Verfahrensgang

AG Hamm (Aktenzeichen 34 F 248/20)

 

Tenor

I. Der Beschluss des erkennenden Senats vom 16./18.2.2021 (11 UF 8/21) wird abgeändert.

Der Antrag des Kindesvaters auf Rückführung des am 0.0.2020 geborenen Kindes A B in das Königreich der Niederlande gemäß dem Haager Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung vom 25.10.1980 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

II. Der Verfahrenswert des Beschwerdeverfahrens wird auf EUR 5.000,00 festgesetzt.

III. Der Kindesmutter wird Verfahrenskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt.

Dem Kindesvater wird Verfahrenskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt und Frau Rechtsanwältin C aus D beigeordnet.

 

Gründe

I. Die Kindeseltern streiten um die Rückführung ihrer gemeinsamen Tochter A gemäß dem Haager Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung (Convention sur les aspects civils de l'enlèvement international d'enfants; "Haager Übereinkommen", "HKÜ") vom 25.10.1980.

1. Sie schlossen am 14.2.2020 in G die Ehe, deren Scheidung der Kindesvater in den Niederlanden betreibt, nämlich in einem Verbundverfahren vor der Rechtbank Oost-Brabant (C/01/362490 / FA RK 20-4351). Beide Kindeseltern sind deutsche Staatsangehörige, aber der Kindesvater lebt seit mehr als zehn Jahren in den Niederlanden, und die Kindesmutter hatte im August 2019 zu ihm in die nachmalige Ehewohnung in H übersiedelt. Aus einer früheren Ehe der Kindesmutter stammt der am 00.0.2008 geborene Sohn I L, der in der Obhut der Kindesmutter lebt und mit in die Niederlande übersiedelte. Die elterliche Sorge für I üben dessen Vater E L und die Kindesmutter gemeinsam aus.

2. Die Kindesmutter ist Lehrerin für O-Schulen, durfte aber in den Niederlanden aufgrund der dortigen Schulgesetze nicht unterrichten. Im Laufe des Sommers 2020 bemühte sich die Kindesmutter um Anstellungen an O-Schulen in J, K und F und berichtete dem Kindesvater hiervon am Abend des 17.8.2020.

Am 21.8.2020 unterzeichnete der Kindesvater folgende schriftliche Erklärung:

korte termijn verhuizing

Bij deze bevestige ik, N B (00.00.1983) als vader van A B, dat M L met A (0.0.202) naar Duitsland mag verhuizen. In de omgangsregeling wordt afgesproken, dat ik als vader dezelfde rechten hab op verblijf en opvoeding als de moeder. Van een weekend regeling wordt in dit geval dan ook afgezien. De omgangsregeling houdt rekeningen met de verplichtingen en wensen van A op de nieuwe verblijfplaats. Deze regeling is geldig voor een tijdsduur van 2 jaar en wordt automatisch verlengt.

Die hierzu vorgelegte Übersetzung einer öffentlich bestellten und beeidigten Übersetzerin lautet:

Kurzfristiger Umzug

Hiermit bestätige ich, N B (00.00.1983), als Vater von A B, dass M L mit A (0.0.2020) nach Deutschland umziehen darf. In der Umgangsregelung wird vereinbart, dass ich als Vater dieselben Rechte auf Aufenthalt und Erziehung habe wie die Mutter. Es wird in diesem Fall dann auch von einer Wochenend-Regelung abgesehen. Die Umgangsregelung berücksichtigt die Verpflichtungen und Wünsche von A am neuen Aufenthaltsort. Diese Regelung gilt für einen Zeitraum von 2 Jahren und wird automatisch verlängert.

Am 23.8.2020 legte der Kindesvater der Kindesmutter folgendes Schreiben u.a. betreffend das Güterrecht zur Unterschrift vor:

Opsplitsing gemeenschapelijke goederen

Bij deze worden de goederen gesplitst per 14.02.2020. De gemeenschapelijke verantwoording voor financiële verantwoordelijkheiden vervallen dan ook met uitzondering van:

de bank tvw 1200,-.

Gemeenschapelijke splitsing wordt dan ook voor de belastingsdienst aangevraagt. Vanaf 22.08.2020 handelen beide benoemde personen in eigen naam. Verantwoordelijkheid kan niet overgedragen worden.

Am 24.8.2020 eröffnete die Kindesmutter dem Kindesvater, dass sie wegen einer Anstellung an der dortigen O-Schule nach F umziehen wolle. In einem anschließenden Streitgespräch will der Kindesvater dem erstmals widersprochen haben.

Am Mittag des 25.8.2020 sandte die Kindesmutter dem Kindesvater folgende WhatsApp-Nachricht:

Es tut mir leid, dass du das so siehst. Ich versuche, dich zu verstehen. Du machst es mir nur oft nicht leicht, wenn du so wütend wirst und mich beleidigst oder anschreist.

Ich habe umgekehrt das Gefühl, dass du mich nicht mehr verstehen willst.

Liebe dich trotzdem.

Am Abend des 25.8.2020 kam es zu einem weiteren Streitgespräch der Kindeseltern, in dem der Kindesvater wörtlich äußerte:

"Ja, du hast recht, ich habe dich angeschrien. Ich bin total sauer, ich bin enttäuscht von meiner Frau. Meine Frau, die nach Deutschland will. Aber weißt du was? Ich habe andere Schritte eingeleitet. ... Ich habe dich bei der Polizei gemeldet, wenn du mit der Kleinen abhaust. ... Ich habe gesagt, wenn die Frau mit dem Kind über die Grenze fährt, hat sie keine Ausreisegenehmigung, und mit dem Auto hast du auch keine Fahrgenehmigung."

Ebenfalls noch am Abend des 25.8.2020 sandte der Kindesvater der Kindesmutter folgende zwei WhatsApp-Nachrichten:

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