeben, binnen drei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses Stellung zu nehmen.
Gründe
I. Der Eigentümer eines Grundstücks (im Folgenden: Geschädigter) errichtete einen Stall, für den er bei der Klägerin eine Gebäudeversicherung nahm. Mit Arbeiten an der Lüftungsanlage des Stalls beauftragte er ein Elektrounternehmen, durch dessen Arbeiten nach der Behauptung der Klägerin ein Schaden entstand. Das Elektrounternehmen (im Folgenden: Schädiger), über dessen Vermögen zwischenzeitlich das Insolvenzverfahren eröffnet ist, unterhielt eine Betriebshaftpflichtversicherung bei dem Beklagten. Der Geschädigte und die Klägerin meldeten ihre (vermeintlichen) Ansprüche im Insolvenzverfahren an. Der Insolvenzverwalter des Schädigers gab etwaige Ansprüche aus dem Haftpflichtverhältnis frei.
Der Beklagte hat außergerichtlich erklärt, dass aus dem Haftpflichtverhältnis Deckungsschutz bis zu einer Summe von 1.000.000,00 EUR bestehe; in erster Instanz hat sie auszugsweise die Kopie eines entsprechenden Versicherungsscheins vorgelegt.
Die Klägerin hat die Feststellung begehrt, dass der Beklagte über einen Betrag von 1.000.000,00 EUR hinaus bis zu einem Betrag von 2.061.948,63 EUR aus dem Versicherungsvertrag mit dem Schädiger Versicherungsschutz zu gewähren habe. Hierzu hat sie behauptet, dass der Versicherungsvertrag eine höhere als die von dem Beklagten angegebene Versicherungssumme beinhalte. Sollte eine Obergrenze von 1.000.000,00 EUR vereinbart sein, ergäben sich höhere Ansprüche wegen einer fehlerhaften Beratung, weil der Beklagte den Schädiger nicht über die zu geringe Deckungssumme beraten habe.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Nach den vorgelegten Unterlagen sei die Deckung auf Schäden von 1.000,000,00 EUR begrenzt. Schadenersatzansprüche des Geschädigten gegen den Beklagten, die die Klägerin möglicherweise geltend machen könne, bestünden mangels Beratungsanlasses und mangels Beratungsverschuldens nicht.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin. Sie macht geltend, dass sie weiterhin davon ausgehe, dass sich aus dem Versicherungsvertrag eine Deckungsgrenze von mehr als 1.000.000,00 EUR ergebe. Hierzu beantragt sie, dem Beklagten aufzugeben, den Antrag auf Abschluss des Versicherungsvertrages, den Versicherungsschein, die Allgemeinen Versicherungsbedingungen, die ggf. vereinbarten Besonderen Versicherungsbedingungen sowie das Beratungsprotokoll über den Abschluss des Versicherungsvertrages vorzulegen. Sollte eine Deckungsgrenze von 1.000.000,00 EUR vereinbart sein, stehe dem Geschädigten wegen Beratungsverschuldens ein über diesen Betrag hinausgehender Deckungsanspruch zu.
II. Der Senat ist einstimmig davon überzeugt, dass die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung auf Grund mündlicher Verhandlung erfordern und eine mündliche Verhandlung auch sonst nicht geboten ist.
1. Die auf Feststellung gerichtete Klage, dass der Beklagte dem Geschädigten auch über den Betrag von 1.000,000,00 EUR hinaus bis zu einem Betrag von 2.061.948,63 EUR aus dem Versicherungsvertrag Versicherungsschutz zu gewähren hat, hat keinen Erfolg.
a) Es kann dahinstehen, ob die insoweit von der Klägerin erhobene Feststellungsklage als vorweggenommene Deckungsklage zulässig ist.
Außerhalb der Bereiche, in denen eine gesetzliche Pflicht zum Abschluss einer Haftpflichtversicherung besteht und in denen unter bestimmten Voraussetzungen ein Geschädigter gemäß § 115 VVG einen Direktanspruch gegen den Haftpflichtversicherer des Schädigers haben kann, stehen Ansprüche aus dem Deckungsverhältnis gegen den Versicherer nur dem Schädiger (und Haftpflicht-Versicherungsnehmer) zu. Das Deckungsverhältnis zwischen Versicherer und Schädiger und das Haftpflichtverhältnis zwischen dem Geschädigten und dem Schädiger sind streng voneinander zu trennen (vgl. zum Trennungsprinzip Langheid/Rixecker-Langheid, VVG, 7. Auflage 2022, § 100 Rn. 32 m.w.N.). Der Geschädigte kann daher außerhalb des Anwendungsbereichs des § 115 VVG gegen den Haftpflichtversicherer im Regelfall nur vorgehen, wenn er aufgrun...