Verfahrensgang
LG Münster (Aktenzeichen 8 O 345/19) |
Tenor
weist der Senat nach Beratung darauf hin, dass er beabsichtigt, die Berufung durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen.
Der Klägerin wird Gelegenheit gegeben, binnen zwei Wochen nach Zugang dieses Beschlusses zu dem Hinweis Stellung zu nehmen oder die Berufung aus Kostengründen zurückzunehmen.
Gründe
Die Berufung ist zulässig, hat aber nach einstimmiger Überzeugung des Senats offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Senats. Auch eine mündliche Verhandlung, von der neue entscheidungserhebliche Erkenntnisse nicht zu erwarten sind, ist nicht geboten, § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO.
Zu Recht hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Die mit der Berufung gegenüber dem angefochtenen Urteil erhobenen Einwände rechtfertigen weder die Feststellung, dass die erstinstanzliche Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht (§ 546 ZPO), noch ergeben sich daraus konkreten Anhaltspunkte, die Zweifel an der Vollständigkeit und Richtigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und eine erneute Feststellung gebieten. Die daher nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen rechtfertigen keine abweichende Entscheidung.
Der Klägerin steht aufgrund ihres Sturzes am 19.08.2022 auf der A Straße im Stadtgebiet der Beklagten kein Schadensersatzanspruch gemäß § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. Art. 34 GG, §§ 9, 9a, 47 StrWG NW als der allein in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage zu.
Zu Recht hat das Landgericht erkannt, dass das Schlagloch, in dem die Klägerin mit ihrem Motorrad zu Fall kam, keine abhilfebedürftige Gefahrenstelle darstellte und die Beklagte ihre Verkehrssicherungspflicht nicht verletzt hat.
Die für die Sicherheit der in ihren Verantwortungsbereich fallenden Verkehrsflächen zuständigen Gebietskörperschaften haben nach §§ 9, 9a, 47 StrWG NRW im Rahmen des ihnen Zumutbaren nach Kräften darauf hinzuwirken, dass die Verkehrsteil-nehmer nicht zu Schaden kommen. Allerdings muss der Sicherungspflichtige nicht für alle denkbaren, auch entfernten Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorkehrungen treffen. Eine Sicherung, die jeden Unfall ausschließt, ist praktisch nicht erreichbar. Der Straßenbenutzer hat grundsätzlich keinen Anspruch auf einen schlechthin gefahrlosen Zustand der Straßen, sondern muss sich den gegebenen Straßenverhältnissen anpassen und die Straße so hinnehmen, wie sie sich ihm erkennbar darbietet. Der Verkehrssicherungspflichtige muss in geeigneter und objektiv zumutbarer Weise diejenigen Gefahrenquellen ausräumen und erforderlichenfalls vor ihnen warnen, die für den Benutzer, der die erforderliche Sorgfalt walten lässt, nicht oder nicht rechtzeitig erkennbar sind und auf die er sich deswegen nicht rechtzeitig einzurichten vermag. Dabei wird die Grenze zwischen abhilfebedürftigen Gefahren und von den Benutzern hinzunehmenden Erschwernissen ganz maßgeblich durch die sich im Rahmen des Vernünftigen haltenden Sicherheitserwartungen des Verkehrs bestimmt, die sich wesentlich an dem äußeren Erscheinungsbild der Verkehrsfläche und deren Verkehrsbedeutung orientieren (OLG Hamm, Urt. v. 17.06.2020 - 11 U 108/19, Juris Tz. 5; OLG Hamm, Urt. v. 25.05.2004 - 9 U 43/04, Juris Tz. 11). Von gleichem Gewicht ist das Maß der Ablenkung der Verkehrsteilnehmer, also die Frage, ob der Verkehrsteilnehmer seine Aufmerksamkeit nahezu uneingeschränkt der Verkehrsfläche widmen kann oder ob diese durch äußere Umstände abgelenkt wird (OLG Hamm, Urt. v. 17.06.2020 - 11 U 108/19, Juris Tz. 6).
Im Rahmen dieser Grundsätze besteht keine Verpflichtung für eine Gemeinde, ihre Straßen stets in einwandfreiem Zustand zu erhalten. Vielmehr ist unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht auf wichtigen Straßen regelmäßig erst dann anzunehmen, wenn es sich um Schlaglöcher mit einer Tiefe von mindestens 15 cm bzw. auf Autobahnen mit einer Tiefe ab etwa 10 cm handelt, da bei derartig tiefen Schlaglöchern deren Befahr-barkeit auch von einem umsichtigen Fahrer nicht mehr gewährleistet ist, weil nicht mehr davon ausgegangen werden kann, dass ein Verkehrsteilnehmer mit derartig gravierenden Unebenheiten rechnet und sich auf diese einstellen kann (OLG Jena, Urteil vom 15.10.2002, 3 U 964/01, DAR 2003, S. 69: Absatz im Straßenbelag von 19 cm; OLG Dresden, Urteil vom 16.11.1998, 6 U 538/98, DAR 1999, S. 122: 21 cm tiefe Bodenwelle in einer verkehrswichtigen Straße; OLG Naumburg, 05.10.2012, 10 U 13/12, juris: 20 cm tiefes Schlagloch in einer Kreisstraße; LG Dresden, Urteil vom 09.06.2000, 16 O 1091/00, DAR 2000, S. 480: 15-18 cm tiefes Schlagloch in einer Hauptverkehrsstraße im Innenstadtgebiet; LG Dresden, Urteil vom 28.03.1994, 4 O 4564/93, DAR 1994, S. 327: 15 cm tiefes Schlagloch innerorts in einer Umgehungs-straße; LG Chemnitz, Ur...