Leitsatz (amtlich)
Im Rahmen der gesetzlichen Zuständigkeitsbestimmung gem. § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO kann regelmäßig nur ein Gericht bestimmt werden, bei dem einer der Streitgenossen seinen allgemeinen Gerichtsstand hat. Von diesem Grundsatz kann nur in Ausnahmefällen abgewichen werden. Ein solcher Ausnahmefall liegt nicht schon dann vor, wenn ein besonderer Gerichtsstand gem. § 29 ZPO gegeben ist, der durch den Standort des Bauwerks bestimmt wird.
Normenkette
ZPO § 36
Verfahrensgang
AG Bottrop (Aktenzeichen 11 C 435/11) |
Tenor
Als zuständiges Gericht wird das AG Borken bestimmt.
Gründe
A. Die Klägerin macht gegenüber der Beklagten zu 1. mit Sitz in C2 werkvertragliche Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit einem Bauvorhaben in C geltend und nimmt die Beklagte zu 2. mit Sitz in I aus einer diesbezüglichen Gewährleistungsbürgschaft in Anspruch. Mit Schriftsatz vom 6.10.2011 hat die Beklagte zu 2. die örtliche Zuständigkeit des angerufenen AG Bottrop gerügt. Daraufhin hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 29.12.2011 die Bestimmung des zuständigen Gerichts beantragt.
B. Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung gem. § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO liegen vor.
I. Die Beklagten sind Streitgenossen i.S.v. § 59 ZPO. Die Beklagte zu 2. hat nach dem Vorbringen der Klägerin eine Gewährleistungsbürgschaft für die von der Beklagten zu 2. durchgeführten Werkleistungen gestellt. Hauptschuldner und Bürge stehen in Ansehung des Streitgegenstandes in Rechtsgemeinschaft und sind daher Streitgenossen (vgl. Vollkommer in Zöller, ZPO, 29. Aufl., § 60 ZPO Rz. 5 m.w.N.).
Die Beklagten weisen unterschiedliche allgemeine Gerichtsstände auf - im Bezirk des AG Borken und im Bezirk des AG Hannover. Ein gemeinsamer besonderer Gerichtsstand lässt sich für den Rechtsstreit nicht zuverlässig feststellen. Insbesondere folgt aus der Akzessorietät der Bürgschaft kein gemeinsamer Erfüllungsort am Erfüllungsort der Werkleistungen. Vielmehr ist Erfüllungsort der Bürgschaft der Wohnort oder Sitz des Bürgen, wenn nicht die Maßgeblichkeit des Erfüllungsortes der Hauptverbindlichkeit ausdrücklich vereinbart worden ist (vgl. Vollkommer in Zöller, ZPO, 29. Aufl., § 29 Rz. 25 "Bürgschaft u Garantie").
Das OLG Hamm ist gem. § 36 Abs. 2 ZPO zu der Bestimmung der Zuständigkeit berufen, da zu dessen Bezirk das zuerst mit der Sache befasste AG Borken gehört. Das zunächst höhere gemeinschaftliche Gericht im Verhältnis der in Betracht kommenden Gerichte wäre der BGH.
II. Der Zuständigkeitsbestimmung steht nicht entgegen, dass der Rechtsstreit bereits rechtshängig ist. Zwar geht der Wortlaut des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO ("verklagt werden sollen") vom Regelfall einer Zuständigkeitsbestimmung vor Anhängigkeit bzw. Rechtshängigkeit aus; er ist jedoch wie allgemein anerkannt zu eng, so dass die Norm insbesondere auch noch nach einer Klageerhebung angewendet werden kann (vgl. Vollkommer in Zöller, ZPO, 29. Aufl., § 36 Rz. 16 m.w.N.). Die Bestimmung des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO beruht auf Zweckmäßigkeitserwägungen. Es kann im Interesse der Parteien liegen, bei einer von vornherein gegen mehrere Beklagte (mit verschiedenen allgemeinen Gerichtsständen) gerichteten Klage auch noch nach Klageerhebung ein für alle Beklagten zuständiges Gericht zu bestimmen, um die Entscheidung des Rechtsstreits durch ein einziges Gericht herbeizuführen. Dass diese Zweckmäßigkeitserwägungen zurücktreten müssten, weil aufgrund des Prozessstands die Bestimmung eines anderen als des mit der Klageerhebung angerufenen Gerichts aus Gründen der Prozessökonomie praktisch ausscheidet und damit dem übergeordneten Gericht im Ergebnis keine Wahlmöglichkeit bei der Bestimmung des zuständigen Gerichts nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO bleibt, ist nicht ersichtlich.
C. Als zuständig wird das AG Borken bestimmt.
Dies beruht auf Gesichtspunkten der Zweckmäßigkeit und Prozesswirtschaftlichkeit (vgl. zu diesen Kriterien: Vollkommer in Zöller, ZPO, 29. Aufl., § 36 Rz. 18 m.w.N.), nach denen eine Bestimmung ohne Bindung an den Antrag der Parteien (vgl. Patzina in MünchKomm/ZPO, 3. Aufl., § 36 Rz. 31; Vollkommer in Zöller, ZPO, 29. Aufl., § 37 ZPO Rz. 3a) vorzunehmen ist.
I. Die Beklagte zu 1. hat ihren allgemeinen Gerichtsstand im Bezirk des AG Borken. Da diese Schuldnerin der behaupteten Hauptforderung ist, besteht die engste Verbindung zum Bezirk des AG Borken.
Eine Bestimmung des AG Bottrop kommt dagegen nicht in Betracht. Die Vorschrift des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO setzt voraus, dass mehrere Personen, die bei verschiedenen Gerichten ihren allgemeinen Gerichtsstand haben, als Streitgenossen im allgemeinen Gerichtsstand verklagt werden sollen. Für die Ausübung des gerichtlichen Auswahlermessens folgt daraus, dass regelmäßig nur ein Gericht bestimmt werden kann, bei dem wenigstens einer der Streitgenossen seinen allgemeinen Gerichtsstand hat (vgl. Vollkommer in Zöller, ZPO, 29. Aufl., § 36 Rz. 17). Demnach besteht im Grundsatz allein eine Auswahl zwischen den AG in Borken und Hannover.
Die Rechtsprechung hat von dem vorstehend darge...