Leitsatz (amtlich)

1. a) Für den Vollstreckungserfolg im Sinne des § 90 Abs. 1 Ziff. 1 FamFG ist unerheblich, ob zuvor angeordnete Ordnungsmittel bereits vollzogen sind. Zahlungserleichterungen gemäß Art. 7 Abs. 1 S. 1 EGStGB hindern die Anordnung weiterer Vollstreckungsmittel (Ordnungsmittel oder unmittelbarer Zwang) nicht.

b) Die Anordnung unmittelbaren Zwangs setzt kein Verschulden voraus. § 89 Abs. 4 FamFG ist nicht anzuwenden.

c) Ist der Tatbestand des § 90 Abs. 1 FamFG erfüllt, so schrumpft das Entschließungsermessen des Gerichts regelmäßig auf Null.

2. a) Die Kindeswohlprüfung gemäß § 90 Abs. 2 S. 2 FamFG ist allein darauf gerichtet, ob die besonderen Auswirkungen des unmittelbaren Zwangs das Wohl des Kindes außergewöhnlich schwer beeinträchtigen.

b) Ein betroffenes Kind von weniger als vierzehn Jahren ist dazu persönlich anzuhören, wenn seine Neigungen, seine Bindungen oder sein Wille für die Auswahl des Vollstreckungsmittels von Bedeutung sind.

3. a) Der Erlass einer Durchsuchungsanordnung gemäß § 91 FamFG setzt nicht voraus, dass der Verpflichtete die Vollstreckung bereits verweigert hat.

b) Eine Durchsuchungsanordnung "gegen jeden Dritten" wäre nicht ausreichend bestimmt.

4. Sofortige Beschwerde gemäß § 87 Abs. 4 FamFG kann auch erhoben werden, um eine Verschärfung der Vollstreckungsmittel zu erreichen.

5. a) § 44 Abs. 1 IntFamRVG schränkt das Entschließungsermessen gemäß § 89 FamFG ein, nicht aber das Entschließungsermessen gemäß § 90 Abs. 1 FamFG.

b) Anordnung im Sinne des § 44 Abs. 2 und 3 IntFamRVG ist nicht das angeordnete Vollstreckungsmittel, sondern der zu vollstreckende Titel.

6. § 93 FamFG ist im Vollstreckungsverfahren gemäß Art. 42 Abs. 1 VO (EG) 2201/2003 nicht anzuwenden.

 

Normenkette

EGStGB Art. 7; FamFG § 87 Abs. 4, §§ 89-93, 159-160, 162; IntFamRVG § 44; EGV 2201/2003 Art. 42

 

Verfahrensgang

AG Hamm (Aktenzeichen 32 FH 5/18)

 

Tenor

I. 1. Auf die sofortige Beschwerde des Kindesvaters wird der Ordnungshaftbeschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Hamm vom 3./4.7.2019 aufgehoben.

Zur Vollstreckung der Verpflichtung der Kindesmutter aus der Entscheidung des Tribunal de Grande Instance de Toulouse vom 13.4.2018 (R.G. no. 17/20881), die am 00.00.2010 geborene B an den Kindesvater herauszugeben, wird unmittelbarer Zwang angeordnet. Der unmittelbare Zwang wird auch gegen das betroffene Kind B zugelassen. Das betroffene Kind B ist der Kindesmutter oder jedem Dritten wegzunehmen und dem Kindesvater oder seinem ausgewiesenen Vertreter an Ort und Stelle zu übergeben.

Zur Vollstreckung der Verpflichtung der Kindesmutter aus der Entscheidung des Tribunal de Grande Instance de Toulouse vom 13.4.2018 (R.G. no. 17/20881), die am 00.00.2012 geborene E an den Kindesvater herauszugeben, wird unmittelbarer Zwang angeordnet. Der unmittelbare Zwang wird auch gegen das betroffene Kind E zugelassen. Das betroffene Kind E ist der Kindesmutter oder jedem Dritten wegzunehmen und dem Kindesvater oder seinem ausgewiesenen Vertreter an Ort und Stelle zu übergeben.

Zur Vollstreckung der beiden vorgenannten Herausgabeverpflichtungen der Kindesmutter wird weiter angeordnet, dass die Wohnung der Kindesmutter im 2. Stockwerk rechts des Hauses M-Straße 00 in N nebst sämtlicher mitgenutzter Räumlichkeiten und Gelasse betreten und durchsucht wird.

Das weitergehende Rechtsmittel des Kindesvaters wird zurückgewiesen.

Die Wideranträge der Kindesmutter auf Feststellung, dass unmittelbarer Zwang gegen die Kindesmutter und die betroffenen Kinder zur Vollstreckung der unter Ziff. 1 genannten Herausgabeverpflichtungen der Kindesmutter nicht angewendet werden darf, werden zurückgewiesen.

2. Das Jugendamt der Stadt N wird ersucht, Unterstützung bei der Vollstreckung der unter Ziff. 1. genannten Herausgabeverpflichtungen der Kindesmutter zu leisten.

Der Senat weist ausdrücklich darauf hin,

a) dass die Ausübung der elterlichen Sorge für die betroffenen Kinder B und E von den zuständigen französischen Gerichten dem Kindesvater allein zugesprochen ist;

b) dass die Kindesmutter deshalb auch zur Herausgabe der betroffenen Kinder B und E an den Kindesvater vollstreckbar verpflichtet ist;

c) dass abweichende Entscheidungen deutscher Gerichte der Vollstreckung dieser Herausgabeverpflichtungen nicht entgegengehalten werden könnten.

3. Die Kosten des Vollstreckungsverfahrens in beiden Rechtszügen fallen der Kindesmutter zur Last.

4. Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit im Vollstreckungsverfahren wird für den ersten Rechtszug auf EUR 3.000,00 und für den zweiten Rechtszug auf EUR 4.500,00 festgesetzt.

II. Die Anhörungsrüge und die Gegenvorstellung der Kindesmutter gegen den Teil-Beschluss des Senats vom 1.8.2019 werden als unzulässig verworfen.

Der Antrag der Kindesmutter auf Aufhebung des Ordnungshaftbeschlusses des Amtsgerichts - Familiengericht - Hamm vom 3./4.7.2019 in Verbindung mit dem Teil-Beschluss des Senats vom 1.8.2019 wegen nachträglich vorgetragener Entschuldigungsgründe wird ebenfalls als unzulässig verworfen.

III. Der Antrag der Kindesmut...

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