Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen der groben Unbilligkeit zum Ausschluss des Versorgungsausgleichs nach fast 40-jähriger Ehe
Leitsatz (amtlich)
Zu den Anforderungen eines vollständigen oder teilweisen Ausschlusses des Versorgungsausgleichs wegen grober Unbilligkeit.
Normenkette
VersAusglG § 27
Verfahrensgang
AG Steinfurt (Beschluss vom 23.03.2011; Aktenzeichen 20 F 75/10) |
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den am 23.3.2011 ver-kündeten Beschluss des AG - Familiengericht - Steinfurt hinsichtlich der Entscheidung zum Versorgungsausgleich wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Antragstellerin auferlegt.
Gründe
I. Die Beteiligten streiten um den Ausschluss des Versorgungsausgleichs.
Der am 23.9.1943 geborene Antragsgegner und die am 27.9.1945 geborene Antragstellerin haben am 24.2.1971 geheiratet. Aus der Ehe sind die drei inzwischen erwachsenen Kinder L2 (geb. 10.1.1971), L (geb. 25.9.1978) und L3 (geb. 12.3.1983) hervorgegangen. Aus einer früheren Ehe hat der Antragsgegner weitere drei Kinder, zu denen jedoch kein Kontakt besteht. Die Beteiligten trennten sich im Februar 2005. Der Antrag auf Ehescheidung ist am 8.4.2010 zugestellt worden. Durch den angefochtenen Beschluss ist die Ehe der Beteiligten geschieden und der Versorgungsausgleich durchgeführt worden. Die Antragstellerin ist gelernte Krankenschwester und arbeitete zuletzt im Evangelischen Krankenhaus in Z1. Seit dem Jahr 2001 erhielt sie eine Rente wegen Erwerbsminderung aufgrund einer Sehschwäche. Seit dem 1.10.2005 bezieht sie eine Altersrente i.H.v. derzeit 1.141,36 EUR netto. Der Antragsgegner absolvierte eine Lehre zum Speditionskaufmann und eine Ausbildung zum Maschinenschlosser. Im Jahr 1987 begann er außerdem eine Ausbildung zum Koch, brach diese jedoch wieder ab. Von 1985 bis 1998 war er als Außendienstmitarbeiter für verschieden Firmen mit dem Vertrieb von Reinigungsmitteln beschäftigt. In der Zeit von 2003 bis zum Erreichen der Altersgrenze im Jahr 2008 war er arbeitslos. Seit dem 1.10.2008 bezieht er eine Altersrente und ergänzend Grundsicherung. Aus den Auskünften der Versorgungsträger geht hervor, dass die Antragstellerin während der Ehezeit Anwartschaften auf eine Monatsrente von 1.094,26 EUR erworben hat. Der Antragsgegner hat in der Ehezeit Anwartschaften auf eine monatliche Rente i.H.v. 497,97 EUR erworben.
Die Antragstellerin begehrt den Ausschluss des Versorgungsausgleichs. Zur Begründung hat sie vorgetragen, der Antragsgegner habe während der Ehe gegen seine Verpflichtung verstoßen, zum Familienunterhalt beizutragen. Er habe nicht gearbeitet, während sie - die Antragstellerin - neben ihrer Berufstätigkeit auch die Kinder versorgt habe. Zudem habe der Antragsgegner sie mehrfach körperlich und seelisch misshandelt. Es sei mehrmals zu Polizeieinsätzen in der Wohnung gekommen. Der Antragsgegner habe Schulden verursacht, für die sie aufkommen müsse. Er habe schließlich eine außereheliche Beziehung gehabt.
Das AG hat den Versorgungsausgleich in der Weise durchgeführt, dass es jeweils im Wege der internen Teilung zu Lasten des Anrechts der Antragstellerin 20,1151 Entgeltpunkte zugunsten des Antragsgegners und zu Lasten des Anrechts des Antragsgegners 9,1540 Entgeltpunkte zugunsten der Antragstellerin übertragen hat. Einen Ausschluss des Versorgungsausgleichs hat es abgelehnt. Ein solcher setze nach § 27 VersAusglG voraus, dass die Inanspruchnahme des Ausgleichspflichtigen grob unbillig sei. Hierbei seien strengere Maßstäbe als bei der Prüfung eines Verstoßes gegen Treu und Glauben anzulegen. Hinreichende Anhaltspunkte für einen Ausschluss des Versorgungsausgleichs seien von der Antragstellerin nicht vorgetragen worden. Ihre Behauptungen seien unsubstantiiert. Nur bruchstückhaft habe sie einzelne Vorfälle aus der 35 Jahre währenden Ehezeit, in der sie es hingenommen habe, dass der Antragsgegner nicht regelmäßig gearbeitet habe, vorgetragen. Zudem ergebe sich aus der eingeholten Rentenauskunft, dass der Antragsgegner doch berufstätig gewesen sei, wenn dies auch nicht durchgängig der Fall gewesen sei.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin. Sie trägt vor, das AG habe die Vorschrift des § 27 VersAusglG fehlerhaft angewandt. Es sei anerkannt, dass eheliches Fehlverhalten zum Ausschluss des Versorgungsausgleichs führen könne. Auch verbale Ausfälle und einzelne körperliche Attacken rechtfertigten den Ausschluss des Versorgungsausgleichs. Schließlich komme der Ausschluss auch in Betracht, wenn der Ausgleichsberechtigte es in vorwerfbarer Weise unterlassen habe, für eine eigene Alterssicherung zu sorgen. Hier seien mehrere dieser anerkannten Fallgruppen erfüllt. Der Antragsgegner habe während der Ehezeit nicht kontinuierlich gearbeitet und dadurch gegen seine Verpflichtung, zum Familienunterhalt beizutragen, verstoßen. Darüber hinaus habe er auch keinen Beitrag zur Kindererziehung und Haushaltsführung geleistet. Damit habe sich das AG nicht auseinandergesetzt. Weiterhin habe der Antra...