Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsbeschwerde. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Protokollierungsantrag. Rechtsbeschwerdebegründung zu Protokoll der Geschäftsstelle eines Gerichts

 

Leitsatz (amtlich)

Im Rahmen eines Verfahrens auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde ist im Regelfall von einer unverschuldeten Fristversäumung eines Strafgefangenen auszugehen, wenn dieser einen Antrag auf Protokollierung des Rechtsmittels zumindest fünf Werktage vor Ablauf der Rechtsmittelfrist an das zuständige Gericht abgesendet hat; die Absendung eines Protokollierungsantrages drei Tage vor Ablauf der Rechtsmittelfrist ist nicht ausreichend (im Anschluss an OLG Hamm, Beschluss vom 28. Mai 2015 - III-1 Vollz(Ws) 248/15 -, [...])

 

Normenkette

StVollzG § 118; StPO § 44

 

Verfahrensgang

LG Arnsberg (Entscheidung vom 06.04.2017; Aktenzeichen IV-2 StVK 386/16)

 

Tenor

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird als unbegründet verworfen.

Die Rechtsbeschwerde wird als unzulässig verworfen.

Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens fallen dem Betroffenen zur Last.

 

Gründe

I.

Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Arnsberg hat mit Beschluss vom 06.04.2017 auf den Antrag des Betroffenen auf gerichtliche Entscheidung vom 15.12.2016 die Entscheidung der JVA X über die Ablehnung der Gewährung von Begleitausgängen aufgehoben und die JVA X zur Neubescheidung des Antrages unter Beachtung der Rechtsauffassung der Kammer verpflichtet. Dieser Beschluss wurde den Betroffenen ausweislich der bei den Akten befindlichen Zustellungsurkunde am 18.04.2017 zugestellt.

Gegen diesen Beschluss legte der Betroffene am 23.05.2017 zu Protokoll der Geschäftsstelle des Amtsgerichts Werl Rechtsbeschwerde ein, mit der er unter näheren Ausführungen die Verletzung materiellen Rechts rügte. Gleichzeitig beantragte er, ihm gegen die Versäumung der Rechtsbeschwerdefrist des § 118 StVollzG Wiedereinsetzung in vorigen Stand zu gewähren und führte zur Begründung aus, er habe am 10.05.2017 dem zuständigen Abteilungsbeamten mitgeteilt, dass er baldmöglichst dem Urkundsbeamten vorgeführt werden wolle, um eine Rechtsbeschwerde zu Protokoll erklären zu können. Weiter habe er gebeten, dem Urkundsbeamten den Entwurf seiner Rechtsbeschwerde vorab faxen zu dürfen, was abgelehnt worden sei. Zum nächsten Termin des Urkundsbeamten am 16.05.2017 sei er nicht vorgeführt worden. Er habe auch nicht gewusst, was er unternehmen müsse, um dem Urkundsbeamten vorgeführt zu werden. Er habe erst auf seine Nachfrage hin erfahren, aus welchem Grund er nicht vorgeführt worden sei. Dann habe er sich mit dem "Vordruck 51" an das Amtsgericht Werl gewandt, der dort am 19.05.2017 eingegangen sei. Aus organisatorischen Gründen, die er nicht zu vertreten habe, habe die Rechtsbeschwerde erst am 23.05.2017 aufgenommen werden können.

II.

1.

Der Antrag des Betroffenen auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde war als unbegründet zu verwerfen, da der Betroffene die vorgenannte Frist nicht, wie es § 44 StPO i. V. m. §§ 120 Abs. 1, 138 Abs. 3 StVollzG voraussetzt, unverschuldet versäumt hat. Ob ein eigenes Verschulden des die Wiedereinsetzung Beantragenden an der Fristversäumung gegeben ist, beurteilt sich nach der diesem möglichen und zumutbaren Sorgfalt (vgl. Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt, 59. Auflage, § 44 Rn. 11).

Der am 14.05.2017 gestellte und am 19.05.2017 beim Amtsgericht Lippstadt eingegangene Antrag des Betroffenen auf Protokollierung seiner Rechtsbeschwerde ist vorliegend nicht so rechtzeitig erfolgt, dass der Betroffene noch mit einer fristgerechten Aufnahme der Rechtsbeschwerde zu Protokoll der Geschäftsstelle des Amtsgerichts Werl hätte rechnen können.

Es trifft den Betroffenen ein Verschulden, dass er sich nicht entsprechend rechtzeitig und mithin früher um die Vorführung zum Rechtspfleger bemüht hat. Rechtzeitigkeit in diesem Sinne setzt voraus, dass dem Protokollierungsersuchen des Gefangenen im Zuge eines ordentlichen Geschäftsgangs entsprochen werden kann. Zwar ist ein Betroffener berechtigt, die ihm vom Gesetz eingeräumten prozessualen Fristen bis zu ihrer Grenze auszunutzen. Dies beinhaltet jedoch keinen Anspruch darauf, dass der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle auch verpflichtet ist, bei später Antragstellung zur Vorführung allein wegen des bevorstehenden Fristablaufes überobligatorische Tätigkeiten außerhalb des normalen Geschäftsganges zu entfalten, um die Einhaltung der Rechtsbeschwerdefrist zu gewährleisten (vgl. Senat, Beschluss vom 28.05.2015 - III-1 Vollz (Ws) 248/15 -, m.w.N., [...]). Die gesetzlich vorgeschriebene Rechtsmittelfrist beinhaltet nämlich keine reine Bedenkzeit, sondern umfasst zugleich die Zeitspanne, die dem Betroffenen je nach den Umständen zur Erledigung des rein technischen Vorgangs der Rechtsmitteleinlegung verbleibt. Es muss deshalb von dem Betroffenen erwartet werden, dass er seinerseits alles ihm...

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