Entscheidungsstichwort (Thema)
Zuwiderhandlung gegen § 19 Abs. 1 Satz 4 Arbeitsförderungsgesetz (AFG)
Verfahrensgang
AG Münster (Urteil vom 14.04.1980; Aktenzeichen 21 OWi 44 Js 11/80) |
Tenor
Das angefochtene Urteil wird aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Münster zurückverwiesen.
Gründe
Das Arbeitsamt … hatte durch Bußgeldbescheid vom 25. September 1979 gegen den Betroffenen eine Geldbuße von 10.000,– DM wegen eines fahrlässigen Verstoßes gegen die §§ 19 Abs. 1 Satz 4, 229 Abs. 1 Nr. 2 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) in Verbindung mit Art. 1 § 16 Abs. 1 Nr. 2 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) festgesetzt. Dem Betroffenen wurde zur Last gelegt, er habe als geschäftsführender Gesellschafter der der Firma …, auf verschiedenen Baustellen seiner Gesellschaft in den Jahren 1975 bis 1977 31 nicht deutsche Leiharbeitnehmer, die ihm von der Firma … … … überlassen worden waren und nicht im Besitz einer Arbeitserlaubnis gewesen seien, beschäftigt. Da die Firma … als Verleiherin nicht die gemäß Art. 1 § 1 AÜG erforderliche behördliche Erlaubnis gehabt habe und daher der Vertrag über die Stellung von Leiharbeitnehmern zwischen der Firma … und der Firma … unwirksam gewesen sei (Art. 1 § 9 Nr. 1 AÜG), sei die Firma … kraft gesetzlicher Fiktion Arbeitgeberin der ausländischen Leiharbeitnehmer gewesen (Art. 1 § 10 AÜG) und habe im Hinblick auf die fehlende Arbeitserlaubnis diese Arbeitnehmer nicht beschäftigen dürfen (§ 19 Abs. 1 Satz 4 AFG).
Auf seinen Einspruch gegen den Bußgeldbescheid ist der Betroffene vom Amtsgericht freigesprochen worden. Das Amtsgericht hat festgestellt, daß in den Jahren 1975 bis 1977 insgesamt 26 jugoslawische Leiharbeitnehmer der Firma … ohne Arbeitserlaubnis auf den Baustellen der Firma … eingesetzt gewesen seien. Zahlreiche dieser Leiharbeitnehmer seien zusammen mit Arbeitnehmern der Firma … beschäftigt worden. Zwar sei nach Art. 1 § 9 AÜG der Vertrag zwischen der Firma … und der Firma … unwirksam, weil diese die ausländischen Arbeitnehmer „ohne Arbeitserlaubnis” beschäftigt habe (insoweit dürfte dem Amtsgericht ein Formulierungsversehen unterlaufen sein; denn die Bezugnahme auf Art. 1 § 9 AÜG zeigt deutlich, daß nach Auffassung des Amtsgerichts der Vertrag wegen Fehlens der nach Art. 1 § 1 AÜG erforderlichen Verleih-Erlaubnis unwirksam gewesen ist). Damit gelte nach Art. 1 § 10 AÜG ein Arbeitsverhältnis zwischen der Firma … und den einzelnen ausländischen Arbeitnehmer als zustande gekommen. Da diese Fiktion aber ausschließlich zum Schütze der Arbeitnehmer gesacht sei, erscheine es unzulässig, aufgrund dieser Fiktion die Firma … als Arbeitgeberin im Sinne der Bußgeldvorschrift des § 229 Abs. 1 Nr. 2 AFG anzusehen.
Die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.
Aufgrund der Feststellung, daß in zahlreichen Fällen Arbeitnehmer der Firma … zusammen mit Arbeitnehmern der Firma … beschäftigt worden sind, ohne daß die Arbeitnehmer der Firma … eine bestimmte, abgrenzbare Werkleistung zu erbringen hätten, ist das Amtsgericht mit Recht zu dem Ergebnis gelangt, daß eine Arbeitnehmerüberlassung seitens der Firma … an die Firma … vorlag und nicht ein Subunternehmervertrag, der die Anwendung der §§ 19 Abs. 1 Satz 4, 229 Abs. 1 Nr. 2 AFG ausschließen würde. Beizutreten ist dem Amtsgericht auch darin, daß der Arbeitnehmerüberlassungsvertrag zwischen der Firma … als Verleiherin und der Firma … als Entleiherin sowie die Verträge der Firma … mit ihren einzelnen Leiharbeitnehmern nach Art. 1 § 9 Nr. 1 AÜG unwirksam sind, weil die Firma … nicht die nach Art. 1 § 1 AÜG erforderliche Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung hatte. Diese Rechtsfolge tritt unabhängig davon ein, ob die Firma … als Entleiherin Kenntnis von dem Fehlen der behördlichen Erlaubnis hatte (vgl. Becker, AÜG, Art. 1 § 9 Rz. 16). Die Unwirksamkeit dieser Verträge hat aber, auch das hat das Amtsgericht richtig erkannt, zur Folge, daß nach Art. 1 § 10 Abs. 1 AÜG ein Arbeitsverhältnis zwischen der Firma … und den einzelnen Leiharbeitnehmern als zustande gekommen gilt.
Unzutreffend ist jedoch die Rechtsauffassung des Amtsgerichts, daß die Firma … trotz des gesetzlich fingierten Arbeitsverhältnisses nicht als Arbeitgeberin im Sinne der Bußgeldvorschrift des § 229 Abs. 1 Nr. 2 AFG anzusehen sei. Infolge der Fiktion des Art. 1 § 10 AÜG entsteht über das faktische Verhältnis hinaus ein vollwertiges Arbeitsverhältnis (vgl. Sandmann-Marschall, AÜG, Art. 1 § 10 Anm. 13; Becker a.a.O., Art. 1 § 10 Rz. 32; OVG Münster, Urteil vom 8.3.1978 – IV A 1898/76 –). Das gilt für das gesamte Arbeitsrecht, darüber hinaus aber auch für das Verwaltungs- und Sozialversicherungsrecht (vgl. Sandmann-Marschall a.a.O.). Daraus folgt, daß dem Entleiher im Rahmen eines fingierten Arbeitsverhältnisses sämtliche Arbeitgeberpflichten im Bereich des Arbeitsrechts treffen (vgl. Becker a.a.O., Art. 1 § 10 Rz. 17). Zu den arbeitsrechtlichen Pflichten eines ...